Jürgen Kuhlmann

[Heilige göttliche Mutter-Liebe

Das unbekannte Pfingstgeheimnis]

Manche Christen haben, wenn man so sagen darf, eine Art Mitleid mit dem Heiligen Geist, weil Er im Christenleben so sehr vernachlässigt wird. "Man vergißt Ihn einfach; wer betet schon zu Ihm?" Wenn solche Klagen zu Recht laut werden - und wer wollte das ganz und gar bestreiten - dann muß aber irgendwo in der Theologie ein Mangel sich finden; denn daß die dritte göttliche Person im christlichen Gemeinbewußtsein fast fehlt, das kann nicht an Ihr, das muß an diesem Bewußtsein liegen, und zuletzt an seiner wissenschaftlichen Form, der Theologie. Irgendwo muß ein wunder Punkt verborgen sein: ihn zu suchen, und ein mögliches Heilmittel vorzuschlagen, darum geht es im folgenden.

Wer ist der Heilige Geist? Frischen wir zunächst unsere theologischen Kenntnisse etwas auf. Nach Gottes Bild ist der Mensch erschaffen, und auf Erden nur er. Darum gibt es keinen anderen Weg als die Selbsterkenntnis, wenn wir Gott ein wenig verstehen wollen. Ich bin, ich erkenne, und ich will. Besser noch (weil genauer zu beobachten): Ich sehe etwas ein (das ist das Sein des Geistes in der Welt), ich urteile darüber (Erkennen), ich nehme willentlich Stellung dazu. Es ist ein und derselbe, ohne irgend einen Unterschied, der einsieht, urteilt und will. So, und noch viel mehr, ist Gott einer. Und doch geht wahrhaft mein Urteil aus der Einsicht hervor und aus diesen das Wollen. Und nicht nur verursacht ein Akt psychologisch den anderen: dies ist ein zeitliches Kausalitätsverhältnis, dem nicht-ewigen Geschöpf notwendig eigen, nicht aber Gott, dem Ungeteilten. Nein, sondern von solcher tatsächlicher Verknüpfung ganz abgesehen, führt die Einsicht mit strenger geistiger Notwendigkeit zum Urteil, und dies zum rechten Wollen. Begrifflich können wir beide Abhängigkeiten - die kausale und die geistige - notdürftig voneinander scheiden, im Erleben freilich nicht. Doch ist uns - erleuchtet von der Offenbarung - gerade noch faßbar, daß die geistige Unterschiedenheit und Abhängigkeit der drei an sich auf die kausale nicht angewiesen ist. Und damit haben wir das Bild der Dreieinigkeit in uns entdeckt. Denn so eben ist es in Gott. Der Vater läßt das Wort aus sich hervorgehen, und beide zusammen den Heiligen Geist, die göttliche Liebe.

Bis hierher kommen wir ohne Fachsprache, aber weiter nicht. Wir müssen jetzt, was man von den göttlichen Personen aussagen kann, einteilen in attributa essentialia und notionalia. Essential ist alles, was von Gott gesagt wird, insofern Er Gott ist, was also der göttlichen Natur als solcher und somit allen drei Personen gemeinsam zukommt (Unendlichkeit, Güte usw.). Notional sind Bestimmungen, die den Personen als solchen zukommen, also insofern sie voneinander unterschieden sind. Und da gibt es nun logischerweise wieder zwei Arten: a) das attributum proprium, das einer Person im Gegensatz zu den beiden anderen zukommt, und b) das attributum commune, das zweien im Gegensatz zur dritten zukommt. Jetzt können wir den uralten, und 1442 (D 703) sogar in ein Dogma aufgenommenen Grundsatz verstehen: In Gott ist alles eins, außer wo die Beziehungen in Gegenrichtung zueinander stehen. Das heißt: Alles, was man von Gott wahr sagen kann, ist essential oder commune, außer wo ein Beziehungsgegensatz besteht. Beispiel: Vater-Sohn. Dies ist eine Gegensatz-Beziehung. Wo die wirklich ist, muß sie zwei verschiedene Personen betreffen: darum kann das Attribut "Vater" kein commune von Vater und Sohn sein.

Beginnen wir nun erneut mit dem Blick auf unser Bewußtsein. Da sehen wir zwei verschiedene Hervorgänge: das Urteil (Erkennen, Wissen) und das Wollen. Urteil und Ursprung des Urteils stehen in einer Gegensatz-Beziehung; ebenso Wollen und Ursprung des Wollens. Also ist sowohl das Urteil notional verschieden von seinem Ursprung, wie auch das Wollen von dem seinen. Ursprung des Urteils ist die (nicht reflexe) Einsicht, des Sohnes der Vater, also sind diese beiden verschieden. Ebenso sicher unterscheidet sich das Wollen - der Heilige Geist - von seinem Ursprung. Was aber ist dieser Ursprung des Wollens? Man hat ihm (im Gegensatz zu spiritus) den Namen "spirator" gegeben. Steht, des Wollens Ursprung zu sein, im Gegensatz zur Einsicht? Nein. Oder zum Urteil? Nein. Daher ist nach unserem Grundsatz: alles eins, wo kein Gegensatz, das Attribut "Ursprung des Wollens" der Einsicht und dem Urteil gemeinsam. Somit ist, Ursprung des Heiligen Geistes zu sein, ein commune von Vater und Sohn. Es geht also aus dem Vater der Sohn hervor, und aus beiden "als aus einem Prinzip" (Konzil von Florenz, D 691) der Heilige Geist. Darstellen kann man dies vielleicht so: (Vater => Sohn) => Geist. Dies ist der Grundabriß des lateinischen Verständnisses der heiligsten Dreifaltigkeit seit dem hl. Augustin.

Die alten griechischen Väter hatten eine andere Sicht: "Gemeinsam nämlich ist dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geiste das Nicht-Geworden-Sein und die Gottheit; dem Sohne aber und dem Heiligen Geiste das aus dem Vater. Besonderes des Vaters nun die Unerzeugtheit, des Sohnes dagegen die Erzeugtheit, des Hl. Geistes der Ausgang." (Gregor v. Nazianz, P.G. 35,1221)

Man sieht sogleich, hier wird anders gedacht. Wir haben natürlich dieselben drei Personen-Namen, die ja alle aus der Schrift sind. Aber das commune ist ein anderes, und der Vater wird anders verstanden. Hier sieht es so aus: Vater => (Sohn/Geist). Nicht sind Vater und Sohn gemeinsam dem Geist gegenübergestellt, sondern Sohn und Geist gemeinsam dem Vater. Dieser ist nicht in erster Linie als Vater, also Ursprung des Sohnes bestimmt, sondern als unerzeugt, und absoluter Ursprung der beiden anderen. Über deren Verhältnis untereinander ist nicht weiter nachgedacht, ihr Unterschied liegt zunächst in der verschiedenen Weise ihrer Abhängigkeit vom Vater: der Sohn ist gezeugt, der Geist geht hervor.

Wir haben also vor uns zwei Grundverständnisse: Einmal stehen Vater und Sohn zusammen als ein Prinzip dem Geiste gegenüber, das andere Mal Sohn und Geist als ein Nicht-Ursprüngliches dem Vater. So wenig bei den Lateinern der Unterschied zwischen Vater und Sohn ihre völlige Einheit in Bezug auf den Geist hindert (wir bewegen uns im tiefsten Geheimnis!), so wenig steht natürlich bei den Griechen der Unterschied zwischen Geist und Sohn ihrer vollkommenen Einheit in Bezug auf den Vater entgegen: wir haben jeweils ein Commune im strengen Sinn.

Sieht man sich diese Sachlage an, so zwingt sich einem doch geradezu der Gedanke auf: Zwei verschiedene Weisen, die Dreifaltigkeit zu erfassen? Das wäre doch seltsam! Rein logisch gäbe es ja auch die dritte Möglichkeit. Vater und Geist stünden als ein Commune dem Sohne gegenüber. So daß wir, wie drei propria (schon in der Schrift), so auch drei communia in der Theologie hätten: Je die Einheit zweier als der dritten entgegengesetzt. Sodaß, wie Vater und Sohn zusammen den Geist hauchen, wie - nach Gregor - der Vater Sohn und Geist zusammen hervorgehen läßt, man auch sagen könnte: Vater und Geist erzeugen zusammen den Sohn. Welches Attribut also "dem" Geiste zukäme, ist mit Händen zu greifen. Doch davon später. Logischerweise sollte es dies dritte Möglichkeit geben; sie würde unser Verständnis der Dreifaltigkeit abrunden, denn noch mehr Möglichkeiten lassen sich nicht mehr denken. Ist dieser Gedanke aber mehr als eine deduzierte Seifenblase? Entspricht er der Offenbarung, ist er theologisch haltbar?

Zunächst sieht es geradezu nach Wahnsinn aus, eineinhalb Jahrtausende nach dem Abschluß der trinitarischen Streitigkeiten eine so fundamentale Neuerung einführen zu wollen. Unser Gedanke liegt doch derart nahe; warum hat ihn bisher niemand vertreten?

Auf diese Frage gibt uns, scheint mir, eine Antwort der hl. Athanasius, wenn er schreibt (Gegen die Arianer III,59):
Wer sagt: "Der Sohn ist durch den Willen geworden", gibt dasselbe zu verstehen wie der, welcher sagt: "Es wer einmal, da er nicht war", und: "Aus Nichtseiendem ist der Sohn entstanden und er ist ein Geschöpf."

Und weiter sagt er (ebd. 6o):
"Wo fanden denn sie (sc. die Arianer) den Entschluß oder Willen dem Worte Gottes vorausgehen, wenn sie nicht etwa die Schrift preisgeben und sich heimlich zur verruchten Anschauung des Valentin bekennen wollen? Denn Ptolemäus, der Schüler des Valentin, sagte, der Unentstandene habe zwei Genossen, Gedanke und Wille, und zuerst dachte er, dann wollte er, und was er dachte, konnte er nicht vorbringen, außer wenn die Kraft des Willens hinzukam. Hier haben die Arianer gelernt, daß dem Worte Entschluß und Wille vorausgehen. Sie nun mögen sich für die Lehre Valentins ereifern, wir aber, die wir auf die göttlichen Aussprüche uns berufen, haben bei dem Sohne das Wort "war" gefunden und haben vernommen, daß er allein im Vater und Bild des Vaters ist. Nur bei den entstandenen Wesen, die ja auch ihrer Natur nach einmal nicht waren, sondern erst später geworden sind, fanden wir einen vorausgehenden Entschluß und Willen."

