Jürgen Kuhlmann: Kat-holische Gedanken
DIE TATEN DES EINFACHEN GOTTES
Eine römisch-katholische Stellungnahme zum Palamismus
Rom 1965
Inhaltsverzeichnis
IV. Systematischer Teil
C) Die Unendlichkeit des Geschöpfes
"Weder darf man das Geeinte zertrennen noch das Unterschiedene vermischen." (Dionysius, DN II 2,640A) In der Christologie hat diese Richtschnur bereits zu klarem Denken geführt. Es sei darum der Versuch gemacht, an ihr auch einen gültigen Begriff der Übernatur abzulesen.
Das Unterschiedene vermischt, wer nicht eine letzte und ewig bleibende Verschiedenheit von göttlichem und geschöpflichem Was anerkennt. Das Geeinte zertrennt, wer nicht beides sowohl von Gott wie vom Geschöpf aussagt. Das Unterschiedene vermischt, wer nicht eine bleibende, letzte Verschiedenheit von göttlichem und geschöpflichem Wer anerkennt. Das Geeinte zertrennt, wer nicht beidem sowohl Göttlichkeit wie Endlichkeit zuspricht.
Gott hat wesenhaft die göttliche Natur inne und nimmt aus Gnade die menschliche an. Der Mensch hat wesenhaft die menschliche Natur und wird in Gnaden in die göttliche aufgenommen. Dies sind die beiden Seiten der Übernatur; wir sprechen im folgenden nur von der zweiten: das unendliche göttliche Was kommt einem geschaffenen Wer in aller Wahrheit zu: geschaffene Person in unendlicher Natur. (Wem diese Redeweise im Zeitalter der Existentialtheologie vielleicht unerträglich vorkommt, der wolle berücksichtigen, daß eine Auseinandersetzung mit ihr nicht nebenbei erfolgen kann und deshalb auf ein eigenes, viertes Kapitel verschoben wird.)
Zunächst sei festgestellt, daß wir wie früher nur nach dem analog einen Begriff der Übernatur fragen; darum wird vom Unterschied zwischen Gnade und Glorie abstrahiert, dh die Gnade vor allem in ihrer himmlischen Vollendung angeschaut.(17)
1) Das geschaffene Wer erhält teil am göttlichen Was.
Vielleicht meint mancher, diese These in ihrer uneingeschränkten Kürze zerhaue den gordischen Knoten eher als ihn zu lösen. Es mag aber sein, daß gewisse Knoten sich nur auf diese Weise lösen lassen. Weil mir die These nichts anderes zu sein scheint als eine technische Wiedergabe des traditionellen kirchlichen Glaubens, deshalb läßt sie sich natürlich, als solche, nicht positiv aus den unsystematisch sprechenden Quellen erweisen. Es bleibt aber die Aufgabe, dem fundamentalen Einwand gegen sie zu begegnen; er sei der Klarheit zuliebe viermal verschieden formuliert:
a) Gott ist reine Selbst-Notwendigkeit; vergöttlicht werden hieße also notwendig werden; notwendig kann man aber nur sein, nicht werden: also gibt es keine Vergöttlichung.
b) Gott ist reine Wirklichkeit und kann mit keiner Potenz zusammengedacht werden. Soll das Gewehöpf aber wirklich aus Gnade vergöttlicht werden - und nicht nur, idealistisch, erkennen, daß es "im Grunde" immer schon Gott ist - so muß es in ihm eine Art "Potenz zur Vergöttlichung" geben. Die Verwirklichung einer Potenz aber ist nie der reine Akt. Also gibt es keine Vergöttlichung.
c) Die göttliche Natur ist eine substantielle Wirklichkeit. Weil das.Geschöpf aber bereits von Natur Substanz ist, kann es nicht entitativ-substantiell, sondern allein akzidentell-intentional übernatürlich erhoben werden. Es gibt zwar eine Übernatürlichkeit, nicht aber eine Übernatur, eine Teilhabe an der göttlichen Natur als Substanz.
d) "Was an Gott sichtbar ist, ist auch teilhabbar" (18); also gibt es keine Schau des Wesens; denn das innere Was Gottes ist nicht teilhabbar. Nur weil die Lateiner den Obersatz leugnen, können sie die Schau des Wesens halten - darf man ihn aber leugnen, sprechend von der lautersten Einfachheit Gottes?
Diese Einwände wird es zu lösen gelten. Dazu bedarf es freilich einiger Vorüberlegungen.
Beginnen wir mit der Frage: Ist die Tat der Vergöttlichung für Gott innen oder außen? Sie scheint keines zu sein; denn sofern sie an einem bestimmten zeitlichen Geschöpf geschieht, gehört sie nicht zum ewigen Innen; sofern sie aber keinerlei äußere Wirkung setzt, ist sie auch keine Tat nach außen. Umgekehrt scheint sie beides zu sein: da sie ein Geschöpf zum Partner hat, richtet sie sich nach außen, insofern sie ihm an der göttlichen Natur Anteil gewährt, hat sie ihr Ziel innen.
Die Kategorien versagen. Das nimmt nicht wunder; denn die Tat der Vergöttlichung hat zum wesentlichen Inhalt nicht eine Natur oder einen Umstand einer Natur, sondern ein neues Verhältnis. Solche Taten kommen aber in der Kategorientafel des Aristoteles nicht vor. Für ihn ist "unter allen Kategorien die Relation am wenigsten ein Sein" (19) und dabei ist es in der scholastischen Philosophie fast bis heute geblieben.
