Jürgen Kuhlmann

Kleines CREDO für Zeitgenossen


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Kyrie

Kyrie eleison, Christe eleison, Kyrie eleison

Herr, erbarme Dich, Christus, erbarme Dich, Herr, erbarme Dich

Geschichte: Ähnlich formulierte Bittrufe waren den Christen schon aus den Psalmen bekannt. Die knappe Form aber war der heidnischen Antike geläufig, z.B. im Sonnenkult, als Ruf an Herrscher oder Priester; auch die Dreizahl ist belegt. Im Osten findet das Kyrie bald Eingang in die Liturgie, im 5. Jahrhundert wurde es von Rom übernommen. Schon unter Papst Gregor dem Großen war es üblich, mit Christe eleison abzuwechseln, wodurch der trinitarischen Deutung der Weg gebahnt wurde. Das christliche Volk des Mittelalters, auch Germanen und Slawen, sang das Kyrie auch außerhalb der Liturgie: bei Wallfahrten, sogar als Schlachtruf im Krieg.

Bedeutung: Dreimal zu rufen war schon heidnischer Brauch; deshalb ist das (in "Requiem" vorgeschlagene) trinitarische Verständnis nicht ursprünglich, sondern spätere Vertiefung. Zunächst wurde allein Christus angesprochen, und zwar mit dem Titel, der in Rom mehr und mehr dem Kaiser vorbehalten war; Christus wurde also etwa "Majestät!" genannt. Das hatte einen guten Sinn und fatale Folgen.

a) Den guten Sinn versteht, wer sich in jene Christen hineindenkt, die vor dem heidnischen Richter zwischen Herr und Herr wählen und dabei ihr einziges Leben auf die Waagschale legen mußten. Im Jahr 111 oder 112 schrieb der Statthalter Plinius aus Kleinasien an Kaiser Trajan: Ich habe es mir, Herr, zur strengen Regel gemacht, alle Angelegenheiten, über die ich mir nicht klar bin, dir zu unterbreiten. ... Es kam eine Schrift ohne Angabe des Verfassers zum Vorschein, welche die Namen vieler Personen enthielt, die leugneten, Christen zu sein oder gewesen zu sein, und die nach der vorgesprochenen Formel die Götter anriefen, auch deinem Bilde, das ich deshalb zugleich mit den Götterbildern hatte herbeibringen lassen, mit Wein und Weihrauch opferten, überdies noch den Christus lästerten: lauter Dinge, wozu sich, wie es heißt, wirkliche Christen nicht zwingen lassen; diese glaubte ich nun freilassen zu müssen. Andere, von einem Angeber namhaft gemacht, sagten, sie seien Christen, bald aber leugneten sie es wieder: sie seien es zwar gewesen, aber wieder abgefallen, einige vor drei, andere vor mehreren, einige sogar vor zwanzig Jahren. Alle haben deinem Bildnis und den Götterbildern ihre Verehrung erwiesen, ebenso auch den Christus gelästert. Über dem mächtigen, verständnislosen, grausamen Kyrios in Rom steht der allherrschende, mich zuinnerst verstehende, gütige Gott. Vor Ihm ist selbst der Kaiser nur "wie ein Tropfen im Eimer" (Jes 40,15). Diese unter Stöhnen doch strahlende Gewißheit reicht durch die Jahrhunderte bis in unseres. "Heute wurde ich zum Tode verurteilt, sit nomen Domini benedictum," schrieb in der Nazizeit ein Priester in sein Tagebuch.

b) Die fatalen Folgen ergaben sich, sobald Christus nicht mehr der frei geglaubte Gegenpol zum erfahrenen irdischen Herrn war, sondern selbst von den (seit 325) ideologisch siegreichen Christen zum Alleinherrscher ausgerufen und - in Gestalt einer immer stärker sich verweltlichenden Kirche - auch hart erfahrbar durchgesetzt wurde: Als die westliche Welt das Christentum annahm, siegte der Kaiser ... Die kurze galiläische Vision von Demut flackerte unsicher durch die Jahrhunderte. In der offiziellen Formulierung der Religion hat sie die triviale Form angenommen, als hätten die Juden ein Mißverständnis über ihren Messias gehegt. Der tiefere Götzendienst aber, sich Gott nach dem Bilde der ägyptischen, persischen und römischen Herrscher zu modellieren, er wurde beibehalten. Die Kirche gab Gott die Attribute, die ausschließlich des Kaisers waren.[Alfred N. Whitehead, Process and Reality, 520/342]

c) Nicht zum Unglück für das Christentum geht diese Etappe der Christenheit rapide zu Ende. Mit Schaudern erinnere ich mich jener Schulmesse in Oberfranken, als ich 1966, während am Altar der Herr Dekan lustlos amtete, hinten die zwangsverpflichteten Schüler an zu großer Lustigkeit hindern mußte ... Heutiger Herr der Welt ist nicht mehr der Kaiser, sondern der Apparat; seine Weisungen verlangen, obzwar weihrauchlos, doch eine ähnliche Unterwerfung wie einst der Kaiser. Da erinnert das Herz sich gern jener "kurzen galiläischen Vision" mit ewiger Ausstrahlung und fleht dankbar: Kyrie eleison.