An diesem Text wird zweierlei deutlich: Erstens ergibt sich, daß Athanasius und die ihm folgenden Väter gar nicht eigentlich unsere Fragestellung im Auge hatten, wenn sie den Ausgang des Wortes aus dem Wollen des Vaters aufs Heftigste verneinten. Und zweitens ist leicht einzusehen, daß unsere These auf Grund ihrer verdächtigen Nähe zu arianischen und gnostischen Irrlehren lange Zeit hindurch überhaupt nicht in Erwägung gezogen wurdet Damit dürfte der apriori-Einwand gegen ihre Neuheit viel an theologischem Gewicht verlieren.

Bei den Vätern bekommen wir also keine Antwort. Begeben wir uns deshalb ins Mittelalter. Es gibt einen aufschlußreichen Text, an der Wende zweier theologischer Epochen entstanden, in dem diese Frage schon recht ausdrücklich gestellt und - verneint wird. Soviel ich weiß, sind neue Argumente seitdem nicht aufgetaucht. Sollte es also gelingen, die dortigen Gedanken ergänzend, ihre Einseitigkeit zu überwinden, dann wären wir einem lebendigen Verständnis des Hl. Geistes ein gut Stück näher.

Der hl. Anselm beginnt sein Werk "De processione Spiritus Sancti" (opera omnia, ed. Schmitt, Romae 1940, II,177 ff) mit dem lapidaren Satz: "Die Griechen leugnen, daß der Hl. Geist vom Sohn ausgehe, wie wir Lateiner bekennen." Sie davon zu überzeugen, stellt er zunächst fest, was beiden Seiten gemeinsam ist: Der Glaube an einen Gott, sowie der Glaube, daß der Sohn aus dem Vater durch Geburt ist, und der Hl. Geist aus dem Vater durch Hervorgang ist. Sodaß also sowohl Gott einer ist als auch - weil keiner der sein kann, aus dem er ist - der Vater nicht der Sohn noch der Hl. Geist ist, der Sohn nicht der Vater, noch der Hl. Geist der Vater ist.(177,18; 178,13 ff; 180,6-12). Nun aber kommt die entscheidende Frage: Wie verhalten sich Sohn und Geist zueinander? Denn daß sie sich verhalten müssen, und zwar in einem Gegensatzverhältnis, ergibt ein einfacher Schluß:

a) Sohn und Geist sind unterschieden (vorausgesetzte Glaubenslehre)
b) Alles eins, wo kein Gegensatz (181,2f)
Also stehen Sohn und Geist in einem Ursprungsgegensatz (denn anderen kann es offenbar im unendlichen Gott keinen geben). Sodaß nur mehr zu fragen bliebe: In zwei verschiedenen oder in einem? Und wenn in einem, dann in welchem? Hier macht aber Anselm einen winzigen doch fatalen logischen Sprung. Doch hören wir ihn selbst:
"Hieraus erkennt man also klar, daß entweder der Sohn vom Hl. Geist ist oder der Hl. Geist vom Sohn; denn beides kann nicht wahr oder falsch sein." (183,27 ff)

Was sagen wir zu diesem Beweis? Anselms Ziel ist die Glaubenswahrheit: Der Geist geht vom Sohn aus. Darum hat er gegen die Griechen, die dies nicht zugaben (freilich ebensowenig etwa den Sohn vom Geist ausgehen ließen) zunächst zu zeigen, daß mindestens eines der beiden zutrifft. Das hat er in diesem Beweis getan. Er hat aber, ohne es zu merken, um ein Geringes mehr behauptet als bewiesen. Bewiesen hat er nämlich, streng genommen, dies: Es muß, um die göttliche Einheit, und zugleich den Unterschied von Sohn und Geist zu retten, zwischen beiden ein Ursprungsverhältnis bestehen. Ausgedrückt aber hat er dies richtige Ergebnis in der wesentlich engeren Form einer strikten Alternative (aut-aut). Und die begründet er so: Denn beides kann nicht wahr oder falsch sein. Nun, daß beides nicht falsch sein kann, das hat er bewiesen: denn mindestens ein Ursprungsverhältnis gibt es sicher. Daß aber beides nicht wahr sein könne, das versucht er nicht einmal zu beweisen, das setzt er stillschweigend voraus. Er könnte es auch nicht beweisen; denn es ist falsch.

Diese Voraussetzung wäre nur dann richtig, wenn es entweder in Gott nur eine Weise des Hervorgehens gäbe, oder wenn es in Gott irgendein zeitliches oder auch nur logisches Vorher und Nachher gäbe. Denn im ersten Fall könnte natürlich nicht auf die nämliche Weise sowohl der Sohn vom Geist als auch der Geist vom Sohn ausgehen; das wäre ein glatter Widerspruch. Und im zweiten Fall ginge dies, auch auf zwei verschiedene Weisen, dennoch nicht; weil ja nicht der Sohn vom Geist ausgehen könnte, der seinerseits noch gar nicht da wäre, weil er erst vom Sohn ausgehen müßte.

Beide Einwände sind aber hinfällig. Lassen wir uns zuerst den zweiten von St. Thomas beantworten:
"Bei den Geschöpfen ist, auch wenn das Abhängige seinem Prinzip an Dauer gleichewig ist, doch der Ursprung der Natur und dem Verständnis nach früher, wenn man das betrachtet, was Ursprung ist. Betrachtet man jedoch die Beziehungen selbst (von Ursache und Verursachtem, von Ursprung und Entsprungenem), so ist klar, daß aufeinander Bezügliches der Natur und dem Verständnis nach zusammen ist, wofern eines in der Definition des anderen ist. Bei Gott sind aber die Beziehungen selbst in einer Natur subsistierende Personen. Also kann weder von der Natur noch von den Beziehungen her eine Person früher als die andere sein, auch nicht der Natur und dem Verständnis nach." (S.th. I q 42 a 3 ad 3)

Das ist deutlich genug. Angenommen also, es gebe in Gott zwei grundverschiedene Weisen des Hervorgehens, dann könnte durchaus auf die eine Weise der Geist aus Vater und Sohn, auf die andere der Sohn aus Vater und Geist hervorgehen; keine Person ist ja früher als die andere, keine braucht auf die andere zu warten, in Gott nicht, und nicht einmal für unser kleines Verständnis. (Die Vorstellung aber lassen wir besser aus dem Spiel). Diese zwei grundverschiedenen Weisen aber gibt es, ja sie sind sogar der eigentliche Vergleichspunkt der psychologischen Analogie: der Sohn geht wie das Urteil, der Geist wie das Wollen aus. Und Anselm selbst muß geradezu heftig auf diesem Unterschied bestehen, um einem (für ihn gefährlichen, hier aber nicht wichtigen) Einwand zu entgehen:
"Sohn und Geist haben zwar vom Vater das Sein, aber auf verschiedene Weise, der eine durch Geburt, der andere durch Hervorgang, sodaß sie dadurch voreinander andere sind, wie schon gesagt. ... Denn wären auch Sohn und Hl. Geist nicht durch ein anderes mehrere, durch dies allein wären sie verschieden." (185,3-11)

Deutlicher kann man es nicht mehr sagen. Sohn und Geist gehen also gleich-ewig auf zwei verschiedene Weisen vom Vater aus. Beim Ausgang des Geistes ist der Sohn auf Seite des Vaters, ein Prinzip mit ihm. Warum sollte nicht auch beim Ausgang des Sohnes der Geist auf Seite des Vaters sein, ein Prinzip mit Ihm? Daß Anselm diese Möglichkeit entschieden ablehnt, ist verständlich. Mit viel Mühe hat er die Alternative herausgearbeitet: Entweder Geist aus Sohn oder Sohn aus Geist. Was er will, ist, den Griechen zu zeigen, daß der Geist auch aus dem Sohn ausgeht. Kann man ihm verargen, daß er den letzten Schritt etwas hastig tut:
Daß aber der Sohn nicht vom Hl. Geist ist, ist klar aus dem katholischen Glauben. (185,18)

Sachte, der Beweis für diese klare Behauptung ist nämlich weniger klar:
"Denn Gott ist von Gott nur entweder durch Geburt als Sohn oder durch Ausgang als Geist. Der Sohn wird aber nicht vom Hl. Geist geboren. Denn würde er von ihm geboren, wäre er der Sohn des Hl. Geistes, und der Hl. Geist sein Vater. Der eine ist aber weder Vater noch Sohn des anderen. Also wird der Sohn nicht vom Hl. Geist geboren."

Daß der Hl. Geist allerdings nicht der Vater des Sohnes ist (auch nicht des Mensch Gewordenen) das steht schon seit dem 11. Konzil von Toledo 675 (D 282) in der Kirche fest. Wenn Er aber auch nicht der Vater ist, warum dann nicht die Mutter?!

Dagegen schlägt auch nicht der Einwand durch, welchen einige Jahrhunderte nach Anselm, Kardinal Bessarion anführend, Petavius bringt:

"Die Tat des Zeugens begründet die Person des Vaters und ist darum keineswegs mitteilbar." (Trin. VII 15 7)

Das ist falsch. Konstitutiv für die Person des Vaters ist nicht das Zeugen, sondern daß Er nicht hervorgeht, vielmehr Ursprung aller Hervorgänge ist. Proprium des Vaters ist das Ursprung-Sein, dem das Commune (Hervorgehend) von Sohn und Geist gegenübersteht.

Womit wir denn bei der These angelangt wären: Der Hl. Geist ist in der Dreifaltigkeit die Mutter des Sohnes. Bisher sollte allerdings nur gezeigt werden, daß diese Sicht zur uns überkommenen Trinitätslehre a) logisch genau paßt, und b) theologisch nicht in Widerspruch steht. Im Folgenden sollen positiv einige Linien ausgezogen werden, deren schon vorhandene Ansätze alle auf diesen einen Punkt hin gerichtet erscheinen. (Wer mehr verlangt, fordert wohl zuviel an "Beweis".)

1. ‚ruach' (Geist) ist auf Hebräisch und Aramäisch ein weibliches Wort. Die Propheten, unser Herr selbst, und die Apostel, sie alle hatten also, sprachen sie vom Hl.Geist, wenn überhaupt eine menschliche Person, dann eine Frau im Hintergrund des Bewußtseins, und keineswegs, wie wir, einen irgendwie gestaltlosen ER. So viel Macht hat die Sprache.