Die Frage "Außen oder Innen" fragt nach dem Was, in welchem, als ihrem Medium, die Tat geschieht. Für die Relation von Wer zu Wer, den Hauptinhalt der Tat, ist dieses Medium aber erst sekundär bedeutsam. Nicht wozu Gott sich und mich macht, sondern zu wem Er sich für mich und mich für sich macht, das ist das Wichtigste. Wie stehen wir zueinander? Dieses Wie ist neben Wer und Was die dritte Grundgröße unseres Systems. Ein und dasselbe Verhältnis kann mehrere ganz verschiedene Wie nebeneinander haben (Vater-Sohn / Chef-Sekretär). Von Natur aus sind wir Gottes Werk und Er unser "Dichter" in schlechthinniger Überlegenheit. Dieses Wie der Relation bleibt in Ewigkeit.
Zu ihm hinzu tritt, als Inhalt der Gnadentat Gottes, ein weiteres Wie: das wechselseitige echter Partnerschaft. Beide Wie sind aufeinander unrückführbar und bestehen ineinander. Petrus hat in Jesus seinen absoluten Herrn verehrt und konnte ihm auch als seinem Freund zulachen. Beides geht sogar zusammen, ist aber nicht das gleiche.
Jedes Wie zweier Wer nun bedarf eines Was als gemeinsamen Mediums. Was des natürlichen Wie ist das Sein, Gottes Denken und des Geschöpfes Gedachtsein. Was des Gnadenwie ist sowohl das endliche Wesen (Gott bei uns auf der alten und neuen Erde) als auch das unendliche Wesen (wir bei Gott im Himmel Seiner Göttlichkeit). Zudem ist das göttliche Was nicht nur neutrales Medium, sondern bringt mit sich ein weiteres Wie: die Teilhabe an den innergöttlichen Relationen.
Die Begriffe sind erarbeitet, jetzt seien sie mit Leben erfüllt. Neben vielen Teilbildern für die Vergöttlichung kennt das NT zwei, die anschaulich zugleich das neue Wie und das neue Was enthalten und somit eine sowohl personalistische als auch ontologische Theologie erfordern: Hochzeit und Adoption. Von der Adoption spricht Paulus, von der eschatologischen Hochzeit vor allem die Apokalypse. Warum nicht einmal, statt über diese biblischen Kategorien hinaus, tiefer in ihren Sinn hinein dringen?
Beginnen wir mit der Adoption. Sie ist ein ungeheures Paradox, hat nämlich zum Ausgangspunkt ein rein äußeres Verhältnis und als Ziel ein Innenverhältnis, dem es eigen ist, wesentlich und von Natur aus nie anders als innen zu sein: die Sohnschaft. Deshalb gibt es unter Menschen nur eine Annahme an Kindes statt; die Gnade aber ist keine juristische Fiktion.
Eine wahre Adoption kann nur als unbegreifliche Folge zweier Akte vorgestellt werden. Erster Akt: Der König läßt einem Sklaven sagen, er wolle ihn adoptieren; der Sklave läßt ihm melden, er nehme mit Dank an. Zweiter Akt: Der Vater spricht mit dem Prinzen. Der zweite Akt wäre um nichts anders, auch wenn kein erster vorhergegangen wäre. Sobald nach der Adoption einer der Partner auf sie zurückkäme.und dadurch dem früheren Außen irgendeine Bedeutung für das jetzige Innen beimäße, wäre das innige Verhältnis zerrissen und die Adoption negiert. Denn Sohn kann man nicht so werden, daß man je als Nicht-Sohn doch gewesen wäre. Der zweite Akt stellt also nicht die Adoption dar, sondern ihr Ziel, die Sohnschaft.
Was ist der erste Akt? Auch er enthält nicht die Adoption, vielmehr nur ihre Verheißung an das Geschöpf. Diese Verheißung ist eine Tat Gottes nach außen, aber nicht, wie die Schöpfung, positive Setzung eines endlichen Inhalts, sondern sozusagen ein "negativer Gedanke Gottes": Du mein Geschöpf sollst nicht nur Geschöpf sein! Auch für den Empfänger ist diese Verheißung nichts Positives, sondern die kategorial nie ganz einfangbare negative Grundbefindlichkeit: alles ist also anders als es scheint und ich werde es noch erleben - wie aber, das ist unvorstellbar. Diese schöpferische Negation, die Aufhebung der bloßen Geschöpflichkeit, ist nicht zu verwechseln mit der positiven Erschaffung eines ausdrücklichen Wissens um sie im endlichen Bewußtsein des Geschöpfes: das bewußte Erleben von Sehnsucht und Hoffnung ist positiv-endlich - wenn es nicht überhaupt fehlt.
Wir stehen also vor dem wunderlichen Ergebnis, daß sich die Tat der Adoption selber gar nicht vorstellen läßt, sondern nur ihr Ausgangspunkt, die Verheißung an das Geschöpf, sowie ihr Ziel, die volle Sohnschaft. In unseren Begriffen gesagt: die übernatürliche Adoption ist der Schritt vom bloßen Verhältnis Schöpfer/Geschöpf (natürliches Wie im Sein als Was) zur Teilhabe an der Sohnschaft des Eingeboreiaen (innergöttliches Wie im göttlichen Was). Es fehlt im Bild der Adoption die Vermittlung: das gnadenhafte Wie als solches, Gott und Geschöpf in Partnerschaft.
