Jürgen Kuhlmann: Kat-holische Gedanken
DURCH IHN UND MIT IHM UND IN IHM
39 Jahre nach diesem Gedanken-Gang hat ein Allgäuer Christ
ihm zu seinem rechten Ort nach der Wandlung verholfen.
Lob sei unserem Gott dafür, wie Text und Bilder
sich zu einem neuen Glaubens-Ausdruck verbinden.
"Bei der neuen Liturgie merkt man erst, wie hohl manche Formeln sind", sagt ein junger Mann zum Kaplan. "Nehmen wir z.B. den Schluß des Kanons: Durch ihn und mit ihm und in ihm. Was soll diese schwülstige Aufzählung?"
Viele bisher brav gebetete Formulierungen sind tatsächlich mager und sollten bald verschwinden. Nicht aber der uralte Schluß des römischen Kanons. Vielleicht hilft es manchem Meßbesucher, wenn er sich in diese Komposition einmal besinnlich versenkt.
Dir Gott ist Herrlichkeit und Ehre. Gottes Lob zu sein, das ist das Ziel der Schöpfung. Nicht aber weil Gott Reklame bräuchte - der Schöpfer ist nicht eitel. Sein Ziel bei der Schöpfung ist unser Glück. Wo immer zwei sich lieben: da ist das Glück des einen die Ehre des anderen. "Gottes Ruhm ist der lebendige Mensch", sagt Irenäus, und zugleich ist, Gott zu rühmen, des Menschen Leben. Innerhalb des Schwingkreises der Liebe ist die Korrelation selbstverständlich; wer sich ihm verwehrt, wird an seiner Sprache Anstoß nehmen.
Alle Herrlichkeit und Ehre. Ist das nicht naiv? Gibt es nicht so viel entsetzlich Böses ? Sind Folterungen und Napalmbomben auch zur Ehre Gottes? - Es gibt das Böse, und doch ist seine Macht schon gebrochen. Im Mord an Jesus hat es sich ausgetobt, bei seiner Auferstehung ist es zerschmettert worden; wo wir beides feiern, da ist Gott wirklich alle Ehre. Nicht naiv sind die Christen, freilich ist ihr Realismus höher als das, was die Welt so nennt. Da lebt irgendwo ein altes Ehepaar. Er ist krank, muß immerfort liegen, verliert oft die Nerven. Obwohl seine Frau sich für ihn aufopfert, ist es ihm noch zu wenig, er zweifelt an ihr, wünscht sich den Tod, fragt sie, warum sie ihm kein Gift ins Essen tue, dann hätte sie es doch leichter. Sie weiß nicht, was sie tun und sagen soll, kann beinahe schon nicht mehr. Es gibt das Böse. Der Kaplan kommt zur Krankenkommunion. Beim Vater unser beten sie zusammen: wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Sie schauen einander an, beiden kommen die Tränen. Deutlich ist zu spüren, wie in diesem Augenblick etwas geschieht. Die Wirklichkeit gewinnt eine neue Dimension dazu. Es gab das Böse, es wird wohl auch wiederkommen: aber zu der neuen eigentlichen Dimension hat es keinen Zutritt. Dort kann es Gottes Freude nicht begrenzen. Dort ist deshalb Gott "alle Herrlichkeit und Ehre".
Durch ihn. Er ist von oben, wir sind von unten. Er ist Sohn Gottes von Natur, wir Kinder Gottes aus Gnade. Was die Welt an Sinn hat, verdankt sie ihm. Das wird klar in einem hübschen Gleichnis von Chesterton: Der Dichter des Theaterstücks sitzt hoch oben in einer Loge und sieht zu, wie die Schauspieler sein Stück verhunzen. Endlich hält er es nicht mehr aus und ruft: Wartet, ich komme selbst herunter (und spiele mit). Obwohl er nur eine einzige, bestimmte Rolle übernehmen kann, bleibt er in Personalunion auch der Dichter, "durch den" all das geschieht, was auf der Bühne vorgeht - außer den Fehlern.
Mit ihm. Gott ist wirklich einer von uns geworden, ein vielfach begrenzter Mensch. Der Galiläer des Jahres 20 konnte nicht germanisch, ist nicht Auto gefahren. Der Wein der göttlichen Offenbarung wurde in ein ganz bestimmtes, so und nicht anders geformtes Glas gegossen. Der Wein ist für uns verbindlich, das Glas nicht. Deshalb ist es erlaubt, von einer Theologie Jesu, ja sogar einer Spiritualität Jesu zu sprechen. Nie wird die Kirche mit der Aufgabe fertig, bei der ungeschiedenen Gestalt des Herrn, die ihr überliefert ist, immer wieder neu zwischen Wein und Glas zu unterscheiden. Daß bei solchem Umschütten auch durch noch so bizarre Gläser hindurch von dem Wein nichts verlorengeht, diese Verheißung dürfen wir glauben. Beweisen läßt sie sich nicht.
In ihm. "Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben." Wir sind in ihn eingepflanzt, ähnlich wie heutzutage ein Stück Haut in einen Körper eingepflanzt wird und am Ende mit ihm zusammenwächst. So traditionell diese Wahrheit ist, so wenig ist sie den Christen bewußt. "Empfangt, was ihr seid, damit ihr werdet, was ihr seid: Leib Christi" - ein wunderbarer Kommunionspruch für besonders festliche Feiern! Wie viele Gläubige denken denn wenigstens manchmal daran: durch meine Worte redet Er, durch mein Zuhören tröstet Er, ähnlich wie mit meinem kleinen Finger ich tippe, mit meinen Lippen ich lache.
In der Einheit des heiligen Geistes. Das hat einen doppelten Sinn: einmal den trinitarischen: die im Sohn geeinte vielfältige Welt ist mit dem Vater, dem letzten Urgrund, verbunden in jener göttlichen Liebe, die selbst "neben" Ich und Du ein "Drittes", eben das göttliche Wir ist.
Ursprünglich bedeutet die Wendung freilich die vom heiligen Geist gewirkte Einheit der Kirche, ist einfach eine Umschreibung für: in der Kirche.Jetzt und in Ewigkeit. Wie verhält sich beides zueinander? Meist stellt man es sich so vor, als folge ein Jetzt dem anderen und nach allem dann die Ewigkeit. Auf diese Weise wird aber dem Jetzt seine Fülle und der Ewigkeit ihre Aktualität geraubt. Vielleicht kommt folgendes Bild der Wahrheit näher: Der Einblick ins Eigentliche ist dir durch einen dicken Bretterzaun versperrt. Nur durch ein winziges Astloch kannst du sehen, wie drüben langsam eine gewaltige Prozession dahinzieht. Eine Gestalt nach der anderen taucht auf und verschwindet. - Der Zaun bedeutet unsere Zeitlichkeit, das Astloch ist das jeweilige Jetzt, an welchem auf ihrem Weg von der Zukunft in die Vergangenheit Tage und Jahrtausende vorbeiziehen. An deinem Jüngsten Tag aber ist der Zaun mit einem Male weg: was längst vergangen schien, ist dir wieder lebendigste Gegenwart.
Amen. So ist es. So sei es. Herr, leite auch durch mich die Strahlen deiner Herrlichkeit weiter, die dann aus den unzähligen Spiegeln und Prismen, deinen anderen Geschöpfen, immer neue Strahlen hervorlocken, uns zur Freude ohne Ende und dir zum ewigen Lob.
Juli 1970
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