2. Der Hl. Geist wird seit alters die Liebe zwischen Vater und Sohn genannt. Als Beispiel diene ein schöner Text aus dem 11. Jahrhundert:
"Es steht also fest, vom Vater geht aus die Liebe zum Sohn, und vom Sohn geht sie hin zu Seinem Vater. Diese Liebe ist der Hl. Geist, der von beiden so ausgeht, daß Er immer in beiden bleibt; und so in beiden bleibt, daß Er immer von beiden ausgeht." (Guitmund, Confessio, PL 149,1497A)

Ein Bild sagt mehr als viele Worte: Man sieht deutlich beide Hervorgänge: Zunächst geht vom Vater die Liebe zum Sohn aus. In dieser Liebe wird Er gezeugt. Dann erwidert der Sohn diese Liebe und sendet sie zum Vater zurück. Und nun ist die Einheit in Gott so unendlich dicht, daß diese beiden Lieben, die eine, von der (als Seiner Mutter) der Sohn ausgeht, und die andere, welche (als Sein Wollen) von Ihm ausgeht, eine und dieselbe Person sind, welche in diesen beiden verschiedenen Verhältnissen zum Sohn steht, durch beide von Ihm unterschieden.

Im Bild erreicht man dies Zusammenfallen dadurch, daß man den Kreis auf einen Punkt sich zusammenziehen läßt. Dann bleibt zwar das wogende Leben erhalten, nicht mehr jedoch im anschaulichen Auseinander, sondern in der unendlichen Einfachheit.

Wenn Christus im Kolosserbrief (1,13) "der Sohn der Liebe" des Vaters genannt wird, dann mag der eine das als bloßen Hebräismus abtun; streiten wird der andere sich mit ihm nicht, wohl aber ihn nachzudenken bitter ob das Wort Gottes nicht vielleicht doch Ausdrucksmöglichkeiten besitzt, die man freilich in einem bloß menschlichen Werke vergebens suchte.

3. Über Entstehung und ursprüngliche Bedeutung von Is. 48,16c (und jetzt sendet mich Gott der Herr und Sein Geist) sind sich die Exegeten nicht einig. Für Ambrosius freilich war das keine Frage:
"Wer ist es, der sagt 'es sendet mich Gott der Herr und Sein Geist' als der da vom Vater kommt, die Sünder zu erlösen? Ihn hörst du (sagen): ‚und der Geist sandte', damit nicht, wenn du liest, daß der Sohn den Geist sendet, du den Geist für minderer Gewalt haltest. Also sandte sowohl der Vater den Sohn als auch der Geist; den Geist auch sandte sowohl der Vater wie der Sohn ... Wenn also Sohn und Geist sich gegenseitig senden, wie der Vater sendet, so gibt es nicht das Unrecht der Unterworfenheit, sondern die Gemeinsamkeit der Gewalt." (De Spiritu Sancto, PL 16,778s)

Nun halten aber alle katholischen Theologen zu Recht an dem Grundsatz fest: Eine göttliche Person kann von einer anderen nur dann gesendet werden, wenn sie auch ewig von Ihr ausgeht. Wollen wir darum die Sendung des Sohnes durch den Geist, die von mehreren Schriftstellen nahegelegt, wenn auch nicht ausgesprochen wird (Is. 61,1; Luk. 4,18) und die dem Ambrosius offenbar durchaus haltbar schien, mit jenem wahren theologischen Prinzip vereinbaren, dann bleibt nur übrig, daß auch der Sohn vom Geist ausgeht. Denn es hilft nichts, zu sagen (wie es meist geschieht, vgl. Galtier, De SS.Trinitate, Paris 1933, § 396), diese Sendung beziehe sich höchstens auf den Menschen Jesus. Gesandt wird nicht eine Natur, sondern eine Person, ein Ich von einem anderen Ich. Der Mensch Jesus ist aber nur eine, nämlich die göttliche Person; entweder wird er also überhaupt nicht gesandt, oder im Vollsinn gesandt.

4. Seit über 900 Jahren besteht die Trennung zwischen unserer Kirche und dem christlichen Osten. So sehr unser gegenseitiges Verhältnis auch durch Menschlichkeiten und Sünden belastet ist, so gibt es doch auch wahrhaft theologische Unterschiede, und zu ihren schwersten gehört die Frage nach dem Ausgang des Hl. Geistes. Wir sagen nämlich (und das ist Dogma: D 691), daß der Hl. Geist von Vater und Sohn gemeinsam als von einem Prinzip ausgeht. Die Griechen hingegen verfechten leidenschaftlich die Ansicht, Er gehe allein vom Vater, nicht vom Sohne aus, und das seit Photius (820-897) bis heute. Wie kommen sie dazu?

Schon Gregor von Nazianz griff, als er die Gottheit des Hl. Geistes zu verteidigen hatte, zur Veranschaulichung zu einem anderen Gleichnis als dem menschlichen Bewußtsein. Hatte Gott nicht (Gn 1,27f) schon bei der Schöpfung uns so angelegt? "Als Gottes Abbild schuf Er ihn. Er schuf sie als Mann und Frau ... und sprach: Seid fruchtbar und mehrt euch!" Dies war die Ausführung Seines Ratschlusses: Lasset uns den Menschen machen nach unserem Bild, uns ähnlich. So schreibt Gregor:
"Was war Adam? Bildsel Gottes. Was Eva? Schnittsel des Bildsels. Was Seth? Beider Zeugsel. Scheint dir nun dasselbe Bildsel, Schnittsel und Zeugsel? Wie nicht? Gleichwesentlich sind aber diese, oder was? Wie nicht? Es wird also als angängig bekannt, daß auch unterschiedlich Bestehende desselben Wesens sind. Was also? Eva und Seth, sind sie nicht vom selben Adam? Von wem denn sonst? Sind auch beide Zeugsel? Keineswegs. Aber was? Eines Schnittsel, eines Zeugsel. Und doch beide untereinander dasselbe: Menschen nämlich. Keine Widerrede! Willst du aufhören, gegen den Geist loszuziehen, als wäre er durchaus entweder Zeugsel, oder nicht gleichwesentlich noch Gott, wo du doch aus dem Menschlichen die Möglichkeit unserer Annahme entnehmen kannst." (PG 36,144D)

Vergleichen wir mit diesem Text einen anderen des hl. Johannes von Damaskus, wo das Bild nicht ausdrücklich, wohl aber im Hintergrund da ist, und bereits, 100 Jahre vor Photius, in eine falsche Konsequenz hineintreibt:
"Das ist's, was wir anbeten: Der Vater, des Sohnes unerzeugter Erzeuger; denn nicht aus jemand. Der Sohn, des Vaters Erzeugnis, aus Ihm gezeugt; der Hl. Geist von Gott dem Vater, als aus Ihm ausgehend, der auch des Sohnes genannt wird, als durch Ihn erscheinend und der Schöpfung teilgegeben, nicht aber aus Ihm Seinen Bestand habend." (P.G. 96,605B)

Johannes meint also den Ausgang des Geistes aus dem Sohn leugnen zu sollen; vielleicht weil er das Gleichnis zu ernst nimmt (Eva stammt ja nicht aus ihrem Sohn Seth)? Was aber hier nur leise antönt, wird bei Photius zu einem ausgeführten Programm. Er lehrte (nach B.Lonergan SJ: De Deo Trino, Romae 1961, p.248): 1. Der Geist geht nur vom Vater aus. 2. Der Geist geht nicht vom Sohn aus. 3. Häretisch und absurd ist die Lehre derer, die behaupten, der Geist gehe vom Vater und vom Sohn aus. - Die auf dem Konzil von Florenz erreichte Einheit brach kurz darauf wieder auseinander, und so stehen sich noch heute griechische und lateinische Auffassung unversöhnlich - wie es scheint - gegenüber.

Ich glaube, es scheint nur so. Beide Seiten können sich auf neutralem Grund begegnen, in einer Wahrheit nämlich, die sie beide zu wenig beachten. Die Griechen leugnen jedes Commune (denn auch das Commune von Sohn und Geist - siehe oben Gregor von Nazianz - spalten sie in zwei Eigentümlichkeiten, deren eine dem Sohne, die andere dem Geist zukommt (vgl. Petavius, Trin. VII 15 5). Es gibt nach ihnen nur essentiale Attribute, allen dreien gemeinsam, und streng persönliche, die nur einer Person zukommen. So können sie in der lateinischen Lehre des Filioque nur die Behauptung von zwei Prinzipien der Hauchung erblicken: damit wäre es freilich um die Einheit Gottes geschehen. Das ist jedoch wohl nur der offenliegende, der theologische Grund ihrer Starrköpfigkeit. Der wahre, der Glaubensgrund, er liegt vielleicht in dem richtigen Gespür, daß der Hl. Geist nicht (nur) durch den Sohn vermittelt, sondern (auch) unmittelbar vom Vater ausgeht. (Siehe wieder die Zeichnung!) Die Lateiner erkennen andererseits den Begriff des Commune an und haben somit keine Schwierigkeit, den Geist aus Vater und Sohn zugleich hervorgehen zu lassen. Um den Griechen dies Commune schmackhaft zu machen, weisen sie diese auch gern auf ihren eigenen Vater Gregor hin und das Commune von Sohn und Geist, das er aufstellt (Petavius l.c.). Was uns aber zu einer gewissen Abgerundetheit noch fehlt, ist das dritte Commune: Vater und Geist zeugen gemeinsam den Sohn. Und dasselbe wollen auch die Griechen im Letzten; denn hier geht tatsächlich der Geist so aus dem Vater hervor, daß er nicht aus dem Sohn hervorgeht,(sondern dieser aus Ihm). Um es ein wenig grob an Hand der Zeichnung zu verdeutlichen: Die Griechen sehen den linken Halbkreis, die Lateiner den rechten, und beide haben nur darin unrecht, daß sie dies Geheimnis mit einem Auge zu durchschauen vermeinen. Auch zwei vermögen das natürlich nicht, aber beim gemeinsamen Schauen hört wenigstens der Streit auf. Und das wäre schon viel. Wenn darum Griechen und Lateiner hierin jemals mit einander dasselbe sagen wollen, dann müssen anscheinend beide Seiten zu ihrer bisherigen Lehre etwas dazusagen, was bislang keine klar gesagt hat.

Auch die Definition des 4. Laterankonzils 1215 (D 428): "der Sohn aus dem Vater allein" steht dem nicht entgegen, weil tatsächlich Vater und Geist nie zwei, sondern ein Prinzip der Zeugung sind, und der Geist auch Sein Ursprung-Sein selbst vom Vater empfängt. Dieses "solo" ist ebenso zu verstehen wie die Tatsache, daß auch die katholischen Griechen im Credo weiterhin das "Filioque" auslassen.

