Jürgen Kuhlmann
Das ewige Leben
Skizzenhafter Vorschlag
eines neuen eschatologischen Vorstellungsmodells
A Das Problem
I. Der Glaube der Christen an das ewige Leben ist in einer Krise. "Lachen tat ich ja, wenn alles doch nicht stimmen tat."
II. Grund dieser Krise muß nicht Glaubensschwäche, dürfte vielmehr der rapide Weltbildwandel sein. Alle bisherigen Auslegungen sind uns unmöglich geworden.
1. Die apokalyptisch-jüdische Vorstellung einer endzeitlichen leiblichen Auferweckung des ganzen Menschen erscheint uns mythologisch: die Zeit läuft so weiter, wie sie es bisher tat. Die Materie der Toten kehrt in den Naturkreislauf zurück; mit ihrem Bewußtsein, dem Ergebnis einer bestimmten Anordnung dieser Materie, ist es vorbei; das kommt nie wieder zustande.
2. Die dualistisch-hellenistische Vorstellung, laut welcher jede menschliche Seele nach Abstreifen des Leibes zu Gott als ihrem Ziel gelangt, erscheint unhaltbar.
a) Erstens ist der Mensch eine Art Supercomputer; ohne materielle Informationsstruktur (Gehirn) kein Bewußtsein; bei gespaltener Informationsstruktur auch verdoppeltes Bewußtsein (Fälle von perfekter Persönlichkeitsspaltung): mag die personale Seele so hoch und an Würde so sehr in sich selbst stehen wie man will - trotzdem ist, was sie tut, von ihrer leiblichen Basis innerlichst abhängig.
b) Zweitens liegt zwischen Tier und Mensch in der Gesamtevolution so wenig eine scharfe Grenze, wie zwischen ungeistiger befruchteter Eizelle und erwachsenem Atomforscher. Und überdies, wäre Adam als erster Mensch eine historische (wenngleich uns nicht mehr erkennbare) eindeutige Wirklichkeit, wie ertrüge seine unsterbliche Seele die ewige Trennung von seiner ins Nichts zurückgesunkenen tierischen Mutter ...?
3. Die neutestamentlich-kirchliche Kategorie einer bereits erfolgten Auferstehung und Himmelfahrt bestimmter Menschen erscheint uns ebenfalls mythologisch, denn die Vorstellung aus dem Grab hervorschwebender Leichen macht uns eher schaudern als Gott lobpreisen, und wo früher der Himmel vermutet wurde, gähnt jetzt der leere Weltraum. Kurz: Was bisher WER, WO und WANN des ewigen Lebens war: Seele, Himmel und Endzeit, all diese Vorstellungen sind heute ungeeignet, da sie für das zeitgenössische Empfinden ebenso irdisch-vergänglich sind wie die Materie, deren geheimnislose Besonderheiten sie sind.
III. Nicht der Grund, wohl aber die Folge dieser Krise könnte Glaubensschwäche sein. Wenn die alten Schläuche löcherig werden, gerät der Wein in eine Existenzkrise. Ohne Gefäß läßt er sich weder bewahren noch weitergeben. Somit heißt es neue Bilder finden.
B Der neue Vorschlag
I. Was Bibel wie Dogma Auferstehung und Himmelfahrt nennen, wäre sachgemäß vielleicht als "Verewigung" zu interpretieren. Von "verewigt" zu sprechen, klingt zunächst nur salbungsvoll und nichtssagend. Doch scheint dieser Ausdruck vorläufig einmal am geeignetsten, die vorzuschlagenden Bilder begrifflich zu umfassen. Selbstverständlich liegt an der Formel als solcher nichts; eine minder verdorbene wäre willkommen. Sind aber nicht schon andere abgesunkene Wörter neu aufgerichtet worden? Beginnt es zum Beispiel nicht sogar der "Tugend" so zu gehen?
