Jürgen Kuhlmann

Maria zu und in Gott

Nachtrag zum Dreieinigkeitsbuch von 1968

13. September 2007

Heute vor 35 Jahren haben Mila und ich im Nürnberger Standesamt geheiratet, die Dispens aus Rom kam Monate später. Für katholische Christen ist die Ehe ein Sakrament: bedeutet, repräsentiert die Heirat von Christus mit seiner Geliebten, der Kirche. Trägt so, wie Christus historisch Jesus heißt, auch sie als Mensch unter Menschen einen persönlichen Namen? Als Erbe einer alten kirchlichen Tradition, die sich in den letzten Jahrhunderten zusehends deutlicher wird, bin ich überzeugt: Ja. Gottes Ewige Freundin, die reine Schöpfung in Person, tritt in der Geschichte als seine Mutter Maria auf. Nur so erklärt sich der machtvolle Strom der Marien-Verehrung im orthodoxen und katholischen Christentum.

Wie läßt sich theologisch verstehen, daß sie ausdrücklich nicht angebetet und dennoch über jedes einzelne Glied der Menschheit hinaus verehrt wird? Hören wir zwei katholische Dichter. In einem meiner Lieblingslieder fragt Francis Thompson am 15. August:

„Well we even
Of this thing may doubtful be,
If thou art assumed to Heaven,
Or is Heaven assumed to thee!”

Und „Du unsere Göttin!“ redet Petrarca in seiner letzten Ode sie an, und setzt hinzu: „Wenn so zu sagen erlaubt und passend ist“. In welchem Sinn es falsch und in welchem richtig sei, diese Frage ist das Thema der folgenden Überlegung. Sie verdeutlicht nach vierzig Jahren meinen trinitarischen Marien-Glauben, der im Buch von 1968 noch schlummerte – und doch, genau besehen, schon ausdrücklich da war.

Zu den drei göttlichen Personen (propria) hinzu mußten die mittelalterlichen Theologen, um den Hervorgang des Hl. Geistes aus Vater und Sohn denken zu können, auch deren "Commune" benennen ("tamquam ex uno principio", D 691, Florentinum): "SPIRATOR" sagten sie zu diesem göttlichen Gegenpol des von IHM gehauchten SPIRITUS SANCTUS.

An einem sonnigen Nachmittag habe ich in Rom einmal die „Trinitätsmathematik“ unseres Professors, des großartigen Kanadiers Bernard Lonergan, nachgerechnet und kam zu dem erstaunlichen Ergebnis: Sie stimmt, aber nach ihren Regeln ist auch wahr: FILIUS A PATRE SPIRITUque. So wurde ich 1961 Feminist; denn was ist dann "der" Hl. Geist? Offenbar die MUTTER. In Kol 1,13 fand ich dann auch: "Filii dilectionis eius". So hatte ich das zweite Commune entdeckt: Vater und Hl. Geist gemeinsamer Ursprung des Logos-Kindes, als ein unendlich einfaches „göttliches Elternpaar“ (Wahrheit der Indiovölker); später merkte ich, daß nichts anderes auch die Wahrheit der indischen SELBST-Mystik und des deutschen Idealismus ist; denn jenes SELBST, aus dem das Ich hervorgeht und in das es mündet, ist nichts Fremdes sondern die eigene unergründliche Tiefe.

