Jürgen Kuhlmann
Marthas Dienst an der Freude
Firmung/Konfirmation
Sie wollen mithelfen, junge Menschen unserer Gemeinde auf ihre Firmung/Konfirmation vorzubereiten. Deshalb ist es gut, wenn wir miteinander über unsere Kirche nachdenken. Denn ihre vollgültigen Mitglieder sollen die Konfirmanden ja werden; Sie wissen aber auch, wie umstritten der Ritus ist. Die einen fassen ihn als Chance auf, diesen Jugendlichen, die danach vielleicht lange keine Kirche mehr von innen sehen werden, nochmals einen christlichen Impuls mit auf den Weg zu geben; die anderen sprechen von Heuchelei: Bloß um die Geschenke gehe es, nicht in die Kirche hinein, sondern aus ihr hinaus würden die jungen Leute konfirmiert; der letzte kirchliche Eindruck für viele Jahre sei eine Feier mit viel äußerlichem Aufwand, dem aber keine innere Wahrheit entspreche, weil ja jeder wisse, daß die Mehrzahl der Teilnehmer innerlich gar nicht zur Kirche gehören will.
Mir scheint, vor Ihrer Tätigkeit als Firmhelfer sollten wir über diese Frage ehrlich sprechen; nur wer weiß, was er tut, tut es gut. Als Einstieg in unser Gespräch lege ich Ihnen deshalb kurz meine Sicht der Dinge vor.
Zu Beginn eine wahre Geschichte, sie stammt von einem katholischen Priester. Bei einem Traugespräch fragte er die Brautleute: Glauben Sie, daß Christus von den Toten auferstanden ist? Sie wand sich, er bekannte: nein, das sei doch eine gar zu kindliche Vorstellung. Dann könne er, meinte der Priester, sie wohl nicht kirchlich trauen; denn für Katholiken sei die Ehe ein Sakrament; nun setze aber ein Sakrament den Glauben an die christliche Grundwahrheit voraus, nämlich an Christi Auferstehung. Die beiden waren empört: das könne nicht sein, wofür sie denn ihre Kirchensteuer zahlten? Das war allerdings ein durchschlagendes Argument, folglich fand die Trauung statt, mit Orgelspiel und Blumenschmuck, wie es sich gehört. War sie aber ein christlicher Gottesdienst?
Mit dieser Frage sind wir beim Nerv des Problems der Volkskirche. Es herrscht hier eine wilde Sprachverwirrung. Wer zur sog. "Kerngemeinde" gehört, spricht den "Fernstehenden" gern das Christsein ab; bei denen sagt umgekehrt mancher, er sei christlicher als die Christen. Die einen bejammern das Ende der Volkskirche, weil so viele noch Getaufte ihre Kinder als echte Heiden aufwachsen lassen. Sie möchte eine Kette mit "diesem Sportler da", sagte eine junge Kundin zum Hamburger Juwelier. - Aber auch früher - meinen andere - war die Mehrheit nie wirklich gläubig; denn das wird man nicht durch Massentaufe, als Mitläufer einer gerade siegreichen Ideologie, auch nicht aus Angst vor der Inquisition.
Besonders Freche spotten, daß wie zur Zeit Luthers auch heute das Volk nicht christlich, aber kirchlich sei: weil es nämlich meint, mit Geld etwas für sein Seelenheil zu tun. Was damals der Ablaß war, sei jetzt die Kirchensteuer; Kirchen und Pfarrhäuser (auch die evangelischen!) würden alle mit Ablaßgeld gebaut und unterhalten, nämlich mit der Steuer von Leuten, die zwar - weil sie das Evangelium nicht glauben - aus der Kirche austreten könnten. Warum bleiben sie drin? Aus ähnlichen Gründen (meint der Spötter), aus denen sie auch ihre Beiträge zur Hausrat- und Kaskoversicherung zahlen, man weiß ja nie ... Nichts anderes als eine solche Risikoprämie war auch der Ablaß, gegen den Luther gekämpft hat. Wahrlich: Der Jünger ist nicht über dem Meister. Jesus hat das Christentum gestiftet, Luther den Protestantismus, beide Male widerspricht das Ergebnis der Absicht. Oder doch nicht?