II. Der christliche Oster- und Ewigkeitsglaube kann philosophisch nicht begründet werden. In die Ob-Frage tritt dieser Aufsatz überhaupt nicht ein; darüber befindet der Glaube. Die folgenden Überlegungen wollen nicht dem Schwankenden aufzeigen, daß es sich tatsächlich so verhalte, sondern allein dem Glaubenden eine Weise anbieten, wie er seinen Glauben sich selbst und seinen Zeitgenossen ohne Weltbildschwierigkeiten verständlich machen könnte. Auch diese Was-Frage bleibt natürlich Geheimnis. Jegliche positive Vorstellung eschatologischer Wirklichkeit bleibt von einem großen "Irgendwie" umklammert. Trotzdem muß, was in der Klammer steht, dem geläufigen Weltbild entsprechen.
III. 1. Mythologisch ist ein Denkbild dann, wenn es innerhalb des Bereiches der uns wissenschaftlich zugänglichen Wirklichkeitsdimensionen Ereignisse behauptet, die andererseits der Wissenschaft entzogen sein sollen und auch tatsächlich nicht festzustellen sind.
2. Mit unserem Weltbild vereinbar sind dagegen Vorstellungen, die nicht im Bereich der uns zugänglichen Dimensionen liegen. Um trotzdem Wirklichkeit auszusagen, müssen ihre Dimensionen aber doch irgendwie einsichtig mit den uns bekannten verknüpft sein.
IV. Im folgenden Modell bedeutet die Zeit, in welcher der Modell-Vorgang abläuft, ausschließlich die innere subjektive personale Zeit des Erlebenden selbst. Daß sie von der äußeren objektiven natürlichen Zeit des Erlebnisinhaltes unterscheidbar ist, zeigt zum Beispiel das Phänomen der Zeit-Beschleunigung oder -Verlangsamung unter Rauschgifteinfluß sowie die Möglichkeit, einen und denselben Film verschiedene Male hintereinander zu sehen: hier hat nämlich das zweite Sehen subjektiv einen anderen Stellenwert als das erste, kommt nach ihm, während objektiv beide Male exakt dasselbe zeitliche Geschehen in derselben Zeit sich abspielt.
V. Die Kernidee des Modells ist: die äußere Zeit wird verräumlicht. Was die Physiker die "vierte Dimension des Raumzeitkontinuums" nennen, wird als räumliche Dimension dargestellt und dadurch grundsätzlich aus einem vergänglichen Nacheinander in ein bleibend verfügbares Nebeneinander verwandelt. Man stelle sich also etwa folgendes vor: eine senkrechte Mattscheibe, die elektrische Signale in optische umwandelt, bewegt sich von links nach rechts in einem Raum, der mit allerhand elektrischen Feldern erfüllt ist. Was geschieht auf ihr, wenn sie durch ein kugelförmiges Feld hindurchgeht? Nun, zuerst sieht man einen Punkt, welcher langsam zu einem Kreis wächst, der wiederum abnimmt, bis der Vorgang beendet ist und die Kugel sich als End-Punkt von der Scheibe verabschiedet. Wem diese Vorstellung deutlich ist, dem wird auch die Erklärung einleuchten: die Ebene bedeutet das Jetzt, je die Gegenwart. Die Linie von links nach rechts bedeutet die äußere Zeit vom Jahre 0 bis zum Jahre unendlich. Was sich auf der Ebene abbildet (der Punkt, der erst zum Kreis wächst und dann wieder verschwindet) bedeutet das Werden und Vergehen der zeitlichen Lebensgestalten (Blüte - Frucht -Ende; Kind - Mann - Ende). Auf der Mattscheibe (je-jetzt) ist immer nur eine ganz bestimmte Gestalt sichtbar. Daher rührt unsere naive Meinung, nur das Gegenwärtige sei wirklich. In Wahrheit ist aber zu jeder (inneren) Zeit die gesamte Kugel anwesend und wirklich: ein Teil als schon durch die Gegenwarts-Scheibe durchgegangen (die Vergangenheit); dem anderen Teil steht dieser Durchgang durch die Gegenwart noch bevor. Um zum Gleichnis zu taugen, muß an diesem einfachen Grundmodell noch einiges präzisiert werden:
I. Zunächst muß die Kugel aufgebaut werden: rechts von der Ebene befindet sich noch keine feste Form, sondern ein Chaos bloßer Möglichkeiten. Erst beim Durchgang durch die Gegenwart kristallisiert die Zukunft sich (durch Zufall oder Freiheit) zur feststehenden Vergangenheit.