Hier hilft der andere biblische Vergleich weiter: die Hochzeit. Die Schöpfung ist Braut des Sohnes. Er hat sich "in forma servi" der Magd verlobt und erhebt sie zum eigenen Rang. Auch hier können wir zwei Momente unterscheiden: 1) Im Schoß des reinen Geschöpfes nimmt das Wort die menschliche Natur an und erschafft so den Raum persönlicher Begegnung: gnadenhaftes Wie im endlichen Was; Geheimnis des 25. März. 2) Der König des Alls nimmt Seine Königin zu sich und stattet sie aus mit der Fülle der eigenen Natur: das persönliche Verhältnis bleibt dasselbe, jetzt aber im lichten Raum der Gottheit; gnadenhaftes Wie im unendlichen Was, Geheimnis des 15. August.
Mit Hilfe dieser biblischen Bilder vermögen wir nun die "Etappen" der Vergöttlichung begrifflich auseinanderzuhalten:
1) Verhältnis des göttlichen Wer zum geschaffenen Wer im Raum des Seins: Negation der Letztbedeutsamkeit dieser Wirklichkeit. Negative Grundbefindlichkeit im Geschöpf, dargestellt durch die Verheißung der Adoption an den Sklaven.
2) Verhältnis des göttlichen Vier zum geschaffenen Wer auf die Weise des gnadenhaften Wie und im Raum der endlichen Natur; Menschwerdung des Sohnes, dargestellt durch die Verlobung im Draußen.
3) Verhältnis des göttlichen Wer zum geschaffenen Wer auf die Weise des gnadenhaften Wie und im Raum der unendlichen Natur. Ewiges Leben des Geschöpfes, dargestellt durch die Hochzeit im Innen.
4) Verhältnis des göttlichen Wer zum geschaffenen Wer (insofern dieses ein Geist mit dem Sohne, mit Ihm identisch geworden ist), nunmehr auf die ewige Weise des innergöttlichen Wie und im Raum der unendlichen Natur. Teilhabe an der Sohnschaft des Einziggeborenen, dargestellt in der erfüllten Adoption.
5) Von einer letzten Etappe wage ich nur mit den Worten eines Großen zu sprechen: auch am einen Gott als dem einzigen Wer und Ich erhält das Geschöpf Anteil: insofern Vater und Sohn der eine Gott sind, sind sie ununterschieden eine Person (20); mit ihrer Fülle identifiziert die Gnade das Geschöpf:
"Diese Seligkeit ist Gott allein wesentlich, und allen Geistern überwesentlich. Denn kein geschaffenes Wesen kann mit Gottes Wesen eins sein und in sich selbst vergehen. Denn so würde die Kreatur Gott, was unmöglich ist. Denn Gottes Wesen kann sich nicht mindern noch mehren, noch kann Ihm etwas abgehen oder zugehen. Dennoch sind alle minnenden Geister eine Wonne und eine Seligkeit mit Gott, sonder Differenz. Denn das selige Wesen, das Gottes und aller Seiner Geliebten Wonne ist, es ist so simpel einfältig, daß darin weder Vater noch Sohn noch Hl.Geist nach dem persönlichen Unterschied, noch irgendein Geschöpf ist. Aber alle verklärten Geister sind sich selbst da enthoben in eine weiselose Wonne, die ein Überfließen ist über alle Fülle, die irgendeine Kreatur empfangen hat oder irgend empfangen kann. Denn da sind alle erhobenen Geister in ihrem Überwesen eine Wonne und eine Seligkeit mit Gott, sonder Differenz. Und da ist die Seligkeit also einfältig, daß da nimmermehr Unterschied hineinkommen kann. Und dies begehrte Christus, als Er.Seinen himmlischen Vater bat, daß alle Seine Geliebten in eins vollbracht würden, so wie Er eins ist mit dem Vater in Wonne, vermittels des Hl.Geistes. Also bat Er und begehrte, daß Er in uns und wir in Ihm und in Seinem himmlischen Vater eins werden in Wonne, vermittels des Hl.Geistes. Und dies dünkt mich das minniglichste Gebet, das Christus je tat zu unserer Seligkeit." (21)
Zwei dieser Etappen bieten noch besondere Schwierigkeiten. Dank der vierten hat das geschaffene Wer teil an der Sohnschaft des Wortes. Da läßt sich fragen: wird der Begriff "geschaffenes Wer" nicht überdehnt und wertlos, wenn er schließlich auch noch mit der Personhaftigkeit des Sohnes selber identisch ist? Das Wer will doch gerade den sich stets gleich bleibenden Empfänger aller hohen Geschenke Gottes meinen: wie kann dann mit Recht auch noch die göttliche Sohnschaft in es hineinverlegt werden statt in ein geschenktes Was?
Darauf scheint zunächst zu sagen: Wie immer das Nacheinander jener Etappen auch aufzufassen ist, es darf auf keinen Fall so verstanden werden, daß irgendeine von ihnen je einfach überstiegen würde. Keine widerspricht der anderen, jede bleibt gültig für immerdar. Der Unterschied zwischen Christus und uns ist also allein dadurch schon gesichert, daß Er der Sohn ist, und wir in Ihn auf genommen werden.
Doch bleibt das Problem: Kann etwa ein Wer nicht nur ein neues Was oder Pol eines neuen Wie, sondern sogar ein anderes Wer werden, ohne seine Identität mit sich selbst zu verlieren? Die Frage ist sehr berechtigt und zwingt uns zu einer kurzen trinitarischen Überlegung.
