Jürgen Kuhlmann
Ist Ostern nur ein Frühlingssymbol?
Bei aufgeklärten Menschen ist die Meinung verbreitet: Ostern, das ist nichts weiter als ein Frühlingssymbol. Neu erwacht die Natur aus ihrer winterlichen Todesstarre, frisch sprießt das lebendige Grün. Da bedeutet Christi Auferstehung den Sieg des Lebens über den Tod und soll uns ermuntern, in unseren Kämpfen stets neu die Partei des Lebens zu ergreifen, gegen Resignation, Routine und allerlei toten Formelkram. Ostern ist ein Frühlingssymbol.
Andere behaupten kühn das Gegenteil: der Frühling sei ein Symbol für Ostern. Den Höhepunkt der Menschheitsgeschichte voraussehend, hat der Schöpfer den Frühling sich ausgedacht, um uns Jahr für Jahr mit allen Sinnen an die Osterwahrheit zu erinnern: Fürchtet euch nicht, Welken und Tod haben ihre Schrecken verloren, ein Kind Gottes kann nie sterben. Hört ihr die Vögel jubeln, riecht ihr den süßen Blütenduft? Glaubt dieser Botschaft. Auf jeden Dezember folgt wieder ein Mai, sogar auf den Schnee deiner Haare.
Zum Glück müssen wir zwischen beiden Sichten nicht wählen. Hätte nur die aufgeklärte recht, dann fiele jeder von uns am Ende ins Nichts, gliche deshalb jetzt schon dem Eingekerkerten mit dem Todesurteil um den Hals, nur das Datum fehlt noch. Wird er lustig sein? Hätten nur die anderen recht, dann käme es leicht (wie es ja auch kam) zu weltflüchtiger Jenseitssucht. DANN wird's schön, was liegt am Jetzt?
Halten wir beide Wahrheitspole fest. Christlicher Osterglaube ist keine Droge, sondern soll jeden Tag neu beleben, wie der Frühling jedes Jahr. Und menschliche Frühlingslust braucht den kommenden Winter (des Jahres, des Lebens, des Planeten) nicht zu verdrängen, weil auch er an Ostern bereits vorweg überwunden worden ist.
Mai 1988
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