5. Von einem ganz anderen Blickpunkt aus betrifft das vorliegende Problem unser Verhältnis zu den evangelischen Brüdern. Eine verbürgte Geschichte berichtet von dem italienischen Landmann, der, gefragt, wer Himmel und Erde erschaffen habe, wie selbstverständlich "si capisce, la Madonna" zur Antwort gab. Das hatte er freilich nicht im Katechismus, aber doch auch nicht als eingeborene Idee in der Seele gefunden! Wenn "Deipara" auch keineswegs "gottgleich" bedeutet, wie ein Anglikaner einmal entsetzt gemeint hat, so steht doch in einer der wunderbarsten Schöpfungen unserer Marienfrömmigkeit, in Petrarcas letzter Ode: "Du Herrin des Himmels, Du unsere Göttin (wenn so zu sagen erlaubt und passend ist), Jungfrau hohen Sinnes, Du siehst alles ..." (V.98ff) Natürlich ist es weder erlaubt noch gar passend so zu sagen, der Dichter sah sich aber sicher nicht nur des Reimes halber dazu gedrängt. Verehren wir nicht vielleicht darum so sehr und so Über alle - protestantischen und aufgeklärten - Maßen die Mutter Gottes, weil sie Bild und Erscheinung einer anderen Mutter Gottes ist, die eben nun nicht nur verehrt, sondern in aller Wahrheit angebetet werden darf und muß? Weil die Theologie dem Volke dies nicht erlaubte, darum hat das Volk sich selbst geholfen und hat, indem es - katholisch beschwichtigend gesagt - Maria verehrte oder auch - protestierend entrüstet gesagt - Maria anbetete, in Wahrheit, ohne es selbst zu wissen, die Mutter der göttlichen Liebe selbst angebetet, mit dem besten Recht der Welt, und für alle Theologen dazu, die es nicht getan, und das nicht durch einen leeren Begriff hindurch (amor notionalis etwa), sondern unter dem Bilde derer, über die der Heilige Geist in Fülle gekommen ist, sie durch Mitteilung der eigenen göttlichen Mutterkraft zur Mutter Gottes in Wahrheit zu machen; denn dies meint unser vertrautes Gebet: "und sie empfing vom Heiligen Geist." Ich hörte selbst vor kurzem einen jungen Franzosen im Lager seinen Kameraden vorbeten: "Jetzt wollen wir unserem Vater und unserer Mutter im Himmel danken für den schönen Tag, den sie uns geschenkt haben." Folgten ein Vaterunser und ein Ave Maria. Vor Weisen und Klugen verborgen, den Kleinen aber geoffenbart! Vater und Mutter gehören in eine Reihe, das ist doch klar.

Wie Jesus die offenbarende Erscheinung des Wortes Gottes auf Erden ist, so ist Maria die offenbarende Erscheinung des Geistes der Liebe; mit dem entscheidenden Unterschied freilich, daß das Wort und Seine Erscheinung eine einzige Person ist, während die Liebe selbst und Ihre Erscheinung zwei verschiedene Personen sind. Aber doch nicht wie Klötze nebeneinander! Vielmehr ist Maria, das reine Himmelsfenster, erst dann richtig angeredet, wenn unser Gebet gleichsam durch sie hindurch bis in ihre Tiefe gelangt; da lebt sie, doch nein, nicht mehr sie, sondern die Liebe selber lebt in ihr, der Geist, welcher mit unaussprechlichen Seufzern für uns eintritt, wenn wir nicht wissen worum beten, und darum zum Rosenkranz greifen. - Gegen eine solche Marienverehrung braucht kein Christ im Namen der Ehre Gottes zu protestieren - und es etwa gar im Namen der Ehre Mariens zu tun wäre nicht sehr katholisch!

6. Endlich leben wir im Zeitalter der Gleichberechtigung. Wird diese auch zum Unglück weithin so mißverstanden, daß die Frau möglichst männisch werden soll und ganz Mensch erst als Traktoristin, Schmiedin und Soldatin wäre (oder, in der anderen Himmelsrichtung, wenn der Mann Teller und Baby trockenlegt ... so ist die richtig verstandene Gleichberechtigung der Geschlechter doch ein echter und wichtiger Fortschritt. Kein Theologe würde heute mehr den Satz des hl. Thomas über die Feder bringen:
"Gen 2,18-20 heißt es von der Frau, sie sei zur Hilfe des Mannes erschaffen. (Hm, die Schrift ... ABER) Aber zu nichts anderem als bei der Zeugung: Denn bei jedwedem anderen Werk hätte der Mann bei einem anderen Mann eine bessere Hilfe als bei einer Frau."(S.Th. I q 98 a 2 ad 2 in contr.)

Ob der englische Lehrer dies nun ernst gemeint hat oder nicht, wir müssen jedenfalls über einen solchen Satz herzlich lachen. Man muß aber sehen, daß nicht nur Manichäismus und griechische Frauenverachtung zu solcher Haltung führten. Im ganzen Abendland haben alle drei göttlichen Personen männliche Namen. Da kann die Frau einfach nicht mithalten. Bei den Katholiken bot freilich die Marienverehrung einen gewissen Ausgleich, zu welchen Unkosten, haben wir gesehen. Und ganz konnte auch das reinste, erhabenste Geschöpf es nicht wett machen, daß die göttliche, die unendliche Lebensgemeinschaft scheinbar nur aus "Männern" besteht.

So scheint mir die These viel aufzuhellen, was ohne sie dunkel bliebe, und nichts zu verdunkeln, was schon hell ist. Mehr vermag in der Theologie ein Beweis nicht zu bieten, der keinerlei Autorität der lehrenden Kirche hinter sich hat. Andererseits ist dieser Mangel auch kein Gegenbeweis; denn die Kirche darf lehren nur, was sie weiß; wenn aber die Väter des Vatikanums nicht um ein bloßes Hirngespinst gebetet haben (D 1800), dann gibt es in ihr ein Wachstum an Einsicht, Wissenschaft und Weisheit. Wie aber kann das Wissen in der Kirche wachsen als indem sie etwas einsieht, was sie eben vorher noch nicht gewußt hat?

Nun wollen wir das Ergebnis im Zusammenhang betrachten. Gott hat sich uns geoffenbart als der Eine in Dreien. Die göttlichen Personen sind vollständig eins in dem, was sie sind, und ganz und gar unterschieden in dem, wie sie zueinander sind. Keine irdische Einheit reicht von fern an die göttliche heran, aber auch absolute Besonderheiten, wie in Gott, gibt es bei uns nicht. Selbst Gottes Schöpferkraft ist es unmöglich, das Geheimnis Seines unendlich einen, und dreifaltig besonderen Lebens in Geschöpfen so sich widerspiegeln zu lassen, daß beide Seiten, Einheit, wie Besonderheiten, absolut wären und ohne Widerspruch ineinander verschmolzen. Einen Gott kann Gott nicht schaffen. Was bei Ihm Geheimnis ist, d.h. Ineinander von - für uns - unvereinbaren Gegensätzen, das muß im Geschöpf notwendig zum Kompromiß werden, wo die eine Seite die andere nur so ergänzen kann, daß sie diese schwächt. Gott, Er ist wie der funkelndste Wein und das hellste Wasser zugleich; stell dies Zusammen irdisch dar, und du bekommst ein ziemlich fades Getränk. So ähnlich ist es mit den "Spuren" der Dreifaltigkeit in allen Dingen der Welt. Sie haben keine rechte Einheit und auch keine wirklich "persönlichen" Besonderheiten. Anders ist es freilich um das Gleichnis bestellt. Der Mensch ist "unser Bild und Gleichnis", sagt Gott, und er ist das gerade auch als Mann, Frau und Frucht. Hier ist mehr als Spur, hier sind beide Seiten schon in einer recht klaren Weise vereinigt. Wir sind aber doch nicht die bezeichnete Wirklichkeit selbst, und das heißt, es können nicht beide Seiten gleichzeitig rein zu Tage treten. So hat Gott, um uns entgegenzukommen, uns Menschen gewissermaßen als ein Doppelbild Seiner Selbst erschaffen: Eines als Darstellung Seiner Einheit, und darein kunstvoll als Kontrast hineinverarbeitet die drei Besonderheiten; das andere als Ausdruck eben dieser Besonderheiten, wo aber doch auch die Einheit noch deutlich heraustritt. Das erste Bild - wir haben es schon betrachtet - ist ein Mensch für sich allein genommen, ein geistiges Bewußtsein. Und doch kann er in sich die Besonderheiten der drei göttlichen Personen angedeutet finden, in seiner Einsicht, seinem Urteil und seinem Wollen, die alle er selbst sind, und doch untereinander deutlich verschieden. Aber sie sind in ihm keine für sich bestehenden Personen wie in Gott. Und an dieser Stelle beginnt der Vergleich beträchtlich zu hinken.

Sogleich kommt ihm aber das andere Bild zu Hilfe: die Familienanalogie. Vater, Mutter und Sohn sind drei durchaus unterschiedene, selbständige Personen, an deren Beziehungen untereinander sich schon ein wenig erahnen läßt, daß unser Gott kein erhaben Einsamer ist. Freilich kommt jetzt wiederum die Einheit zu kurz. Ist aber nicht in dem Augenblick, da die Familie sich eigentlich begründet, eine wirkliche, geistige und sogar physische Einheit gegeben, der substantiellen mindestens so nahe wie die Bewußtseinsemanationen einer persönlichen Verschiedenheit?!

Man sage auch nicht - wie man es freilich tut - weil Gott reiner Geist sei, könnten nur geistige Hervorgänge Ihn einigermaßen abbilden, und darum sei die Familienanalogie untauglich. Das Prinzip stimmt natürlich, aber was für ein Menschenbild spricht aus der nicht ausgesprochenen Voraussetzung! Ist denn das Verhältnis Vater - Mutter - Kind darum, weil es auch eine leibliche Seite hat, schon nicht mehr geistig? Oder, da die Beziehung Vater-Sohn ja nicht gut aus dem Christentum entfernt noch auf die bloß biologische aristotelische Definition der Zeugung zurückgeführt werden kann: Warum soll nicht dasselbe auch für die "Mutter" gelten? Dieser Einwand ist also leicht abgetan.

Nicht so leicht freilich der andere: Decken sich denn diese beiden Bilder überhaupt? Eva ist doch vor Abel erschaffen worden, das Wollen aber setzt notwendig das Erkennen voraus. Also kommt im einen Bild der Geist aus dem Sohn, im anderen der Sohn aus dem Geist. Die Lösung scheint zunächst einfach, von unserer Aussprache mit den Griechen her: Es stimmt eben beides. Das eine Bild betont die eine Prozession, das andere die andere. Doch der Gegner läßt nicht locker: Trotzdem darf ein richtiges Bild nicht positiv ausschließen, was wesentlich zu der dargestellten Wirklichkeit gehört. Nun aber gehört auf jeden Fall wesentlich zu Gott, daß der Geist vom Sohn ausgeht, also stimmt die Familienanalogie nicht; denn Eva geht auf keine Weise von Abel aus. Überdies kann die These von der Mutterschaft des Geistes auch darum nicht wahr sein, weil die somit einzige Analogie, die uns bleibt, die psychologische, nichts von einem Hervorgang des Urteils aus dem Wollen weiß.

