Jürgen Kuhlmann
Fluch dem falschen Akzent!
Steckt im Computerfehler ein Wünderlein?
Ein unheimlicher Verdacht wühlt in mir: unsere ordentliche, verstehbare Technik-Welt ist nichts als dünne Tünche über einer rätselhaften Realität, wo andere, uns unverfügbare Kräfte wirken. Die werden von uralten Namen genauer bezeichnet als von modernen. "Software-Problem"? Lächerlich. Gewiß, das ist es auch. Vielleicht gibt mir ja ein Fachmann einen Tip. Doch vermute ich: Irgendein Engel (oder Teufel?) hat den Auftrag, jene Tünche immer wieder zu zerkratzen, so daß des Wissens Brüchigkeit mich taumeln macht.
Wenn die alte Uhr scheinbar grundlos mal geht mal nicht, ist das bloß eine harmlose Einstimmung. Ernster trifft die Fahrradlampe. Trotz unfehlbaren Naben-Dynamos und zweier Kabel (dem Masse-Kontakt traue ich nicht) setzt der Lichtschein hin und wieder aus. Zwar hat ein begütigendes Ruckeln an der Lampe bisher stets schnell geholfen - nur dem physikalischen Licht freilich. Mein helles Zutrauen in die Kraft des Verstandes ist kaum mehr am Flackern.
Erst recht, seit der Computer gestern plötzlich keine Akzente mehr schreibt. Will ich ein é tippen, erscheint ´´e, aus dem à wird ``a. Und das in allen Windows-Anwendungen. Zwar läßt der gewünschte Effekt sich mit Hilfe von Sonderzeichen-Tricks dennoch erreichen - sonst hätte ich den Fehler jetzt nicht einmal klar bezeichnen können! - doch empfand ich des Apparats spontane Weigerung, für die sich kein Grund denken läßt, als sinnlos verwirrendes Ärgernis.
Bis mir beim zornigen Stapfen durch den Schnee die Absicht jenes Teufels, nein, eher Engels, aufgegangen ist: am Beispiel des winzigen Fehlers den riesigen aufzudecken. Wenn ein Akzent, statt den oder jenen Buchstaben näher zu bestimmen, sich selber hinsetzt und das gleich doppelt, so zerstört er seinen Sinn, ist zu löschen. Für sich ist ein Akzent weniger als nichts, negativ, böse. Wird er getippt, so hat er geduldig zu warten, bis er mit seinem Buchstaben zusammen ins Dasein treten darf.
Der Dichter-Jesuit Gerard Manley Hopkins (1844-1889) spricht einmal von Gottes "Akzent auf meinem Sein":
What I know of thee I bless,
As acknowledging thy stress
On my being
And as seeing
Something of thy holiness.[Was ich von Dir weiß, preise ich, da ich Deinen Stress/Akzent auf meinem Sein anerkenne und etwas von Deiner Heiligkeit sehe.]
Und Jesus Christus heißt bei Paulus (2 Kor 1,20) "das Ja" für alle Verheißungen Gottes. Wenn die Christenheit aber nicht, wie es sich gehört, diesen Akzent dem Akzentuierten zuordnet und dieses Ja dem Bejahten, sondern Akzent und Ja für sich allein hinstellt, während das gemeinte e oder a leer, unbetont nachhinkt: dann ist ihre Botschaft verdorben, aus einem sinnvollen Zeichen zu einer unsinnig störenden Realität geworden (obwohl Jesus doch nach katholischem Dogma gerade keine geschaffene Person ist!), die gelöscht werden muß: "Écrasez l'infâme [Zertretet die Schändliche (Kirche)]!" Voltaire hatte insofern nicht unrecht. Sooft ich auf dem Bildschirm die widerlichen Akzente erblicke, teile ich - im kleinen - seinen Haß.
Nur im kleinen; den christlichen Akzent sehe ich keinesfalls isoliert von all dem andern Guten, welches er betont. Daß andere ihn derart störend erblicken, sollte uns Christen aber verstehbar sein. Und auch, daß wir das Unsere tun sollen, den Fehler zu beheben. Deshalb zum Schluß ein doppelter Ruf a) an MS-Kundige: Wie läßt die Akzent-Taste sich reparieren? Und b) an meine Mitgläubigen: Was kannst du tun, damit der christliche Akzent in dieser Welt korrekt erscheint?
Dezember 2001
Gekürzt veröffentlicht in CiG v. 10. Februar 2002
Nachtrag am 13. März 2002.
Seit einem Rechner-Absturz gestern ist der Fehler weg. Ebenso unerklärlich wie er kam. Oder? Etwas vorher hatte ich begriffen, daß der geistliche Mißbrauch, den ich der Kirche vorgeworfen hatte, auch in meinem persönlichen Leben sein Unwesen trieb.
Anscheinend hat der Mini-Satan (=Ankläger) oder Warn-Engel seine Aufgabe erfüllt. Seine Lektion sei unvergessen.
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