Halten wir uns wieder an das Phantasma. Vielfach stellt man sich das Verhältnis Trinität/Geschöpf etwa so vor, als schwebten in unendlicher Höhe die drei göttlichen Punkte über der Niederung des Geschöpflichen und erschienen wegen der Ferne als ein einziges Gestirn: nach außen wirkt Gott als der Eine. Jene Vorstellung leitet jedoch das Verständnis dieses Axioms in die Irre. Es besagt nur, daß nicht verschiedene Geschöpfe verschiedene Beziehungen zu den göttlichen Personen haben. Dabei bleibt aber wahr, daß Gott auch als Schöpfer dreifaltig ist. Die Schöpfung steht als unendlich minder wirkliches "Beiwort" sozusagen fern am Rand des ewigen Wortes dem Schöpfer gegenüber, hat als solche schon ihren Bestand im Wort. Nicht zur Worthaftigkeit als solcher also gelangt sie dank der Vergöttlichung, sondern zur göttlichen Fülle und Inhaltsschwere des Wortes, das sie werden darf. Die ersten drei Etappen der Vergöttlichung spielen sich ganz im Worte ab; darum bleibt die innerste Worthaftigkeit, dh trinitarische Bezogenheit des geschöpflichen Wer noch verborgen; erst bei der vollzogenen Adoption wird sie offenbar (22): Geschenkt ist die Fülle des göttlichen Was, geschenkt das Wie des Verhältnisses von Vater und Sohn: immer schon (und zwar von jeher auf dieses Geschenk hin!) "mein eigen" aber ist der armselige Kern jener Bezogenheit: mein Wer als Relation des Beiwörtleins auf den es sprechenden Schöpfer. In diesem Sinn ist das Erschaffen wie für die Bibel, so auch für die Theologie ein Proprium des Vaters, nicht nur eine Appropriation! Allen Personen gemeinsam ist es in dem weiteren Sinn: das Geschöpf durch einen besonderen Ratschluß verursachen. Für den Vater heißt das: ein Beiwort sprechen wollen. Für den Sohn heißt es: Urbild eines Bildes sein wollen.
Andernfalls gäbe es keine Adoption zur Gotteskindschaft. Jeder Bezug einer anderen Person zu mir zielt auf mein Wer; hielte es sich nicht bis ins göttliche Leben hinein als es selber durch, sö wäre eine Teilhabe am göttlichen Leben unmöglich. Bei der fünften Etappe, jenseits der Relation, ist das bleibende Wer das Wirkliche als solches; weil ich bin, darum vermag ich ohne Identitätsverlust sogar am Ursprung allen Seins selber Anteil zu erhalten. Nur weil ich also als vergöttlicht noch bleibe, wer ich bin, kann ich werden, was und wie ich von Natur nicht bin.
Wie kann nun aber die dritte Etappe verstanden werden? Hier steht die nicht göttliche Schöpfung als solche dem ewigen Gott bleibend gegenüber und zwar, wie behauptet, innerhalb der göttlichen Natur! Das scheint aber unmöglich. Wie kann die unendliche "potentia oboedientialis" mit Gottes innerem Leben erfüllt werden und dennoch als Geschöpf, also als Potenz, im reinen Akt dieses göttlichen Lebensx bestehen bleiben?
Jetzt sind wir im Herzen des Geheimnisses. Versuchen wir es darum mit einer analogia fidei: Ähnlich wie der Vater dem Sohn gegeben hat, das Leben in sich selbst zu haben (Joh 5,26), so wird das Wasser, das Jesus uns geben wird, in uns zum Quell werden (Joh 4,14); zwar ist, Quell zu sein, das Vorrecht von Gottes Herrlichkeit: doch eben diese Herrlichkeit hat aus Gnade das neue Jerusalem wirklich inne (Apk. 21,11).
Manche Jahrhunderte hat es gebraucht, bis das christliche Denken einen Unterschied im Wer bei identischem Was zu fassen vermocht hat; ohne den Begriff einer "abgeleiteten Ursprünglichkeit" kommt die Trinitätslehre nicht aus; ohne den nämlichen Begriff in analoger Verwendung kann es auch keine klare Gnadenlehre geben.
Wie des Sohnes Hervorgang das Innen des Vaters nicht verändert oder veräußert, vielmehr mitteilt, so wird auch das Innen Gottes bei der Vergöttlichung der Schöpfung nicht verändert oder veräußert, aber mitgeteilt. Wie der Name "Gott" ursprünglich in einem das göttliche Wesen und den Vater als göttlichen Ursprung bedeutete, dann aber gemeinsamer Name von Vater und Sohn wurde, so bedeutet das Wort "göttlich" zunächst in einem die göttliche Natur,und Gott selbst als Urgottheit, muß aber dann zum gemeinsamen Namen von begnadigendem Gott und begnadigter Kreatur werden. Und wie das Wort Sohn von der Bezeichnung endlicher Größen (König, Volk) langsam zu göttlichem Rang emporwuchs, so kann das Wort "Potenz" aus einer Bezeichnung endlicher Wirklichkeiten zur "mystischen Potenz" werden, die zwar geschaffen, aber nicht endlich ist. Sie ist nicht vom reinen Akt des göttlichen Wesens als Was von Was unterschieden, vielmehr innerhalb seiner von Gott, der dies von Natur ist, als die es aus Gnade ist: wie Wer von Wer also. Allein als hypostatische Relation der schenkenden Fülle in Person zur dankbaren Erfülltheit in Person kann und muß innerhalb des unzusammengesetzten göttlichen WORTES der Unterschied von Urgottheit und Vergöttlichtheit bestehen; der Begriff "göttliche Person" ist mithin analog und umfaßt die drei göttlichen Personen von Natur aus sowie, ihnen als einer ungeschaffenen Gnädigkeit gegenüber, die eine unendliche geschaffene Gnade. (Wie man sieht, wäre jedes Sprechen von "vier göttlichen Personen" ein verleumderisches Mißverständnis. Insofern das Wort zu Vater und Hl. Geiste ist, hat es sich die Schöpfung zu einem Geiste verbunden: drei Personen. Insofern der Sohn seiner Braut gegenübersteht, ist er eins mit Vater und Geist: zwei Personen. Auf frommen Gemälden mögen weiterhin vier Personen zu sehen sein: für ein exaktes Denken ist eine solche Addition platterdings Unsinn.)