2. Während dieses Aufbaus der bleibenden Gestalt ist das innere Jetzt mit dem äußeren fest verbunden. Die Ebene bedeutet darum nicht bloß die äußere Gegenwart der Weltzeit, sondern auch die innere Gegenwart, die Zeit des Bewußtseins: dieses befindet sich immer an einer ganz bestimmten Stelle der äußeren Zeit: im Schnittkreis von Ebene und Kugel treffen sich Weltzeit und innere Zeit.
3. Es handelt sich natürlich kaum je um Kugeln, sondern um recht bizarre Gestalten mit Zacken und Lücken aller Art. Auch wenn eine Gestalt ausgeformt ist und sich von der weiterwandernden Ebene abgelöst hat (das bedeutet den Tod eines Lebewesens), dann entstehen natürlich noch allerlei kürzere und längere Schweife von Nachwirkungen, von den unsterblichen Kunstwerken bis hin zu halbvermoderten Totenschädeln ...
VI. Gegenstand der Verewigung ist also weder eine leibfreie Seele, noch gar ein Leichnam, vielmehr die gesamte durchlaufene Lebensgestalt des leibseelischen Menschen, alles was entlang der äußeren Zeitlinie jemals "gewesen ist", das heißt als Gewesenes "in der vierten Dimension" fortdauernd ist. Der Seinsbegriff ist also nicht erst dann analog, wenn er auf Gottes unendliches und der Geschöpfe endliches Sein je verschieden angewandt wird, vielmehr auch schon innerhalb des geschöpflichen Bereiches, wo er entweder im empirischen Sinn das meint, was es je-jetzt gerade gibt (in diesem Sinn ist Johannes XXIII. jetzt "nicht mehr") oder aber, im umfassenden Sinn, dasjenige, was überhaupt zum gesamten vierdimensionalen Raumzeitkontinuum gehört: in diesem Sinn ist alles, was es je gegeben hat.
VII. Worin besteht nun die Verewigung, die an diesem Gegenstand geschieht? "Kein Auge hat es gesehen ..." Einzelheiten wären lächerlich, weil restlos ungedeckt.
1. Immerhin besagt der Glaube an das ewige Leben mindestens so viel, daß dann die subjektive Zeit, das neue Erleben, nicht mehr an die äußere Weltzeit gebunden ist. Vielmehr löst sich im Tod die innere von der äußeren Zeit ab. Statt des mit dieser mitwandernden engen Lichtkreises des Je-Jetzt erhält das Innenleben einen neuen Inhalt. Welchen?
2. Wir können nur vermuten. Wahrscheinlich in erster Linie das gesamte vollbrachte eigene Leben, vom Embryo bis zum Totenbett. All das war ja nicht bloß, sondern ist, entlang der vierten Dimension. Gericht, Fegefeuer, Himmel und Hölle wären dann Aspekte dieses verewigten neuen Erlebens der eigenen Wirklichkeit. Das müßte natürlich des näheren entfaltet werden, um verständlich und als mit dem Dogma vereinbar zu erscheinen.
3. Dazu käme wohl das gesamte übrige vergangene Geschehen der Welt. Schon wenn der Lebende einen Dokumentarfilm anschaut, wird seine innere (und äußere) Zeit mit dem Inhalt einer vergangenen äußeren Zeit angefüllt. Der Verewigte nun ist dem Zwang der einlinig weiterlaufenden äußeren Zeit sowie allen Beschränkungen der Kommunikation entnommen; es ist also vorstellbar, daß er sich mit irgendeinem anderen Subjekt identifiziert, welches irgendwann irgendwo gelebt hat, und nun die Welt mit dessen Gefühlen erlebt: was fühlt ein Falke beim Sturzflug, ein Stierkämpfer in der brausenden Arena usw.? Das wären sozusagen Ausflüge der Person in die verewigte Natur einer anderen Person, hinieden unerreichbares Ideal der Liebesfreude.
4. Daß die äußere Weltzeit ohne den Verewigten weiterläuft, heißt natürlich nicht, daß die Wellenfront der Weltgegenwart ihm verschlossen wäre. Mein Himmel soll sein, auf Erden Gutes zu tun (Therese). Vor allem entlang dem Schweif seiner Nachwirkungen wird der Verewigte sich wohl auch persönlich und lebendig einsetzen.