Gloria

Der Lob- und Bittgesang der heiligen Messe geht auf älteste Vorstufen zurück, die heutige Fassung entstammt dem 9. Jahrhundert. Drei Elemente:
a) Lobgesang der Engel bei Christi Geburt (Lk 2,14); b) im Judentum verwurzelte Anrufungen Gottes, seit dem 2. Jahrhundert bezeugt; c) Christusrufe, seit dem 4. Jahrhundert.

Gloria in excelsis Deo Et in terra pax hominibus bonae voluntatis

Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seiner Gnade

Bonae voluntatis: Luther schreibt: und den Menschen ein Wohlgefallen, in der früheren katholischen Übersetzung las man wörtlich: den Menschen guten Willens. Die Textunterschiede haben nichts mit konfessionellen Gegensätzen zu tun; vgl. die [von mir ergänzten] Erläuterungen des niederländischen Jesuiten Cornelius a Lapide (+ 1637 in Rom): Ehre sei (oder: ist) Gott in der Höhe [oben im Sinn von ganz innen; auch wer im Weltraum nur Leere findet, ahnt doch tief in sich - und dem Nächsten - die unendliche Erhabenheit], weil geboren ist Christus, er ist Gottes Ehre, der Engel Freude, der Menschen Friede. Manche alten Erklärer verstehen den Hymnus dreigliedrig: Ehre Gott in der Höhe, auf Erden Friede, den Menschen guter Wille. Besser ist aber das zweigliedrige Verständnis. Wie nämlich Gott die Ehre gegeben wird, so auch den Menschen guten Willens der Friede. Friede bedeutet auf Hebräisch: Alles Gute, jegliches Glück. Christus selbst "ist unser Friede" (Eph 2,14); man höre Augustinus: "Im jungfräulichen Schoß ist die geistliche Hochzeit gefeiert worden, Gott ist mit der caro (= Fleisch) verbunden worden, und die caro hing Gott an ... ob dieser Vermählung zeigt der Engelchor den Menschen guten Willens den Frieden an: Denn der Gottes Sohn war, ist des Menschen Sohn geworden." Bonae voluntatis: Dreifach zu verstehen; a) Friede sei den Menschen, nicht allen jedoch, sondern denen guten Willens. b) Der Friede macht es, daß sie guten Willens sind. c) Weil aber das griechische wie das entsprechende hebräische Wort in der Bibel sich fast nie auf Menschen, immer auf Gott bezieht, nämlich Gottes Gnade, Wohlwollen, Wohlgefallen [ein schöner ökumenischer Zug!] und Liebe zu den Menschen bedeutet, deshalb heißt es eher: Friede sei den Menschen, die Gott mit seinem guten Willen von sich aus, ohne ihr Verdienst, würdigt und begleitet.

Laudamus Te, benedicimus Te, adoramus Te, glorificamus Te. Gratias agimus tibi propter magnam gloriam tuam. Domine Deus, Rex caelestis, Deus Pater omnipotens

Wir loben Dich, wir preisen Dich, wir beten Dich an, wir rühmen Dich und danken Dir, denn groß ist Deine Herrlichkeit: Herr und Gott, König des Himmels, Gott und Vater, Herrscher über das All

Domine Fili unigenite, Jesu Christe. Domine Deus, Agnus Dei, Filius Patris, qui tollis peccata mundi, miserere nobis, qui tollis peccata mundi: suscipe deprecationem nostram; qui sedes ad dexteram Patris: miserere nobis.

Herr, eingeborener Sohn, Jesus Christus. Herr und Gott, Lamm Gottes, Sohn des Vaters, du nimmst hinweg die Sünden der Welt: erbarme dich unser; du nimmst hinweg die Sünden der Welt: nimm an unser Gebet; du sitzest zur Rechten des Vaters: erbarme dich unser.

Quoniam tu solus sanctus, tu solus Dominus, tu solus Altissimus: Jesu Christe, cum Sancto Spiritu, in gloria Dei Patris. Amen.
Denn du allein bist der Heilige, du allein der Herr, du allein der Höchste: Jesus Christus, mit dem Heiligen Geist, zur Ehre Gottes des Vaters. Amen.

Du allein bist der Heilige. Darf man auf der einenErde noch so sagen? Sind Buddhisten, Moslems, Bahais und andere darüber nicht zu Recht gekränkt? Zwei Friedensvorschläge:

a) Wir Christen ergänzen leise: "für uns". Dann entspricht das Bekenntnis der Liebeserklärung: Du bist (für mich) die Allerschönste und Beste, überhaupt die Einzige. Ort des Gloria ist der geistliche Binnenraum der Liturgie. Wer als Fremder bei ihr zu Gast ist, wird sich auch an überschwänglichen Formulierungen nicht stoßen. Anders, wenn man dieselben Sätze rechthaberisch auf dem ideologischen Marktpatz vorträgt.

b) Unangreifbar ist der Satz auch, wofern er nicht das historische Individuum Jesus als solches meint, sondern jenes einzige ICH des Universums, welches (nach unserem Glauben) in ihm Fleisch geworden ist (vielleicht aber auch in anderen? Ja hoffentlich zuletzt in uns allen? Das ist eine andere Frage, die sich jetzt, beim dankbaren Bekenntnis, nicht stellt).


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