Gegen diesen Schluß ist formal nichts einzuwenden, doch treffen seine Voraussetzungen nicht zu. Wir haben deshalb die Fragen zu beantworten:
a) Geht in irgendeinem Sinn Eva von Abel aus?
b) Das Erkennen vom Wollen?
a) Geht Eva von Abel aus? Nicht darin, daß sie Frau ist. Wohl aber darin, daß sie ganz Frau - und das heißt - Mutter ist. Ein Mädchen und eine Mutter sind zwei verschiedene Wesen, lange nicht so sehr ein Bursche und ein Vater Das Thema ist so fein, daß nur die Wahl bleibt zwischen zu derben und zu dürren Begriffen; nehmen wir die dürren, dann kann man vielleicht so sagen: Für Adam ist konstitutiv, daß er der erste Mensch ist, hinzu kommt, daß er auf Grund der Hervorgänge Gatte und Vater wird. Für Eva hingegen ist konstitutiv, daß sie aus Adam ist und Abel empfängt. (Aus Adam = für Adam, Gen 2,18-25; "für Adam" und "Ursprung Abels" ist aber nicht auseinanderzureißen, ist für Eva ein und dasselbe; ebenso auch ihr "Mutter-Sein" und ihr durch das Kind zur "Mutter-Werden"; ex Patre per Filium (D 691). Weil das Mutter-Sein das Frau-Sein deutlich einschließt, nicht aber umgekehrt, darum ist Eva auch nicht mit ihrem ersten Namen "Männin" (Gen 2,23) vielmehr mit ihrem vollen Namen "Mutter des Lebens" (Gen 3,20) in die "Geschichte" eingegangen. Also ist die Wahrheit vom Ausgang des Geistes aus dem Sohn in der Familienanalogie aufs deutlichste enthalten, darin nämlich, daß die Mutterschaft entscheidend auf die Frau zurückwirkt, sie erst ganz zu sich selbst kommen läßt: Zu einer ganzen Frau (im paradiesischen Sinn!) gehören die lächelnden Augen ihres Kindes hinzu (der rechte Halbkreis in der Zeichnung), welche sie wiederum beglückt dem Vater zeigt.

b) Ist wirklich wahr, daß das Urteil nicht vom Wollen ausgeht? Bis heute ist man sich nicht einig, welches der beiden edler und früher sei. Auch wenn die Einsicht "an sich schon da wäre", kommt es nicht zum rechten Urteil, wo der gute Wille fehlt, der freilich sich (als bestimmten Akt) erst nach dem richtigen Urteil verfestigen kann, welches er (als gute Gesinnung) mit hervorgebracht hat. Der Verstand bewegt auf andere Weise den Willen als der Wille den Verstand, (Thomas, S.Th. I q82 a 4 ad 2). Frau/Sohn/Mutter = Gesinnung/Urteil/Entschluß. Von der göttlichen Wirklichkeit unterscheiden sich beide Bilder vor allem darin, daß jenen als Geschöpfen die unendliche Einheit ermangelt, die im Hl. Geist den Ausgang vom Vater und den Ausgang vom Sohn, beide Seiten des das göttliche Leben vermittelnden Kreises, vollständig dasselbe sein läßt, nein, dieselbe, die eine göttliche Mutterliebe.

Scheeben hat in einem Anhang zu seiner Dreifaltigkeitslehre (Mysterien des Christentums, Ausg. Höfer, S. 154 ff) die Analogie zwischen Heiligem Geist und Frau großartig durchgeführt. Er meint freilich ebenfalls, es handle sich um "mehr ein umgekehrtes als ein gerades Bild" (S.157)

Wir kommen zum Schluß. Was heißt für uns die Wahrheit, daß Jesus uns den Heiligen Geist gesandt hat? Natürlich bedeutet sie sehr viele wunderbare Wirkungen in unserer Seele und der Welt, die sind jedoch zweitrangig. Zuerst heißt es ganz einfach, daß der Menschgewordene Sohn des Vaters Seine eigene göttliche Mutter auch uns zur Mutter gegeben hat, damals als wir wiedergeboren wurden aus der geschaffenen Mutter Kirche (dargestellt durch die Wasserflut, den Urlebensschoß) und dem Heiligen Geiste, der ungeschaffenen Mutter, die nicht mehr nur über ihr schwebt wie am Morgen der Welt, sondern die in Nazareth über sie herabgekommen und in sie eingegangen ist. Daß Gott lieb wie eine Mutter mit uns ist, das hat Er schon dem alten Bunde (Is. 66,13) offenbart. Daß wir aber nicht nur eine fürbittende, sondern eine allmächtige Mutter im Himmel haben, und nicht nur weil Gott in Seiner Natur alle Vollkommenheiten einer Mutter in Sich enthält, sondern so, daß es in Wahrheit eine ungeschaffene göttliche Person gibt, deren ganze unendliche Besonderheit gegenüber den anderen Personen darin besteht, daß sie unendliche, vermittelnde Mutterliebe ist, und daß Sie auch unsere liebreiche Mutter ist: das ist die unausschöpfliche Freudenbotschaft des Neuen Bundes.

Daß sie dies in Wahrheit sei, das ist meine - qua par est humilitate - hier vorgetragene und nach Kräften begründete Ansicht. Ob es tatsächlich "erlaubt und passend ist, so zu sagen", darüber muß natürlich unsere Mater et Magistra auf Erden befinden. Ich kann nur den Heiligen Geist, die ewige Liebe bitten, Sie wolle, sollte ich unrecht von Ihr geredet haben, niemanden darüber zu Schaden kommen lassen; ist Sie aber wirklich unsere göttliche Mutter, dann wird Sie schon sorgen, daß Ihre Kinder, wie es sich gebührt, mit Ruhm, Preis, Dank und Anbetung zu Ihr kommen, und all dies in jener Grundmelodie in ihren Herzen klinge, die heimatlich auch noch dem Verlorensten tönt: der vertrauenden Liebe zur Mutter.

LDMq

Rom, November 1961 [ohne Titel]

Anhang I

Es stand von vornherein zu erwarten, daß gegen eine so ungewohnte These mancherlei Einwände sich erheben würden. Diese Erwartung hat sich erfüllt; und um den weiteren Lesern ihr Urteil zu erleichtern, soll in diesem Anhang auf die Schwierigkeiten der ersten eingegangen werden.

Der erste Vorwurf richtet sich gegen die Methode. Es sei keine Art, so einfach durch den Wald der Theologiegeschichte zu spazieren und bloß hie und da eine scheinbar passende Frucht zu pflücken, sich aber um die ausgebauten Gesamtlehren der Großen, etwa eines hl. Thomas, überhaupt nicht zu kümmern. Dazu meine ich: Zweifelsohne könnte man über unser Thema, so man Zeit und Lust dazu hätte, ein umfangreiches gelehrtes Werk verfassen. Das war aber meine Absicht nicht, sondern die bestand einfach darin, anhand einiger gewichtiger Traditionsstimmen die These plausibel zu machen. In unserer bücherübersättigten Zeit scheint mir dieses genus litterarium sein gutes Recht zu haben. Fatal wäre der Vorwurf nur, sollte der Zitate Kürze ihren Sinn entstellen: ob das der Fall ist, mag jeder selbst prüfen; Textausgaben und fachkundige Überblicke gibt es genug.

Ein zweiter Einwand ist schon ernster: Die biblische Basis sei gar zu schmal. Nun, daß sie sehr breit ist, kann wahrhaftig nicht behauptet werden. Neben der angeführten Stelle (Kol. 1,13) kann ich nur noch auf den Vers Joh 17,26 hinweisen, wo "die Liebe, mit der Du mich geliebt hast" mit Christus koordiniert, also doch irgendwie persönlich verstanden wird (Vgl. Rupert von Deutz zur Stelle - PL 169,764 - : "Plane et indubitanter dilectio Patris et Filii, Spiritus Sanctus est"). Kann nun, so fragen wir uns, beim Vater, dem ewigen Ursprung, der Sein Gegenüber nicht vorfindet, sondern aus Sich heraus setzt, die Liebe mit der Er den Sohn liebt, ordine processionis einfachhin als dem Sohn nachfolgend aufgefaßt werden? Das scheint doch widersinnig. Selbst bei unseren menschlichen Erzeugnissen ist es schon so, daß wir sie lieben, bevor sie da sind, ja, daß eben aus unserer Liebe zu ihnen sie hervorgehen. Freilich ist der Hl. Geist auch der Geist des Sohnes, geht als Seine Gegenliebe von Ihm aus, und es ist der eine und selbe Hl. Geist, der dieserart vom Vater durch den Sohn ausgeht, wie die griechischen Väter sagen. Daß unser Verständnis hier mit der Zusammenschau der verschiedenen Wahrheiten nicht völlig zurechtkommt, ist klar. Ebenso aber sollte klar sein, daß diese Unfähigkeit nicht das Geringste gegen die deutlich erkannten Einzelwahrheiten beweist: daß die Liebe, mit der der Vater den Sohn liebt, diesen nicht voraussetzt, sondern heraussetzt, daß Liebe auch vom Sohn zum Vater geht, und daß beide Lieben die eine Person des hl. Geistes sind. Wiewohl sonach durch Grammatik und Lexikon allein in unserer Frage ein biblischer Beweis nicht zu erbringen scheint, so scheinen mir dennoch beide Stellen zusammen für den, welcher einen sensus plenior für den sensus plenior der Schrift hat, fast schon schlagend zu sein. Gewiß ist solchem sensus plenior mit Recht (wo kämen wir sonst hin!) die Gültigkeit als wissenschaftlicher Beweis versagt; wo aber steht geschrieben, daß jede Glaubenswahrheit einen explizit-wissenschaftlichen biblischen Beleg erfordert? Was der geschaffenen Mutter Gottes recht ist, sollte wohl der ungeschaffenen billig sein dürfen!

