Jürgen Kuhlmann

Kommentar zur Enzyklika »Humanae Vitae«

in der am 25. Juli 1968 die Geburtenregelung päpstlich verboten wurde


Winfried Tröpfel

483 Gütersloh

Lutherstr. 7

30. Juli 1968

Redaktion der F A Z

Abteilung Leserbriefe

Betrifft: Enzyklika

Ich könnte mir denken, daß die folgende Stellungnahme vielen Ihrer katholischen Leser - sei es als Provokation, sei es als Klärung - bei der Urteilsbildung helfen kann.

Viele Katholiken nehmen gegenüber der Enzyklika etwa folgende Haltung ein: Die bedenkenswerten Erwägungen, die sie enthält, nehmen wir ernst. Der Entscheidung der Kernfrage freilich vermag unser Gewissen nicht zuzustimmen; da das Gegenteil von "unfehlbar" schlicht "fehlbar" ist, machen wir uns deswegen aber keinen allzu großen Kummer.

Kann, wer als Katholik so denkt, in dieser zunächst recht traurigen Situation nicht auch etwas Gutes sehen? Mir scheint, ja. Was alle zögernden Versuche päpstlicher Selbstbeschränkung nicht vermochten, das dürfte sehr bald die Folge dieser (nur dem Fall Galilei vergleichbaren) kirchlichen Grenzüberschreitung sein: durch einen schmerzlichen Prozeß wird das katholische Breitenbewußtsein von der faktischen Vergötzung weg und hin zu einer Einschätzung des päpstlichen Amtes gezwungen, welche den vom Dogma offen gelassenen Grenzen genauer entspricht.

Wie damals in Antiochien wird Petrus, nun in Paul, wiederum schwach - heilsame Schwäche: denn sie nimmt der Kirche ihren bedrückenden Übervater und schenkt ihr den älteren Bruder zurück. Paul VI. ist wohl demütiger Realist genug, um auch diese Wendung der Dinge, wenigstens als Möglichkeit, einzukalkulieren und anzunehmen.

Bischöfe und Priester aber haben sich nunmehr bewußt zu fragen, wer jeder sein will (Gal 2,13): Barnabas oder Paulus!

***

Der pseudonyme Leserbrief des Kaplans wurde damals von der F.A.Z. sogar abgedruckt.


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