Wir müssen ausdrücklich unterscheiden zwischen der Kirche als einem Stück Welt und der Kirche als einem Schimmer des Reiches Gottes. Beides ist sie, zu beidem gehören die verschiedensten Menschen auf die unterschiedlichsten Weisen, und zwar so, daß kein Mensch durchblickt, es ist auch nicht nötig. Richtet nicht. Mittelalterliche Maler und Dichter scheuten sich nicht, Päpste und Bischöfe in die Hölle zu versetzen; Haben sie das Richtverbot übertreten? Nein, wofern sie nicht das endgültige Geheimnis jener Personen darstellen wollten, sondern nur den Unwert ihrer Taten. Das ist mündigen Christen erlaubt, auch dazu schenkt sich uns Gottes Heiliger, nicht nur belebender, auch kritischer Geist. Umgekehrt könnte es sein, daß jemand - aus Nächstenliebe und seinem Gewissen folgend - offiziell aus der Kirche austritt, damit seine Steuersumme nicht einen aufgeblähten Apparat finanziert, sondern lieber, sagen wir, die Basisgemeinde in einer brasilianischen Favela. Der von Jesus so gelobte Samariter galt seinen rechtgläubigen Zuhörern als völlig unkirchlicher Gesell!
Vielleicht fragen Sie jetzt: Wenn das so ist - warum sind wir dann hier beisammen und bereiten die Firmung vor? Wenn es auf die Kirchenzugehörigkeit letztlich gar nicht ankommt, lohnt sich dann unsere Mühe? O ja. Das Evangelium darf nie mehr vergessen werden. Nicht jeder einzelne muß sichtbar in der Kirche sein, aber die Kirche muß auf Erden sichtbar sein, nicht weil sie so heilig und großartig wäre, sondern damit Gottes Heilswort für die Menschheit hörbar bleibt.
Manchmal, wenn ich jemanden über die Kirche jammern höre, fällt mir ein "surrealistischer" Witz aus den Fünfzigern ein: Wie ein Mann im Café ein Glas Tee bestellt, den Tee über die Schulter schüttet und das Glas aufißt. Bis auf den Henkel, den legt er auf den Aschenbecher. Zahlt, geht. Ein Gast sieht entsetzt zu und fragt den Kellner: Verstehen Sie das? Nein, mein Herr, antwortet der, ich verstehe es auch nicht. Wo doch der Henkel das Beste ist!
Natürlich braucht der Wein der christlichen Heilsbotschaft Gefäße, sonst kann keiner ihn trinken. Ohne Flasche oder Glas kein Wein. Und natürlich sollen die Gefäße möglichst sauber sein. Wessen Glas dreckig ist, helfe mit, es zu spülen, oder suche ein reineres. Auf jeden Fall trinke sie oder er den Wein. Esse aber, um Himmels willen, nicht das Glas auf! Dazu ist es nicht da. Wem im Mund Splitter knirschen und aus den Lippen Blut rinnt, hat das Glas mißverstanden.
Die Kirche, an die der Christ glaubt, sie gehört zum Wein und bestimmt dessen Geschmack: es ist die stärkende, tröstliche Heilsgemeinschaft durch Jahrhunderte und über Völker hin, die sich offenbart, wo zwei oder drei in Jesu Namen beisammen sind. Der Kirchen-Apparat jedoch ist die Kirche nicht, ihn hat sie bloß; nicht an ihn glaubt der Christ, sondern durch ihn oder trotz seiner, er ist "nicht zum Verzehr bestimmt", wie es auf Orangenschalen heißt und leider nicht auf unverdaubaren Verlautbarungen "der Kirche" ...
Ja: Die Arbeit der Spülerin in der Weinstube ist sinnvoll, obwohl geübte Spanier sich aus ihrer Lederflasche den Wein so in den Mund befördern, daß kein Tropfen umkommt. Die meisten von uns aber brauchen Gläser. Ähnlich ist das Heil nicht nur für ein paar auserwählte Mystiker da; für die Vielen ist Jesus gekommen, gerade für die Leute, denen Sie in den nächsten Wochen seine frohe Botschaft etwas näher bringen wollen. Wie sie wirkt, welches geistliche Samenkorn in die Herzen fällt und vielleicht viel später aufgeht - das steht bei Gott. Wird unsere Firmfeier so verstanden, dann ist sie keine Heuchelei, sondern einfach der Versuch, jene Freude an Gott weiterzureichen, die uns selbst so glücklich macht.
Überlassen wir deshalb das Problem der Volkskirche ruhig den Soziologen und die Frage, wer ein Christ sei, dem Jüngsten Gericht. Vermutlich gibt es da manche Überraschung. Wie schön, wenn unser Herr dann vielleicht zu Ihnen sagen wird: Ich war ein fragender Jugendlicher, und du hast mir ein paar Dinge etwas klarer gemacht. Geh ein in die Freude deines Herrn.
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