Der dritte Einwand geht aus vom Dekret von Florenz:
"Sicque omnes profiteantur quod Spiritus Sanctus ex Patre et Filio aeternaliter est, et essentiam suam suumque esse subsistens habet ex Patre simul et Filio ..." (D 691)
und argumentiert wie folgt: Wenn der Hl. Geist das Sein auch vom Sohn hat, dann kann unmöglich der Sohn das Sein vom Geist haben, das wäre ein glatter Widerspruch. Darauf ist zu sagen: Der Hl. Geist geht - das ist sichere Lehre - auf andere Weise vom Vater aus als der Sohn, ganz abgesehen von ihrem Verhältnis untereinander. (Siehe oben das erste Anselm-Zitat). Wir sind nun beständig versucht, uns die göttlichen Geheimnisse genauso vorzustellen wie unsere irdischen Wirklichkeiten und also das logische Verhältnis von Genus und Spezies auch hier anzuwenden: "Hervorgang" bzw. "das Sein Haben aus ..." wäre der allgemeine Oberbegriff; und er kann nun auf zwei spezifisch verschiedene Weisen gegeben sein, auf die Weise der Zeugung oder auf die Weise der Hauchung. Ist nun der Inhalt eines solchen Allgemeinbegriffs auf eine Weise schon verwirklicht, dann ist es selbstverständlich unmöglich, daß der gleiche Inhalt "das Sein haben aus ..." auf die genau entgegengesetzte Weise ebenfalls verwirklicht ist. Löwe und Fuchs sind zwei Weisen von Tier; ist ein Tier aber einmal ein Löwe, kann es nicht auch ein Fuchs sein. Abstrakter ausgedrückt: Wird "das Sein Haben aus ..." als univokes Genus genommen mit den beiden Spezies: "als Sohn" und "als Geist", dann ist die These häretisch, denn dann kann nur entweder der Geist vom Sohn oder der Sohn vom Geist das Sein haben. Denn der Inhalt des Genusbegriffes ist in beiden Spezies der nämliche; dieser Inhalt besteht aber in einer Ursprungsrelation; und eine Ursprungsrelation ist per definitionem einseitig und nicht reziprok.

Nun ist aber ausgerechnet diese heimliche Voraussetzung, als gälten für die Geheimnisse Gottes unsere simplen univoken Allerweltsbegriffe, so falsch, daß sie, sobald entdeckt, von selbst sich auflöst. Nein! In Wahrheit sind die beiden Weisen des Hervorgehens in Gott, die Weise der Zeugung und die Weise der Hauchung, durch und durch voneinander verschieden, sodaß für ein univok gemeinsames Genus keinerlei Inhalt mehr übrigbleibt. Es ist ähnlich wie mit dem Begriff "Person": Hätte er, auf die göttlichen Personen angewandt, das geringste univoke Element in sich, so müßte dies gerade aus ihm entfernt werden; denn was allen drei Personen gemeinsam ist, ist die göttliche Natur, als kotradistinguiert gegen die Personen. Wir müssen freilich, wollen wir denken und sprechen, die drei Personen und die zwei Hervorgänge unter jeweils einen Namen, ja Begriff subsumieren, müssen uns aber peinlichst hüten, aus solch analogem Begriff Schlüsse zu ziehen, die nur richtig wären, hätten wir einen univoken zur Verfügung. Wie diese Gegenseitigkeit des verschiedenen Ursprungs möglich sei, können wir nicht begreifen; ebensowenig aber läßt sich bündig dartun, daß sie unmöglich ist. Wenn also eine Reihe von Anzeichen für sie sprechen sollten, dürfte nicht eine angemaßte und recht trübe Klarsichtigkeit das Motiv sein, uns gegen die Annahme von etwas zu sträuben, das möglicherweise ein Wahrheit des Glaubens ist.

Kann man aber, viertens, als eine mögliche Glaubenswahrheit ausgeben, was zwei feierlichen Glaubensbekenntnissen ins Gesicht widerspricht? Damit kommen wir zur eigentlichen Schwierigkeit; nach dem methodischen, dem biblischen, dem philosophischen erhebt sich, der gewichtigste von allen, der dogmatische Einwand. Sowohl im Symbolum Quicumque (D 39) als auch mit der dogmatischen Definition des 4. Laternakonzils (D 428) bekennt die Kirche: Filius a Patre solo. Den Schluß scheint ein jedes Kind ziehen zu können: Wenn aus dem Vater allein, dann nicht aus dem Geist dazu, wenn nicht aus dem Geist dazu, dann ist der Geist nicht die Mutter des Sohnes: der Widerspruch der These zu diesen Aussagen liegt auf der Hand. Da sie aber den unfehlbaren Glauben meinen, ist die These nicht bloß falsch, sondern schlechthin häretisch ...

Wäre ich von der Durchschlagskraft dieser Argumentation überzeugt, so würden Sie dieselben gar nicht lesen. Denn an welchen Kreis von Menschen sollte sich eine Häresie wenden, die andere als Katholiken überhaupt nicht verstehen, geschweige denn mitmachen können! Wäre die These eine Häresie, dann gewiß eine hoffnungslos mittelalterliche, ein Gedanke also, der im 20. Jahrhundert nicht einmal so viel Gewicht besäße, richtig lächerlich zu sein. Dies zur ersten Beruhigung; nun wollen wir den Einwand theologisch ausführlich behandeln.

Zunächst ist der Begriff der unfehlbaren Lehre keineswegs eindeutig, wie zu meinen man zunächst geneigt ist. Wir müssen vielmehr mit dem Vaticanum I (D 1792) den wichtigen Unterschied machen, ob die Kirche " sive solemni iudicio sive ordinario et universali magisterio" unfehlbar für eine geoffenbarte Lehre eintritt. Im Grad der Unfehlbarkeit liegt freilich kein Unterschied, wohl jedoch im Grad der sicheren Erkennbarkeit des Sinnes der vorgetragenen Lehre. Hier sind ordentliches und außerordentliches Lehramt durchaus, und nicht nur gradmäßig, sondern wesentlich verschieden: In Bezug auf eine bestimmte Streitfrage sind die Begriffe des ordentlichen Lehramtes vorher, und darum richtig aber unbestimmt, die des außerordentlichen Lehramtes hingegen nachher und somit nicht nur richtig, sondern auch sozusagen technisch und in ihrer Tragweite genau bestimmt. Das ist leicht einzusehen. Denn schon das bloß menschliche, und nun erst das kirchliche Denken, das ungeahnte Offenbarungsschätze weiter überliefert, enthält viel mehr Wahrheit in sich, als, auch in Jahrtausenden, Probleme reflex gestellt und gelöst werden können. Der Entwicklungsprozeß geht nun immer so vor sich: Zuerst lebt die Kirche im ruhigen Besitz der Wahrheit, welche in unbestimmteren, vom Glauben aber, aufs Ganze gesehen, schon richtig verstandenen Begriffen enthalten ist. Diese Begriffe sind bestimmt nicht von irgendeiner Fragestellung her - die gibt es ja noch gar nicht - sondern ausgehend vom untechnischen, unendlich vieldeutigen Alltagsgebrauch. Weil der Menschengeist sich aber mächtig getrieben fühlt zu wissen, was er wisse, kommt es zu Kontroversen: Man formuliert verdeutlichende Alternativen: Ist jenes Wort so oder so gemeint, ist der Sinn des Satzes darum dieser oder jener? Menschliche Kraft allein wäre jetzt hilflos; denn abgesehen vom Glauben ist der bloße Text vielleicht wirklich zweideutig; und wäre dies selbst nicht so: wer möchte sich unterfangen, zwischen streitenden Gelehrten Eintracht zu stiften! Darum gibt es in der Kirche das unersätzliche außerordentliche Lehramt: Vom Hl. Geist gegen jeden Irrtum geschirmt, gibt bei wichtigen Fragen ein Konzil oder ein Papst die rechte Antwort. Man beachte wohl, daß die bei solcher Entscheidung verwandten Begriffe grundsätzlich anderer Art sind als im Fall des ordentlichen Lehramtes. Sie erhalten ihren Sinn nicht mehr aus dem jedermann verständlichen Alltagsgebrauch, sondern sind scharf geprägt durch die vorangegangenen Auseinandersetzungen. Sie haben nicht mehr bloß einen positiven Inhalt, sondern sind, als solche, gerade von dem her definiert, was sie ausschließen und abweisen, bzw. ausdrücklich nicht unfehlbar mitsagen wollen. Ein sowohl inhaltlich wie formell, als Beispiel, aufschlußreicher Fall sind die Ausführungen Bischof Gassers zumSinn des Ufehlbarkeitsdekretes:
"Secundo non sufficit quivis modus proponendi doctrinam, etiam dum pontifex fungitur munere supremi pastoris et doctoris, sed requiritur intentio manifestata definiendi doctrinam, seu fluctuationi finem imponendi circa doctrinam quandam seu rem definiendam, dando definitivam sententiam, et doctrinam illam proponendo tenendam ab ecclesia universali." (Relatio 11. Juli 1870, Mansi 52,1225)

Hier wird auf Grund jahrhundertelanger Streitigkeiten endgültige Klarheit erzielt. Freilich ist dieser Unterschied ordentlich-außerordentlich ein gewissermaßen dialektischer, relativer: Denn nur in Bezug auf die ausdrücklich verhandelten Fragen haben die Begriffe diese besondere Schärfe. Was spätere Fragestellungen angeht, sind auch die feierlichsten Entscheidungen wohl unfehlbar, aber nur im Sinn des ordentlichen Lehramtes: sie sagen nichts Falsches, was sie aber sagen, steht keineswegs eindeutig fest. Dieser Unterschied zwischen dem "Verbum Dei explicandum" und dem "Verbum Dei explicatum" ist so grundlegend, daß er genügt, die Notwendigkeit des stets lebendigen Lehramtes einwandfrei zu beweisen (Vgl. Franzelin, De divina traditione et Scriptura, Rom 1896, S. 155).

Wegen ihres präzisen Klanges besonders vom Mißverständnis bedroht (nämlich für dogmatisch entscheidend statt für dogmatisch einfach wiedergebend genommen zu werden) sind Wörtchen wie "alle" oder "nur". Stellen wir uns einmal groteskerweise vor, St. Paulus habe von den Römern ein Schreiben erhalten, sie hätten bittere Dispute untereinander über die unbefleckte Empfängnis der seligsten Jungfrau Maria und bäten ihn um seine Entscheidung. Paulus habe daraufhin in sein unfehlbares Apostelwissen hineingelauscht, was es dazu meine, und habe dann auf einem dem Römerbrief beigehefteten, uns verlorengegangenen Zettel die Römer also beschieden: Was die unbefleckte Empfängnis angeht, so verweise ich diesbezüglich auf meine Ausführungen in 3,23. Scherz beiseite: Kein Mensch wird behaupten wollen, ja es zu tun wäre Häresie, daß der Satz "Alle haben gesündigt" in der Frage der unbefleckten Empfängnis als Auskunft gelten dürfte. Der Sinn eines Satzes verändert sich eben, wenn ich ihn von einer Fragestellung her auffasse, die er nicht gemeint hat, mögen die Wörter tausendmal dieselben sein.