5. All diese Ausflüge in die Vergangenheit oder die weiterschreitende Gegenwart setzen natürlich voraus: entweder, daß der Verewigte ohne neue materielle Information solche für ihn neuen Erlebnisse hat. Es ist schwer einzusehen, wie solches rein geistige Tun noch menschlich wäre. Besser scheint darum die andere Vorstellung: er hätte als ganzer Mensch die Fähigkeit, von jedem Raumzeitpunkt aus in eine weitere, bisher noch nicht gebrauchte Dimension abzubiegen. Dann wäre seine gesamte vierdimensionale Lebensgestalt etwa der zweidimensionalen Fläche eines begrenzten Sees zu vergleichen, in dem, als seinem Revier, ein Schwan beliebig herumschwimmt; sobald er aber will, erhebt er sich von irgendeinem Punkt aus in die Luft und fliegt beliebig nahe an jeden anderen Punkt der Weltfläche, ohne sich freilich niederzulassen (das wäre mythologisch; weil ich an König Davids Hof nicht war, kann ich auch in der Ewigkeit nicht plötzlich dort auftauchen, das brächte alles durcheinander). Wohl aber kann der Schwan von seiner nahen Höhe aus alles intentional mitvollziehen, was am Boden geschieht.
6. Wenn die vorstellende Theologie somit von der Mathematik lernt, daß wir mit n Dimensionen rechnen dürfen, dann besteht die letzte Erweiterung des Bildes darin, daß mehrere Subjekte in der Richtung der n-ten Dimension ihre Lebensgestalt verlassen und sich dort ganz neu begegnen, an Orten und Zeiten also, die es in unseren Dimensionen de facto nie gab. Dann kann die 10jährige Cäcilia entzückt lauschen, wie Mozart und Chopin vierhändig eine irdisch nie gekannte Synthese improvisieren ...
VIII. Die eigene Leibgestalt des Verewigten ist also nicht als einziger Inhalt seiner Ewigkeit anzusehen, sondern lediglich als deren materielle Basis innerhalb des vierdimensionalen ursprünglichen Raumzeitkontinuums. Von daher erledigen sich alle Einwände derer, die nicht das gelebte Leben verewigt haben möchten, weil das eine Ungerechtigkeit gegen die wäre, deren irdisches Leben zu elend war. Daß die himmlische Rangordnung sich nicht nach der irdischen richtet, geht aus den Seligpreisungen deutlich hervor.
IX. Dieses ganze n-dimensionale Raumzeitkontinuum sowie jedes vollendete Bewußtsein ist erfüllt mit dem Glanz Gottes selber. Was das bedeutet, wissen wir natürlich jetzt noch nicht positiv, können es nur funktional in etwa ahnen; wie Brot zu Hunger, wie Geliebtsein zu Einsamkeit: so verhält sich Gottes Gegenwart dann zu unserer un-endlichen Sehnsucht nach dem All-Einen jetzt, welche in jedem Verlangen heimlich mitbrennen kann und dann bewirkt, daß die Vorfreude weit glühender als die Freude ist.
C Schluß
Der gültige Aussageinhalt der alten Bilder ist auch in diesem neuen enthalten, aber von den Schlacken eines vergangenen Weltbildes gereinigt.
I. "Auferstehung" kann die Verewigung bei Christus heißen, insofern bei der Erscheinung des Auferstandenen, dank einer doppelten Gleichzeitigkeit, es so scheint, als hätte der kürzlich Verstorbene jetzt, nach einigen Tagen, einen neuen Leib:
a) Die innere Zeit der Erscheinungsempfänger ist synchron mit ihrer eigenen äußeren Weltzeit. b) Jene innere Zeit ist aber auch synchron mit der inneren Zeit des Erscheinenden, welcher ihnen (in irgendeiner n-ten Dimension) leibhaft nahe ist. Daraus folgt dennoch nicht, daß zur jetzigen äußeren Zeit der Verstorbene einen ihr angehörenden neuen Leib hätte. Den hat er im Gegenteil nicht, darum ist die Auferstehungschiffre in einer wissenschaftlichen Zeit mißverständlich, ja irreführend.