Warum fragte ich damals nicht weiter, nach dem dritten Commune von Sohn und Geist, obwohl ich es bei Gregor von Nazianz schon explizit geschrieben fand? Oben auf Seite 51 steht sein Satz: "Gemeinsam ist ... dem Sohn und dem Hl. Geist das aus dem Vater". Man sehe das Diagramm oben auf S. 52 an. In dem kleinen a rechts unten steckt das Marien-Geheimnis. Denn SIE steht GOTT [(A) links oben] in direkter Gegensatz-Beziehung gegenüber, ist deshalb so wenig „Gott“ wie der Sohn der Vater ist. Gott wird angebetet (von Juden, Christen, Muslimen und Bahais), auch Sohn und Hl. Geist werden in der Kirche als wahrhaft göttlich angebetet (mir scheint: weil jeder mit dem Vater zusammen Ursprung einer göttlichen Person ist). Jenes (bisher namenlose) Commune von Sohn und Geist hingegen ist nicht Ursprung einer göttlichen Person, sondern steht („notional“) GOTT gegenüber, ist insofern gerade nicht Gott - wird aber (weil „essentiell“ doch auch göttlich) mit einer un-endlichen, absoluten Verehrung bedacht. [27.Nov.2007. Zusatz zum Nachwort: Diese unterscheidet sich – lehrt das II. Vaticanum in der Kirchenkonstitution (VIII,66) – „wesenhaft“ (essentialiter) von der Anbetung der göttlichen Personen. Weil das Wort hier aber nicht in trinitarischem Kontext steht, darf ich es als »notionaliter« präzisieren; zu dieser Frage wollte das Konzil nichts sagen (54). Bei der Verkündigung grüßte der Engel Maria mit ihrem wahren Namen »Begnadete« (Lk 1,28). Luthers Übersetzung »Holdselige« ist lieblich, wird jedoch der Höflichkeit Gabriels nicht gerecht. Er machte kein Kompliment, sondern deutete schon an, was die vom Heiligen Geist geleitete Kirche nach Jahrhunderten immer tiefer verstehen wird. Wie die altchristliche Trinitätslehre von kritischen Christen noch und wieder als unjesuanische Spekulation verworfen wird, so wird erst recht diese mariologische Ergänzung vielen, auch Katholiken, als wilde Absurdität vorkommen. Das macht nichts, bunt ist Gottes Weisheit (Eph 3,10) und seiner Liebsten Gewand (Ps 45,15). Meines verehrten Spirituals Wilhelm Klein und meine Farbe ist diese.] Deo gratias et Mariae. Sie erfüllt mich, sooft ich (totus tuus) jetzt beim Gloria Patri ... "in principio" bete oder im Chor singe.

Wie der Logos das Bild des Vaters ist, so ist Maria-Sophia als Commune von Sohn und Geist die Ikone der innergöttlichen Liebe und wird in ihrer Inkarnation als Mirjam von Nazaret gültig als Mutter Gottes verehrt. Das habe ich 1968 auf S. 56-57 schon beschrieben, ohne das innertrinitarische "a" von S. 52 und Maria-Ikone als identisch zu erkennen.

Jetzt, nach “In Principio” von Giuseppe Trentin (Padova 2005, dt. Würzburg 2006: „Im Anfang. Das ‚Mariengeheimnis’ in den Handschriften von Wilhelm Klein“), erscheint diese Identität mir so gewiß, daß ich vermute, sie sensu stricto zu glauben. „Das Pneuma kann nicht Wort werden“, haben Pater Kleins Hörer immer wieder vernommen; dazu gilt die Ergänzung, die beiden Seiten der innerkirchlichen Spannung zwischen Konfessionalisten und Spiritualisten recht gibt: Aber es gibt die Kirche, die nicht nur als Institution sondern sogar als Person nichts anderes ist als die unauflösliche Identität von Logos und Pneuma als ein principiatum, und deshalb beide ideologischen Häresien meiden muß: geistlose bloße Worthaftigkeit ebenso wie ein sinn-loses Untertauchen im Einheitsrausch des Pneuma. Ohne gesunde Abwechslung zwischen beiden uns geschenkten göttlichen Mitvollzügen kann ich nicht in kat-holischer Fülle katholisch sein.

Neulich sah ich um 10 Uhr morgens beim Schwimmen im Meer hoch oben noch die blasse LUNA schimmern. All ihr Licht hat sie von Ihm, el SOL. Und hat doch oft in dunkler Nacht, wenn ER scheinbar weg war, viele Seelen mit ihrem=seinem Licht getröstet. Wie meinte jener italienische Bauer, als ein Aufgeklärter ihm beibringen wollte, daß es Gott gar nicht gibt? „Macht nichts, da ist immer noch die Madonna.“


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