Für unsere Frage ergeben diese Überlegungen zunächst dieses: Sie ist von der Kirche nie dogmatisch entschieden worden, ganz einfach darum, weil es die dazu erforderliche "fluctuatio" nie gegeben hat. Die beiden eingewandten Formeln als dogmatische in diesem Sinn auffassen hieße ihnen Unrecht und etwas theologisch nicht zu Rechtfertigendes tun. Wohl sind sie unfehlbar, aber im weitern Sinn der ordentlichen Lehrverkündigung, als ein Verbum Ecclesiae explicandum, minime iam explicatum.

Bleibt uns nun also noch nachzuforschen, ob die beiden Aussagen auch dann noch einen Sinn haben, wenn sie weit genug interpretiert werden, um Raum für unsere, von so vielen anderen Seiten her, und ebenfalls dogmatisch im Sinn der breit fließenden kirchlichen Überlieferung, uns nahegelegte These zu lassen.

Statt mich nun gleich auf diffizile spekulative Erörterungen einzulassen, möchte ich zur Lösung der Schwierigkeit lieber eine bemerkenswerte historische Parallele heranziehen, die unserer Theologie schon viel Kummer gemacht hat. Es handelt sich um einige Ausführungen des hl. Kirchenlehrers Johannes Damascenus, die scheinbar den Ausgang des Geistes vom Sohn leugnen und von den Griechen unermüdlich gegen uns ausgespielt werden.
"Auch des Sohnes ist der Geist, nicht als aus ihm, sondern als durch ihn aus dem Vater ausgehend. Denn alleinige Ursache ist der Vater." (De fide orthod. I,12; PG 94,849)
"Für uns aber ist ein Gott der Vater und sein Wort und sein Geist. Das Wort aber ist persönliches Erzeugnis (enypostaton gennèma), darum Sohn; der Geist ist persönliches Ausgängnis und Hervorbringnis (enypostaton ekporeuma kai problèma), zwar aus dem Vater, aber des Sohnes, und nicht aus dem Sohn, gleichsam als Hauch (Pneuma) des Mundes Gottes, herausverkündigend das Wort."
(De Hymno trisagio,28; PG 95,60)

Dazu sehreibt A.Palmieri im Dict.Theol.Cath (V,798f) nach ausführlicher Behandlung des ganzen Problems: "Comme cause primordiale des processions divines, le Père est réellement le seul principe, la seule cause du Fils et du Saint-Esprit, de même qu'il est appelé la seule aitia de la création, bien que le Fils et le Saint-Esprit y coopèrent comme une seule cause avec lui. De ce que nous avons dit, il resulte que le langage théologique de saint Jean Damascène est exact et n'implique pas la négation du Filioque."

Diese nüchtern-besonnenen Ausführungen dürften die Lösung unseres Problems enthalten. Einerseits kann nur ein Blinder leugnen, daß die angeführten Texte des hl. Lehrers implizit das "e Patre solo" enthalten, und daß sich insofern die Griechen mit Recht auf ihn berufen. Andererseits ist dieser Ausdruck, solang er nicht im Geist des Widerspruchs zum Florentiner Dekret, also als technische Formel gebraucht wird, sondern einfach den Vater als einzigen eigentlichen Ursprung und die unbegreifliche Einheit des Sohnes mit ihm ("tamquam ex uno principio", D 691) klarstellen will, durchaus mit jenem katholischen Dogma vereinbar, welches die Griechen mit aus Treue zu dieser ihrer Überlieferung erbittert bekämpfen zu müssen glauben. Nicht gleich so erbittert, aber nicht minder entschieden werden viele "Lateiner" versucht sein, denselben Denkfehler zu begehen und im Namen des Dogmas, unter Berufung auf eine unfehlbare Überlieferung diese These abzutun, die gewißlich mit dieser Überlieferung und mit jedem Dogma vereinbar ist, nicht freilich mit einem selbst fabrizierten Dogma, entstanden aus dem Verständnis ehrwürdiger Texte nicht aus sich selbst, sondern von einer Fragestellung her, die sie nicht meinten und darum auch heute nicht meinen. Also: Spiritus e Patre Filioque im dogmatischen und e Patre solo im überlieferten Sinn; ebenso aber: Filius e Patre Spirituque in technischem, und e Patre solo im überlieferten Sinn. Die dogmatischen Gewichte sind natürlich in beiden Fällen himmelweit verschieden, nicht aber die Verständnismöglichkeit: Ist Johannes von Damaskus dogmatisch zu retten, dann auch diese These. Beide stehen und fallen miteinander. Warum aber stürzen, was niemandem schadet wenn es steht? Gewiß geht es nur um die Meinung eines Kirchenvaters, das brennende Anliegen einer schismatischen Kirche, und eine ganz und gar unmaßgebliche These. Trotzdem wäre zu hoffen, daß nicht allzuviele Kritiker solche glimmenden Dochte stracks auslöschen möchten ...

Ja, die Beziehung zu Johannes von Damaskus geht sogar weit über das Maß einer willkommenen Parallele hinaus. Im zweiten angeführten Text scheint unsere These nicht bloß irgendwie offengelassen, sondern positiv angedeutet zu sein. Es heißt dort, der Geist sei gleichsam Hauch des Mundes Gottes, das Wort herausverkündigend (Logou exaggeltikon). Hier scheint dem Geist eine gewisse Priorität (nicht zeitlich noch logisch, sondern secundum originem) zugeschrieben, also eben unsere Behauptung. Ja, genau genommen drückt auch die übliche griechische Formel diese Nuance leise mit aus: der Geist geht hervor aus dem Vater durch den Sohn. Die oberflächlichste Überlegung wird klar machen, daß was durch ein anderes geht, irgendwie auch schon vor diesem ist. Wenn diese Formel in Florenz mit der blasseren lateinischen "e Patre et Filio" ineinsgesetzt wurde, so meint das nicht Identität, sondern Vereinbarkeit.

Nicht als ob die Argumente noch nicht ausreichten, vielmehr einer gewissen Vollständigkeit halber kann ich es mir nicht versagen, noch von ganz unerwarteter Seite eine zufällig gefundene Bestätigung zu bringen, nämlich einen kurzen Abschnitt aus dem seltsamen Buch - für dessen Würdigung ich keinesfalls irgendwie zuständig bin - : Jean-Gaston Bardet, LA GENESE, symphonie trinitaire en douze sequences, Vincent,Fréol & Cie, Paris 1959. Der Verfasser möchte da den geheimnisvollen Sinn des Tetragramma, des hebräischen Gottesnamens darstellen; er ordnet ihn zunächst so an (S. 21; vgl. die vorige Skizze!): und schreibt dann (S. 69):
"La spiration de l'Esprit: Hé, part du Père: Yod, passe par le Fils: Waw et revient au Père. Ainsi, sans cesse, l'Esprit d'Amour du Père spire vers son Fils dont l'Esprit d'Amour spire vers son Père. Tel est l'ordre dynamique YHWH. Dans l'ordre statique de la formule baptismale, les trois Personnes sont YWH = I Ou A, ordre de la prononciation. - Tout le secret est dans le premier Hé, et non dans le second, comme l'écrivirent tous les kabalistes. Le premier Hé, étant ante-Verbum, s'écrit mais ne se prononce pas. Il est inaudible comme le Père est invisible - ce qui correspond au sheva quiescent de la grammaire hébraique."

Weil nicht a priori feststeht, daß die Inspiration nur für ernste Bibelforscher berechnet ist, wollte ich auf die Anführung dieser originellen Ansicht nicht verzichten; beurteilen mag sie jeder, wie es ihm gefällt.

Fragt man jemanden nach den Leuchten der katholischen Theologie um die Mitte des 13. Jahrhunderts, so wird er vielleicht diese aufzählen: die Heiligen Albert, Thomas und Bonaventura, daneben Alexander von Hales und Heinrich von Gent. Noch mehr wüßten bloß mehr Spezialisten. Wohlan denn, all diese gelehrten und frommen Männer waren gegen die unbefleckte Empfängnis der Gottesmutter. Trotzdem haben kleinere Geister sie auch damals schon verteidigt. Erst 600 Jahre später hat die Kirche definitiv entschieden, wer das Wahre geglaubt, und wer das Falsche nur gemeint hat. Die Großen haben gemeint, die Kleinen geglaubt.

Daraus ergibt sich Bitte und Versicherung an meine hochwürdigen Kritiker. Die Bitte: Gedanken aller Art, aber bitte keine harten Zensuren! Und die Versicherung: Beidem aber sehe ich in großer Ruhe entgegen: Denn Gedanken vermögen eine solche Frage wohl darzulegen und voranzutreiben, keineswegs aber zu entscheiden. Und Zensuren sind bitter aber nicht tödlich, solange sie von Privaten kommen. Wer hier glaubt und wer bloß meint, das hat die Kirche der Vergangenheit nicht entschieden, das können wir nicht entscheiden, das beurteilt allein die Kirche der Zukunft, sei die nahe oder fern. Bis dahin aber hat jeder das Recht zu meinen, er glaube und der andere meine nur. Wer dem anderen dieses Recht weigert, betrübt, so oder so, "das" Thema des Disputes, Sie, die Liebe in Gott.

Anhang II

Ruach, Pneuma, Spiritus heißen alle drei nicht nur Wind und Geist, sondern auch Atem. Für die indische Weisheit gehört rechtes Atmen zum Wichtigsten im Menschenleben; und auch St. Ignatius schreibt (Exerzitien Nr. 258):
"Die dritte Weise des Gebetes ist, daß man bei jedem Atemzug oder Luftschöpfen im Geiste betet, indem man ein Wort des Vater Unser oder eines anderen Gebetes, das verrichtet wird, spricht, derart, daß zwischen zwei Atemzügen jeweils nur ein Wort gesagt wird, und daß man in der Zwischenzeit vom einen zum anderen Atemzug vor allem auf die Bedeutung des betreffenden Wortes achtet, oder auf die Person, an die man es richtet, oder die eigene Niedrigkeit oder den Unterschied so großer Hoheit zu so großer eigener Niedrigkeit."