Nunmehr tut sich abermals ein schweres Dilemma auf: entweder die endliche Natur des Geschöpfes ist für die Vergöttlichung notwendige Voraussetzung oder nicht. Wenn ja, dann ist ein Endliches mitbegründend für eine unendliche Wirklichkeit. Das ist aber gegen die absolute Unterschiedenheit von göttlicher und endlicher Natur. Wenn nein, dann wäre das, was ich ursprünglich bin, für mein letztes Ziel so bedeutungslos, daß es nie nötig gewesen wäre. Eine solche Ansicht scheint aber eher buddhistisch als christlich und müßte, bei aller systematischen Klarheit, dennoch von einem gesunden Glauben abgelehnt werden. Kurz: das Außen der Schöpfung darf keinesfalls in ihr vergöttlichtes Innen eintreten, und dennoch darf die Schöpfung nicht nur Innen sein. Wie ist das zu verstehen?
Die Lösung liegt in der Wahrheit, daß ein Nichts keine Person sein kann. Die unendliche Leere des Geschöpfes, seine mystische Potenz, ist zunächst einmal Nichts. In einem Nichts als Natur kann jedoch auch vom allmächtigen Gott keine Person begründet werden. Die unendliche Leere kann aber auch nicht schon von vorneherein mit der göttlichen Fülle erfüllt sein: dann wäre sie ja nicht als absolute Leere begründet - zu dieser gehört es vielmehr, daß sie, als Person, keinerlei Anspruch auf die Vergöttlichung hat. Wäre sie aber als teilhaft der göttlichen Fülle schon konstituiert, so könnte sie als Person ohne diese Göttlichkeit nicht einmal gedacht werden: die Übernatur wäre für sie Natur. Eine natürliche Übernatur ist aber ein Unbegriff. Die unendlich arme Potenz kann also, soll sie als Person in Demut auf Gott hingeordnet sein, weder nur das reine Nichts noch gleich die Gottheit zur Natur haben, dh sie kann allein in einer endlichen Natur verwirklicht werden.
Es kommt aber auf die Erkenntnis an, daß keineswegs diese endliche Natur vergöttlicht wird; das wäre gegen Chalkedon. Sie ist vielmehr nur das notwendige positive Woran der unendlichen Potenz, also eines wesenhaft aus sich Negativen. Diese unendliche Potenz ist eine reine Befindlichkeit, zwar geschaffen, aber nicht der Ordnung endlicher Vielheit angehörend. Sie ist eine und dieselbe in allen Geistgeschöpfen und darum (wie auch die verschiedenen Schritte ihrer Verwirklichung) nicht zu verwechseln mit ihrer Abspiegelung in den verschiedensten endlichen Gemütern, wo eine reflexe Unendlichkeitssehnsucht mehr oder minder stark auftreten - oder auch ganz fehlen kann. Die Wurzel solcher Sehnsucht und ihr tiefer Inhalt aber ist die eine reine Potenz als solche. Sie, in ihrer Negativität, ist das eigentliche Sein des Geistgeschöpfes.
Durch die Tat der Vergöttlichung nun erfüllt Gott aus reiner Güte diese unendliche Potenz mit Seiner eigenen unendlichen Wirklichkeit, obwohl die Kreatur keinen Anspruch darauf hat. Dadurch wird das "reine Was" des Geschöpfes aus der an sich negativen zur positiven Befindlichkeit, und der Unterschied im Was zwischen Fülle Gottes und geschöpflicher Leere wird zu einem (rein hypostatischen) bleibenden Gegensatz von Urfülle und Erfülltheit. Nunmehr hat das geschaffene Wer aus Gnade eine positive Unendlichkeit im Was und ist darum nicht mehr nur auf ein endliches Was angewiesen, um Person zu sein: in der Wirklichkeit des göttlichen Innen stehen sich Gott und vergöttlichtes Geschöpf wahrhaft gegenüber, ohne daß das endliche Was irgend in dieses Innen hineinspielte.
Damit ist die Schwierigkeit gelöst: Einerseits tritt nichts Endliches formal ins göttliche Innen ein, andererseits ist und bleibt die endliche Natur dauernd notwendiger Ausdruck der Grundwahrheit, daß ich auch unvergöttlicht möglich wäre und somit die Gnade nicht hoch genug rühmen kann. Kurz: Die Unendlichkeit gehört schon zur Natur des Geistgeschöpfes, kann aber, weil sie da eine reine Leere ist, nicht seine einzige Natur sein. Durch die tatsächliche Vergöttlichung wird diese Leere in ihrer eigenen Ordnung erfüllt. Wenngleich all dies, als geistige Wirklichkeit, auch irgendwie bewußt ist, so wird es uns doch in diesem Leben deutlich nur als bestimmende Tiefe endlicher Erlebnisse. Die mystische Potenz als solche ist letzte Sehnsucht nach Un-endlichkeit und letzter Dank an Gott für sie; ihre Erfülltheit mit der Teilhabe am Sohn ist das reine Bewußtsein, des Vaters Du und Kind zu sein; ihre Erfülltheit mit dem Hl.Geist ermöglicht es, sich im Frieden mit Gott zu wissen; der Vater selbst endlich kommt erst jenseits des Todes in uns als der Himmel unendlich klarer Erkenntnis und Wonne über der neuen Erde letztverklärter Endlichkeit.
