Jürgen KuhlmannLieferbare Bücher
Für ein geistlicheres Gottesverständnis (Patmos 1986, 125 Seiten 20,5x13, ISBN 3-923733-08-9, 11 Euro). Herrschaftslosigkeit ist das Gegenteil von Herrschaft, doch auf beide Weisen haben wir uns Gott zu denken. Ein Anhang enthält heilende christliche "Innen-Texte".
Nachwort 1/1990
Den Titel präzisiere ich jetzt so: Auch innen statt nur droben. Mir scheint, daß ich den Paradigmenwechsel vor vier Jahren zu simpel sah. Nein, nicht das Leib-Ich-Verhältnis ersetzt die überkommene Beziehung der Menschheit zum Du Gottes, sondern das neue Paradigma muß (dem christlichen Grunddogma gemäß) ein trinitarisches sein.
Christen glauben an die Dreieinigkeit. Sehen wir nun einmal davon ab, was wir alles von den göttlichen Personen zu wissen vermeinen. Die Rede von drei Personen war stets mißverständlich und ist keineswegs der einzig mögliche Ausdruck des Mysteriums. Gott, der Sinn des Ganzen, ist dreifach in sich selbst gespannt, stellen wir uns diese Spannung als die von drei Dimensionen vor, z.B. so: Durch die linke Eingangstür betrete ich die Kathedrale in Form eines gewaltigen, vielfach durchbrochenen Würfels aus Glas. Dreifach kann ich blicken: entweder nach oben, zum DU Gottes des Vaters. Oder in die Tiefe, nach hinten, wo das unendliche EINS mich bergen will, Sie, die Liebe des Heiligen Geistes. Oder nach rechts, vorwärts, wo ich mich selbst verwirklichen will, in Teilhabe am ewig freien ICH des göttlichen Kindes.
Jede dieser drei Dimensionen entspricht einer christlichen Grundvorstellung. Nach oben betet das Volk des Neuen Bundes zu Dir, Gott. Was im Würfelbild nach rechts weist, ist tatsächlich die Richtung nach innen, wo jedes Glied des Leibes Christi sein ur-eigenes Ich findet. Und was im Würfel nach hinten verschwimmt, ist jenes Allwärts, wo unser Gemüt aus und in Ihr, der göttlichen Liebe, neugeboren wird.
Zwar enthält jede der drei Grundvorstellungen - Volk, Leib und Wiedergeburt - in sich nocheinmal die Spannung DU/ICH/EINS ("heilsökonomische Perichorese", Triangulation). Deshalb muß nicht jeder Glaubende sich in allen dreien tummeln. Insofern ist die einseitige Betonung des Leib-Ich-Modells (wie im Buch durchgeführt) praktisch nicht falsch, kann sich angesichts der üblichen monotheistischen Entfremdung sogar heilsam auswirken. Theoretisch muß der Paradigmenwechsel jedoch im jetzt verdeutlichten umfassenderen Sinn gesehen werden. Nicht schon das Leibmodell ist der neue Verständnisrahmen, sondern erst die trinitarische Spannung von Volk/Gott, Leib/Logos-Ich, Wiedergeburt/Pneuma-Eins.
Ist das zu kompliziert? Nein. Unterscheiden wir zwischen Botschaft und Dogma. Jede Botschaft ist je ein Vordergrund vor einem anderen Hintergrund. Dieselbe Botschaft muß sich vor einem schwarzen Hintergrund als weiß zeigen, vor einem weißen eher als schwarz! Wer den augenblicklichen Hintergrund seines Partners in liebender Aufmerksamkeit erfaßt, nur er kann aus der (bunten) Fülle des Dogmas (= des umfassenden Paradigmas) die jeweils wahre Botschaft sagen! Das Amt hat für Ausgewogenheit zu sorgen, der Verkünder gerade nicht! So wird z.B. der Gegensatz Ratzinger/Boff verständlich - bewältigt freilich durch keine theoretische Einsicht, sondern allein im Heiligen Geist.
9. Januar 1990
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