Gehetzt, d.h. atemlos wie wir sind, täte es uns zuinnerst gut, diesem einfachen, demütigen Rat öfter zu folgen! Wie kann das heilige Pneuma in uns recht wirken, wenn sein geschaffenes Abbild, das Atempneuma nicht in Ordnung ist; und umgekehrt, wie würde doch in scheinbar unerreichbare Tiefen unserer einen, leib-geist-göttlichen Wirklichkeit ein Gebet hinabwirken, das ganz und gar "in spiritu sancto" (1 Kor 12,3) geschähe, also im bewußt-betenden-Atmen!

Es sei mir also erlaubt, den Rat des hl. Ignatius theologisch auszufüllen und damit gleichzeitig uralte Menschheitserfahrungen zu taufen, indem ich mit diesem Anhang unseren Überlegungen statt eines theoretischen oder polemischen einen geistlichen Schluß zu geben versuche.

Veri adoratores adorabunt Patrem in Spiritu et Veritate ... Wenn du also einmal Zeit zum Beten hast, sei es abends vor dem Einschlafen, sei es in der überfüllten Straßenbahn oder sonstwo, dann achte einmal ausdrücklich und gesammelt auf dein Atmen. Ein - aus - ein - aus, ruhig und langsam. Sodann realisiere, während du in Frieden weiteratmest, daß dein wahres Leben wohl du, aber nicht mehr du, sondern Christus in dir lebt, daß wir nur als filii in Filio, als Gotteskinder weil Glieder des einen Gottessohnes, am Leben sind; außer Ihm kein Heil. Nimm vielleicht kurz zu Hilfe die theologische Wahrheit, daß die göttlichen Personen nur in Ihrem Zueinander überhaupt sind, daß darum zum Vater als Vater nur der Sohn eine Beziehung hat (und ist) nicht jedoch ein Geschöpf als solches. Würde darum Jesus nicht in uns "mein Vater" sagen, wäre unser "Vater Unser" leeres Wort und keine Wirklichkeit!

Und wieder achtest du auf dein Atmen. Es ist aber jetzt schon mehr als physiologischer Vorgang an einen animal etsi rationale. Auch in dir atmet der Leib Christi. Das verkosten kann freilich nur, wer von gewissen pseudophilosopischen Spaltungen frei kommt, als wäre bloß die Seele, nicht der Leib begnadet. Gott und die Bibel kennt nur den einen Menschen. Daß Atmen auch ohne Denken und beides ohne Gnade möglich ist, beweist keineswegs, daß dort, wo alle drei gegeben sind, sie sich trennen ließen!

Ganz im Gegenteil! Gewiß kann man sagen, daß bei Christus selbst sein menschliches Atmen Symbol seines menschlichen Gott-Verhältnisses und dieses Ausdruck seiner ewigen Beziehung zum Vater ist: aber wir sehen gleich, daß 'Ausdruck' und ‚Symbol' hier dichter, ontologischer zu fassen sind als es gewöhnlich geschieht. Da wir doch wissen, daß das Wort "Sein" analog ist, sollte es uns keine Schwierigkeit machen, zu sagen: Sein Atmen ist sein religiöses Leben, und dieses ist sein göttliches Verhältnis zum Vater, das 'ist' eben nicht platt univok, sondern eigentlich und daher analog genommen. - Gut. Nun wieder zurück. Ähnlich ist es bei dir. Jenes dein Ich, das da atmet und jenes dein Ich, das da sich dankbar von Gott entgegennimmt und liebend lhm sich zurückschenkt, und jenes dein Ich, in dem nicht mehr du lebst, sondern Christus in dir vom - zum Vater ist, das sind nicht drei Wirklichkeiten, sondern eine Person, du selber, dieser eine begnadete Mensch. Und dieser eine Mensch soll Anbeter des Vaters sein in spiritu et veritate.

Sage also zu Ihm - und wisse, was du auf Erden sagst, spricht in. dir Jesus im Himmel - sage also zum Vater, während du langsam einatmest: Vater, was ich bin und habe, das ist nicht aus mir. Aus mir müßte ich im Nichts ersticken. Du allein füllst mich an mit Deinem Leben, durch Deine Liebe, die Dein heiliger Hauch ist in mich hinein, der mich belebt. - Fülle die Lungen Deines Herzens mit dieser Liebe Gottes so voll wie die des Leibes mit dem frischen Wind, der dir entgegengesandt wird. (Das ‚so-wie' ist natürlich zu wenig; unsere Sprache tut sich sehr hart, die geheimnisvolle analoge Selbigkeit des Bildes mit der Wirklichkeit auszudrücken: der eine Mensch atmet als Lebewesen und als Glied des Sohnes das eine Pneuma ein: daran sehen wir, daß dem hl. Geist auch sein Eigenname Pneuma nicht per attributionem, vielmehr proprie zukommt! Ruach-Pneuma heißt im persönlichen Bereich 'Atem', und Atem gibt es nur als Aus und Ein. Wollen, wir also der Bibel zutrauen, daß sie der dritten göttlichen Person einen Eigennamen gewußt hat, dann müssen wir der These zustimmen.) -

Bist du ganz erfüllt vom Pneuma, dann darfst und mußt du ausatmen. Dabei sprich, zusammen mit dem ewigen Sohn in dir: Vater, ich erwidere Dir Deine Liebe. Ich will nichts für mich behalten, sondern ich vertraue Dir alles wieder an, mich und mein ganzes Leben. Ich erwidere Deine Liebe, ich sende Dir den Hauch zurück, ch atme langsam aus. Dies ist zwar jetzt, beim Gebet des Atmens, leicht und wohltuend. In abgründige Tiefen geistlichen Ausatmens führt uns jedoch Johannes, wenn er als letzte, höchste Tat Jesu in unserem Fleisch des Todes berichtet (19,30): Paredoken to pneuma. Spiritum tradidit, freilich auch der Kirche und uns, aber das ist erst das Zweite Das Erste ist gewiß der Ausgang des Geistes vom Sohn an den Vater, den unser 'Filioque' bekennt.

Nun laß einige Atemzüge lang diesen göttlichen Rhythmus weit und voll in dir schwingen, freu dich der lebendigen Frische, in der du dich bekommst, und leg deine ganze Hingabe in das vertrauende Zurückströmen dieses Lebens. Neben langer Gewohnheit, von der Reflexion ausschaltbar, verbürgt uns ja nur Gottes Güte, daß Ausatmen nicht das Letzte ist, daß auf Tod Auferstehung folgt. - Darauf kannst du diese allgemeinste Betrachtung mit der Methode, die Ignatius angibt, anhand der verschiedenen Wörter bekannter Gebete in die reichsten Tonskalen und Farbprismen zerlegen, immer aber ist der Grundrhythmus ein-aus, Leben-Tod, Sonntag-Werktag nicht nur leiblich, mehr als geistig, wahrhaft göttlich.

Dann kann es geschehen, daß dir auf einmal fast angst wird: sollte wirklich meine Gespaltenheit bis in Gott hineinreichen: Leben und Tod ist doch nicht dasselbe, gäbe es in Gott selbst auch den Tod? Die erstaunliche Antwort darf sein: Ja! In Ewigkeit empfängt der Sohn die Gottheit vom Vater und schenkt sich selbst Ihm restlos zurück, sosehr, daß er nur Du, nicht eigentlich Ich ist: ich als selbstgegründete, in sich stehende Wirklichkeit ist, so und streng genommen, nur der Vater; jedes andere solche Ich wäre angemaßt und sündig. Wieder kommt natürlich die Sprache nicht mit; nicht aber von Wörtern handelt die Theologie). Gerade weil kein Schatten von Sünde in Gott ist, darum ist für den Sohn Leben-vom-Vater-her und Sterben jeglicher Selbständigkeit gleich absolut und absolut gleich, Er selber. Wie könnte Jesus als Mensch wahrhaft sterben, stürbe Er nicht in Ewigkeit als Gott? Ja, weil vertrauensvolles absolutes Hin-Sterben eine perfectio pura einer abhängigen Person ist, würde aus der Unmöglichkeit des Sterbens in der göttlichen Natur die Notwendigkeit der Schöpfung und Menschwerdung folgen, damit der Sohn sterben kann!

So ist also in Gott vollkommener Rhythmus und vollkommene Einheit: der eine Vater zeugt den Sohn in Seiner Liebe und erhält Ihn in dessen Liebe zurück, der eine Sohn ist Leben vom Vater und Sterben zu Ihm; und endlich geht als Band zwischen ihnen der eine Geist von beiden aus, wie der Wind vom Himmel in dich und von dir zurück in den Himmel geht. Wie der Vater der persönliche Ursprung und der Sohn die persönliche Abkunft ist, so ist der Geist die persönliche Einheit von Vater und Sohn, die in Ihm, dem göttlichen "Kuß" wie die Väter sagen, in Ewigkeit ineinander atmen.

Wir nun, wir wollen von den zwei verlorenen Söhnen weder der ältere sein, der fleißig für den Vater schafft, aber aus sich, und deshalb böse wird, wie der andere umsonst dasselbe Leben erhält: diese Haltung wäre unmöglich, nähme er sich wirklich ganz vom Vater her an. Aber auch der jüngere wollen wir nicht sein, der wohl sein Vermögen entgegennimmt, aber mit ihm und sich davonläuft, weil er nichts vergelten, sondern sich allein genießen will (Enjoy everything besides yourself; Chesterton). Einmal kommt für jeden von uns der Tag, da Zöllner wie Pharisäer in ihm am Ende stehen, da der eine "alles durchgebracht hat" und endlich "zu sich kommt" (Lk 15,14ff), während der andere von seinem Arbeitsfeld heimkehrt (ebd. 25) und erst jetzt - beachten wir das wohl, wir Brave unter den Christen! - erst jetzt seine Entscheidung hat, dem Bruder neidlos zu verzeihen und ihm gönnen, daß er ohne Schweiß denselben Preis, nämlich Alles erhält ... So stark aber der eschatologische Sinn des Gleichnisses ist, so sehr treten doch beide Forderungen der einen Liebe, das Daheimbleiben wie das Verzeihen, auch schon vor dem Tod beständig an uns heran, einmal die eine, dann die andere; und wehe dem, der jeweils die nicht geforderte leistet, sich auf der Verdienste Bedeutsamkeit beruft wenn er dem Bruder verzeihen soll, und die Eitelkeit aller eigenen Leistung dann vor Gott ins Feld führt, wenn treue Mühe von ihm verlangt ist!

Bitten wir darum die göttliche Liebe, sie wolle in uns wehen und atmen, ein-aus-ein-aus, in dem freien Rhythmus, den der Vater uns, seinen Kindern erwählt, und daß wir jetzt und im Tod nicht aus dem Takt kommen, bis einmal unser letzter Schnaufer verweht im Atem der Ewigkeit.

LDMq

März 1962


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