Nicht erst im Himmel aber, sondern auch schon hier ist Erfülltheit einer Leere die Fülle nur dadurch, daß sie entweder fehlen könnte (übernatürliches Existential = Teilhabe am Sohn), fehlen kann (heiligmachende Gnade = Teilhabe am Hl.Geist) oder noch stets fehlt (Schau Gottes = Teilhabe am Vater) sowie, wenn sie wirklich ist, sich ganz der Gnade Gottes verdankt. Nicht aber ist die endliche Natur irgendwie eine Potenz, die mehr oder minder mit der übernatürlichen Wirklichkeit erfüllt sein kann. Als solche Vermischung von Endlich und Unendlich darf weder das Gnadenwachstum noch die Verschiedenheit der Schau erklärt werden (darauf kommen wir noch zurück). Vielmehr ist die Vergöttlichtheit entweder unmöglich oder ebenso einfach und unteilbar wie Gottes Wesen in Sich selbst.
Jetzt sind wir in der Lage, auf die oben gebrachten Einwände einzugehen. Der erste wollte die Unmöglichkeit der Vergöttlichung daraus herleiten, daß Gott notwendig ist, während kein Geschöpf es je werden kann. Nun ist "Notwendigkeit" ein analoger Begriff. "Gott ist notwendig und alles außer Ihm kontingent" diese simple Konzeption ist nicht falsch, nur darf man sie nicht heimlich für das letzte Wort der christlichen Metaphysik halten. Thomas dachte differenzierter: "Nihil enim est adeo contingens, quin in se aliquid necessarium habeat." (I q86 a3 c)
a) Die Notwendigkeit der Körperdinge. Abstrakt gesprochen hätte Gott die Möglichkeit, die untergeistige Welt wieder zu vernichten; denn nichts in den Dingen verlangt nach dem Sein. Dennoch ist Gottes Schöpferwille Gewähr dafür, daß die Dinge bestehen: weil Er es so will, sind sie mit einer gewissen (äußeren) Notwendigkeit. Sie ist keineswegs etwa "hypothetisch", sondern das Wirklichste der sichtbaren Welt.(23)
b) Die Notwendigkeit der Geistgeschöpfe. Ihnen spricht Thomas gar eine "absolute Notwendigkeit" zu, und das schon im natürlichen Bereich!(24) Der Grund dafür ist, daß Notwendigkeit durchaus mit Verursachtheit zusammengehen kann: auch echte Notwendigkeit läßt sich einem andern verdanken (25). Diese Sätze werden manchen überraschen. Man sollte nicht zu schnell bei der Hand sein, sie im Sinn der Neuscholastik abzuschwächen. Daß ich ein Geheimnis nicht begreifen kann, gibt mir kein Recht, eine Seite zu verdunkeln. Thomas hat erfahren, daß jemand, der "ich" sagen kann, dadurch zu einem Bereich gehört, der jedem Wechsel und Zufall enthoben ist. Daß mein Vater meine Mutter getroffen hat, war nicht notwendig; daß Gott überhaupt Geister erschafft, ist eine freie Tat: dasjenige aber, was diese Tat mitteilt, ist nichts bloß faktisches, sondern eine (nicht notwendige, aber wirkliche) Teilhabe an echter Notwendigkeit.
c) Die Analogie der Notwendigkeit scheint mir sogar ins Trinitätsgeheimnis hineinzureichen. Der Vater ist auf andere Weise notwendig als der Sohn; denn der Vater ist es auf ursprüngliche, der Sohn auf nichtursprüngliche Weise. Die Notwendigkeit des Sohnes ist nicht solcher Art, daß er für die Gottheit des Vaters notwendig wäre; der Vater aber ist für die Gottheit des Sohnes notwendig als sein Ursprung. Der Sohn kann dem Vater für sich selbst danken, der Vater aber ist aus sich.
Aus all dem ergibt sich, daß die Begriffe "Notwendigkeit" und "Ursprünglichkeit" keineswegs "notiones clarae et distinctae" sind, sondern im Gegenteil nur dunkles Licht über die verschiedensten Bereiche verbreiten. Damit ist der Einwand als solcher abgetan. Darüber hinaus billige Distinktionen als Lösung anzubieten, wäre unlauter. Hier gibt es nichts mehr zu begreifen. Für jetzt bleibt uns nur, in Demut unbestimmt zu hoffen, was - jetzt schon klar vollzogen - nichts als der Hochmut Satans wäre. "Abgeleitete Ursprünglichkeit", "derivierte Absolutheit" ist zwar "der Mittelbegriff der ganzen Philosophie" (26), scheint aber jedem existentiellen Vollzug ein Widerspruch. Darum tun wir gut daran, die Abgeleitetheit zu bekennen - dabei fassungslos die Ursprünglichkeit ahnend in der Hand der Gnade.