2. "Himmelfahrt" kann die Verewigung heißen, insofern der Verewigte (in der n-ten Dimension) tatsächlich an einem (irdischem Zugriff unzulänglichen) Ort jederzeit uns gleichzeitig ist. Auch diese Chiffre ist jedoch dadurch um ihren Wert gebracht, daß der Himmel für den Zeitgenossen eben nicht mehr unzugänglich, sondern, als Weltraum, dem Blick (jetzt sogar dem Besuch) mindestens aber der Berechnung des Forschers durchaus offensteht.
3. Im Rahmen dieses Modells entgeht die Auffassung von Ostern den zwei polaren Mißverständnissen:
a) als ginge bloß "die Sache Jesu" weiter, ohne persönliches Da-Sein und Eingreifen des lebendigen Herrn selber (das ist nicht mehr christlich gedacht; sogar Hitlers Sache geht weiter ...
b) als besagte dieses Eingreifen einen glaubenslos-wißbaren Einbruch der Metahistorie in diese Erscheinungswelt (in diesem Fall hätten die Jünger schlechthin gesehen, nicht aufgrund eines ganz bestimmten "Sehens" tatsächlich, wie wir, geglaubt!).
Unser Denkbild vermittelt: Bei Jesu Verewigung wird sein gesamtes irdisches Dasein verklärt und in sich gegenwärtig; zugleich kann Christus - dem nachösterlichen inneren Jetzt seiner Freunde gleichzeitig - frei und von sich aus, wem er will, die Augen öffnen für die bleibende Gültigkeit des Geschehenen - von den alten Schriften über ihn bis zu Golgotha (sowie, dürfen wir hinzusetzen, dem letzten Ereignis der Kirchengeschichte). Von außen gesehen (gegen b) muß dabei nichts weiter geschehen sein als eine der stets möglichen tausend Neuinterpretationen alter Geschichte. (Damit soll ein "parapsychologisches Mehr" natürlich nicht abgewiesen, sondern lediglich für dogmatisch irrelevant erklärt werden.) Von innen her (gegen a) ist es uns Christen klar, daß wir dieses Licht nicht eigenem Grübeln, sondern je dem Entschluß des vollendeten Herrn verdanken: Brannte nicht unser Herz in uns, als Er uns die Schrift auslegte?
4. Der "jüngste Tag", an dem ohne unsere Mitwirkung Gottes Reich über die Welt hereinbricht, kommt in unserem Modell insofern vor, als ja eben nicht (wie manche anzunehmen versucht sind), ,mit der Zeit" die vollendete Welt ersteht. Vielmehr kommt es zu ihr gerade bei der Ablösung einer beendigten Weltgestalt von der weiterwandernden Zeitebene, und zwar nicht kraft innerer Mächtigkeit des Endlichen, sondern weil der Schöpfer des Endlichen auch sein Vollender sein will. Horizontal ist das Eschaton also unerreichbar. Insofern andererseits die Basis des ewigen Lebens nichts anderes als das verewigte irdische Leben selber ist, wird auch das Anliegen der Evolutionisten erfüllt, vor allem die Verantwortung für das Zeitliche kaum überbietbar stark betont.
Noch eine Bemerkung zur eschatologischen Grundstimmung: Die ursprüngliche Naherwartung ist unwiederholbar. Mir scheint aber nicht nur, sondern ich weiß, daß die dargelegte Schau der Dinge in der Lage ist, einen ähnlich hoffnungsfroh und um das gewaltsame Verströmen des kostbaren Lebens unbekümmert zu machen, wie die Urchristen es offenbar waren, gewesen sind!
5. Zusammenfassung: Der Vorteil der vorgeschlagenen Kategorie "Verewigung" scheint also darin zu liegen, daß sie einerseits nicht den Vorwurf der Mythologie zu fürchten hat, andererseits aber doch der christlichen Ostergewißheit und Ewigkeitshoffnung ein kräftiges Vorstellungsmodell bietet - bestimmt genug, um wirklich gedacht und nicht bloß daherbekannt zu werden, aber auch unbestimmt genug, um Gottes Geheimnis zu wahren.
WAS "HEUTE" WAR, KANN NICHT VERGEHN, DAS HERZ DER ZEIT IST GOTT.
Veröffentlicht in "Katechetische Blätter" 95/1970, Nr. 4, S. 233 ff.
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