Jürgen Kuhlmann

Schnarch-Gedanken zwischen zwei und drei

Wer neben Schnarchtönen einschlafen will,
begegnet dem Geheimnis des Anderen.

a) Zwei

Ein Party-Rätsel: Jemand wählt am Telefon, wartet so lange, bis auf der anderen Seite abgehoben wird, und legt auf. Warum? - Meist bedarf es vieler Ja/Nein-Fragen, ehe die Gruppe auf die Lösung kommt: Ein Hotelgast wehrt sich gegen das Schnarchen aus dem Nebenzimmer.

Wer neben Schnarchtönen einschlafen will, begegnet dem Geheimnis des Anderen. Je frischer der Leib, je stärker die Liebe, um so länger hält man es aus, bis man doch irgendwann die Nase packt und schließlich auf ein Sofa flieht. Gar zu gewaltsam stört der fremde Rhythmus den eigenen. Und kämen jene Töne aus dem allerliebsten Antlitz, würden sie sogar von der Person hervorgebracht, die ich nicht nur aus Pflicht sondern aus freiestem Entschluß liebe wie mich selbst, auch dann ist der Energiepegel an Geduld bald auf Null gesunken, und das eine Lebewesen wehrt sich gegen den unerträglichen Übergriff des andern. Wie lange hat wohl in galiläischer Scheune Jesus den neben ihm schnarchenden Petrus gewähren lassen?

September 1996

b) Zwei + ihre Mitte = Drei

Wie kann ich schlafen bei diesem Lärm? Zupfe ich sie an der Nase? Nein, sie braucht den Schlaf. Ob autogenes Training hilft? Also: "Ich bin ganz ruhig ... Ich atme ruhig und gleichmäßig." Ach, es geht nicht. Der fremde Rhythmus neben mir zerstört den eigenen. - Hat sich etwa mein Bewußtsein falsch geschaltet? Wieso fremd? Ist sie nicht, wie spöttisch-zärtlich das Sprichwort behauptet, meine bessere Hälfte? Die atmet da, ruhig und gleichmäßig. Nur zu laut.

Wie wär's mit einer anderen Formel? Also: SIE (= die Heilige Windsbraut, der schöpferische Hauch, der Atem des Hl. Geistes, das Ewige Pfingstbrausen tief innen), SIE atmet uns ruhig und gleichmäßig. Wobei "uns" zwischen drittem und viertem Fall schwebt: SIE schenkt uns unseren, ihren Atem; SIE belebt uns mit ihrer göttlichen Huld.

SIE atmet uns ruhig und gleichmäßig. Ja, so (er)löst sich der Schnarchkrampf. Nichts Fremdes, kein Lärm mehr sind die Töne neben mir, sie bedeuten und bewirken unser gemeinsames Atmen in und dank IHR, der Liebe in Gott. Weltlich passen mein und ihr Rhythmus scheinbar nicht zusammen, geistlich-wahrhaft sind sie miteinander unser Leben. SIE atmet uns ruhig und gleichmäßig ...

Ich bin dann tatsächlich, bei ihrem Schnarchen, bald eingeschlafen.

Einige Nächte darauf blieb allerdings nur die Emigration. Doch vom Geist einmal durchatmet worden zu sein ist nicht nichts, läßt ALLES ahnen.

Juni 1999

Volle Internet-Adresse dieser Seite: http://www.stereo-denken.de/schnarch.htm

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Siehe auch des Verfassers Predigtkorb auf dem katholischen Server www.kath.de

sowie seinen neuen (seit Ende 2000) Internet-Auftritt Stereo-Denken
samt Geschichte dieses Begriffs und lustigem Stereo-Portrait

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