Der zweite Einwand hieß: Gott ist reiner Akt, kann also nicht Akt einer Potenz sein. Darauf ist zu sagen: das ist richtig. Es gibt in der ganzen endlichen Natur keine Potenz zur Vergöttlichung. "Si tu attingis, non est Deus", kann man zu jeder sagen, auch zu Verstand und Wille. Ihre Gegenstandsweite ist die des Seins, erstreckt sich also auf das Von-Gott-nach-außen-Gedachtsein als solches und auf alles, was darunter fallen kann, nicht aber auf Sein Wesen. Wohl können wir mit Verstand und Zunge Sein Wesen nennen (dies zu können kennzeichnet den Geist), nur auf Grund eines umständlichen Analogieschlusses aber (27). Weil wir Gott als Wer in dessen äußerem Was, dem Sein, wirklich erreichen, darum können wir Sein mit dem Wer real identisches inneres Was wirklich meinen, aber nicht mehr irgendwie positiv erreichen. (Mit dieser Gestalt der Analogielehre dürften Thomisten und Palamiten gleichermaßen einverstanden sein können.)
Keine endliche Potenz kann also Gottes Innen aufnehmen. Wohl aber ist die geschaffene Person, als unendliche Erfülltheit, hypostatisch gegen Gott unterschieden. Der reine Akt der göttlichen Natur wird nicht getrübt, sondern lauter dem Geschöpfe mitgeteilt, welches dazu nichts mitbringt als seine persönliche eere Einfachheit. Der Begriff "potentia oboedientialis" bringt das gut zum Ausdruck. (28)
Den dritten Einwand bringe der Thomist Billuart vor: Das Akzidens ist kein "ens in se et ad se", sondern ein "ens entis" und eine Affektion der Substanz: darum kann es wesentlich durch einen Bezug auf etwas Äußeres konstituiert werden. Die Substanz dagegen ist ein "ens in se et ad se" und muß deshalb innerhalb ihrer selbst konstituiert sein, unabhängig von jedem äußeren Konstitutivum und Specificativum. Deshalb kann es zwar übernatürliche Akzidentien geben, aber keine übernatürliche Substanz.(29)
Ein solches Denken ist eindimensional und wird dem Geheimnis nicht gerecht. Dieser bis heute vorherrschende Substanzbegriff scheint mehr aristotelisch als thomasisch. Alles spielt sich auf der einen, essentiellen Ebene ab; weil hier das Geschöpf schon als Substanz es selbst ist, kann jede Modifizierung nur in einem neuen Bezug von diesen festen Grenzen aus "nach draußen" bestehen. Nun hat gewiß auch schon Thomas geschrieben:
"Id enim quod substantialiter est in Deo, accidentaliter fit in anima participante divinam bonitatem."(I-II q110 a2 ad2) Welchen Sinn hat dieses Theorem jedoch an seiner Quelle? Lassen wir folgenden Text auf uns wirken:
"Id enim est de substantia rei quod cadit in eius definitione. Ens autem non ponitur in definitione creaturae, quia nec est genus nec differentia. Unde participatur sicut aliquid non existens de essentia rei: et ideo alia quaestio est an est et quid est. Unde, cum omne quod est praeter essentiam rei dicatur accidens, esse quod pertinet ad quaestionem an est est accidens." (Quodl.II q2 al)
Nicht nur auf der essentiellen Ebene unterscheidet Thomas also das Zentrum als Substanz und die Umstände als Akzidentien, sondern alles, was nicht zu meinem Wesen gehört, ist für ihn ein Akzidens: auch der innere Quellgrund von Umständen und Zentrum: meine Wirklichkeit als solche; denn ich wäre zur Not als bloße Romanfigur denkbar. Weil die Gnade selbstverständlich nicht zur Definition des natürlichen Wesens gehört, darum und insoweit heißt auch sie ein Akzidens. Sie ist aber beileibe nichts Akzidentelles im heutigen Sinn, ebensowenig wie das Wirklichsein! Der Übernatur heute die Substantialität absprechen hieße ein Mißverständnis befördern.
"Peccatum nihil est, et nihil fiunt homines cum peccant."(30) Nichts werden sie, obwohl sie ihr natürliches Sein behalten. Die Sünde ist, wie der Tod und tiefer als er, eine privatio substantialis. Wie die treulose Braut für den, der sie liebt, durch ihren Fehl sich zum bloßen schönen Traum ohne Wirklichkeit verflüchtigt, so verliert auch die Schöpfung durch die Todsünde nicht irgendein Akzidens, sondern in bestimmter Hinsicht die Wirklichkeit in Gott. kjRtx Zum Wesen des Menschen gehört die Gnade nicht, aber sie ist das neue Sein seiner selbst, und erst dann die Wurzel neuer Taten und Erlebnisse.
Der vierte, palamitische Einwand gegen die Wesensschau hat darin recht, daß die Unterscheidung zwischen entitativ und intentional wenig klärt. Denn Gott ist so einfach und innerlich, daß man Ihn nicht von außerhalb anschauen kann. Intellectus in actu est intellectum in actu. Gleichzeitig bleibt es aber Dogma, daß die Schau des Wesens uns verheißen ist. Eine Lösung scheint mir allein in der Unterscheidung zwischen Person und Natur, Wer und Was zu liegen: der Selige wird göttlich, insofern er an der Selbsthelle der göttlichen Natur teil hat, er bleibt aber dabei, als begnadigt, von Gott unterschieden, der dem Wesen nach Gott ist. Palamas selbst wies uns schon diesen Weg: Teilhabe am Wesen, aber nicht dem Wesen nach. Jenes bezieht sich auf das Was, dieses auf das Wer.
2) Die Verschiedenheit der geschaffenen Personen hat nicht Anteil an der göttlichen Natur.
Wie soll man aber verstehen, daß viele Milliarden verschiedener Personen an der göttlichen Natur teilhaben? Was wird dabei aus der absoluten Einfachheit?
