Jürgen Kuhlmann

Das Geheimnis der Quelle

oder: Nicht bloß Wanne sein!

Sondern: Quelle für sich
und Wasserhahn für andere
(Gedanken zu zwei Jesus-Worten bei Johannes)


»Das Wasser, das ich ihm geben werde, wird in ihm zur Wasserquelle werden, die sprudelt ins Ewige Leben.« (Joh 4,14)

Quelle heißt Ursprung. So wünsche ich mir mein Leben, daß es in mir entspringt. Aus eigenem Ursprung zu sein, unabgeleitet, eben: Selbst zu sein - das war schon immer der Traum und ist heute erklärtes Ziel des Menschen. Dafür gibt er trotzig und gern alle religiöse Geborgenheit preis. Ein Gott, dem ich beständig alles verdanken muß, der jeden meiner Schritte vorplant und überwacht: diesen unerträglichen Feind meiner Freiheit und Selbst-Würde kann es nicht geben, weil es ihn nicht geben darf!

Widerspricht der Christ hier seinem Bruder? Ja, aber nicht wie das folgsame Kind oder der neidische Ältere dem aufsässigen verlorenen Sohn. Über naive oder gar scheinschlaue Bravheit kann nur mitleidig lächeln, wer je vom berauschenden Reiz des Selbst gekostet hat. Bekehren wird sie ihn nicht.

Vielmehr gleicht der Christ dem gereiften Sohn, der von seiner Mündigkeit weiß. Er erlebt sie noch nicht unangefochten. Bis zum Ende dieses Sterbens hat das Selbst in der vollständigen Ausgeliefertheit an einen dunkel-fremden Willen seine unerbittliche Grenze. Aber der Christ glaubt es Gott, daß Ziel der Gabe Gottes nicht bloß etwas ist (und sei es: alles), sondern eben das volle, freie Selbst, Gott Alles in allem - auch in mir. Gott übererfüllt jede satanische Verheißung: nicht wie Gott werden wir, sondern das eine ewige Leben will auch in uns entspringen: Nur Gott genügt.

(Mai 1970)

»Am letzten, dem großen Tag des Festes stand Jesus da, schrie auf und sagte: Dürstet da einer, er komme zu mir. Und trinken soll, wer an mich glaubt. Wie die Schrift sprach: Aus seinem Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen. Das aber sprach er über den Geist, den die an ihn Glaubenden empfangen sollten. Denn noch war Geist nicht da, weil Jesus noch nicht verherrlicht war.« (Joh 7,37-39)

Hierzu bemerkt der hl. Beda, englischer Benediktiner (673-735):

»Quid est fons vel quid est fluvius qui manat de ventre hominis? Benevolentia, qua vult consulere proximo. Si enim putet quia quod sibi bibit sufficit, arescit et non fluit aqua viva de ventre eius. Si autem proximo festinat consulere, ideo non siccatur quia manat.« [PL 92,732 D]

Das heißt ungefährt: Was ist der Quell oder was ist der Fluss, der aus des Menschen Leib fließt? Das Wohlwollen, womit er dem Nächsten zu Hilfe kommen will. Wenn er nämlich meinen sollte: was er für sich trinkt, sei genug - so vertrocknet er und kein lebendiges Wasser fließt aus seinem Leib. Wenn er aber dem Nächsten eilends hilft, trocknet er deshalb nicht aus, weil er fließt.

Ein Wasserhahn ist nur voll, solange er gibt, merkte zuletzt auch Professor Higgins.

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