Machen wir uns wieder die Analogie aller Begriffe bewußt. Die porretanischen entgehen diesem Gesetz am wenigsten. Ihre Stärke ist vielmehr gerade eine äußerste Schmiegsamkeit, dank derer sie sich jedem Problem anpassen und nur dem genau Mitdenkenden verständlich sind.
Meine gesonderte Personhaftigkeit, meine geistige Einzelheit, gehört sie zum Wer oder ist sie ein von der Person unterscheidbares Was? Innerweltlich gesprochen, macht sie mich selber als Wer aus, ist eben der Träger aller Eigenschaften; ich als dieser bin nicht etwas an mir, von dem ich auch absehen könnte. Bei den Tieren kann man in der Betrachtung abwechseln, kann einen Hund als selbständiges "quod" ansehen oder aber als im Verhältnie zu uns bloßes "quo" erkennen, als Bestandteil unserer Welt, der keinen echten Selbstand hat. Welche Betrachtungsweise tiefer und wahrer sei, ist eine philosophisch wohl unentscheidbare Geschmacksfrage.
Jeder Mensch aber ist sicher ein letztes, unrückführbares Wer. Das eben ist seine unverlierbare Würde, als dieser Einzelne Ziel und nie bloß Mittel, Punkt und nie bloß Kreis um andere Punkte, also Wer und nicht bloß Was zu sein. Auch Gott, insofern Er unser Vater und in Christus unser Bruder ist, achtet Sein höchstes Werk gerade nicht nur als Werk, sondern als Partner: Er bezieht sich auf jeden einzelnen Menschen als jetzt und immerdar anderen, als Wer und nicht nur als Inhalt der eigenen Tat. Jedem gesondert gilt die Verheißung persönlicher Auferstehung. Sofern die Übernatur ein neues Wie zwischen Gott und Geschöpf bedeutet, macht sie den Einzelnen zum Freund Gottes auf Erden.
Könnte jedoch die besondere Einzelheit dieses und jenes Menschen als solche in Gottes innerem Leben bestehen, dann liefe allerdings die Vergöttlichung der Vielen auf Vielgötterei hinaus. Auf die Teilhabe an der göttlichen Natur gesehen, gehört meine Diesheit aber nicht zum vergöttlichbaren Wer, zu dem, der ich bin, sondern zum zurückbleibenden Was, zu dem, was ich in mir allein bin.
Alle Geistgeschöpfe sind nicht nur gleich, sondern eines in ihrer unendlichen Leere: an der negativen Einheit ändert nichts die verschiedene Tönung des positiven Erlebnisses ihrer. Ebenso sind sie auch als Gotterfüllte nicht nur gleich, sondern eines. Weil das Nichts der reinen Leere nicht personbegründend ist, sind alle wartenden Geschöpfe zwar eines, doch nicht eine Person. Die erfüllte Sehnsucht aber ist, als solche, Gott gegenüber eine Person, mit der die Vielen in der Endlichkeit in herzlicher Verbindung, in der Vergöttlichtheit identisch sind. Una est columba mea. Hier treffen sich die Wahrheit des Averroismus sowie Mariologie und Ekklesiologie untereinander und mit der spekulativen Theologie überhaupt. Alle die unzählbaren Lebenslinien schneiden sich im unendlich gewordenen Zentrum der Vergöttlichtheit, dadurch zugleich neue Selbstheit und Selbigkeit miteinander gewinnend, ihre Individualität aber draußen lassend (31).
Mit den individuellen Differenzen sind freilich nicht die persönlichen Relationen zu verwechseln! Das objektive Verhältnis Maier/Müller gehört zur Endlichkeit, das darin verwirklichte existentielle, Ich/Du/Wir, ist jedoch bereits die Teilhabe am dreifaltigen Leben selbst, dh etwas Absolutes (32). "Du" meint jeweils das tiefste Selbst wirklich des anderen und ist doch ein Wort für letztlich eine Wirklichkeit:eben das Du als solches, die "zweite Person" in der Gottheit. Kuhlmann und Herr X kommen also nicht in den eigentlichen Himmel, wohl aber, so laßt uns hoffen, o mein Leser, ich und du, also auch: wir.
3) Was heißt: Gott ist unbegreiflich ?
Wenn die Seligkeit uns unbeschränkt Anteil an der Fülle der Gottheit gewährt: wird dann nicht Gott von uns begriffen? Gottes Unbegreiflichkeit aber ist ein Glaubenssatz!
Begonnen sei mit voller Zustimmung zum folgenden Satz von Palmieri: "Was immer übrigens auch die Erklärung der Unbegreiflichkeit sein mag - die Sache steht für den Glauben fest: daß Gott unbegreiflich ist." (33)
Eine der beiden einander widerstreitenden Erklärungen, auf die sich diese Schlußbemerkung bezieht, ist die uns schon bekannte thomistische Unterscheidung totus/totaliter: die subjektive Weise der Schau des Wesens Gottes selbst ist beschränkt und verschieden.
Diese Auffassung ist aber, überraschenderweise, keineswegs die einzige. So angesehene Theologen wie Suarez, Vazquez und Petavius deuten den christlichen Glauben in diesem Punkt durchaus anders.
Bei Suarez trägt im zweiten Buch seines Traktates "De divina substantia" das 29.Kapitel die Überschrift: "Warum Gott klar schauen nicht Ihn begreifen heißt und wo der Unterschied liegt." Zunächst wird die lehre "totus non totaliter" befragt: was heißt "nicht gänzlich"? Wird es vom Objekt her verstanden, so ist die Unterscheidung eitel. Bezieht sich die Einschränkung dagegen auf den subjektiven Akt des Schauenden, dann ist die Unbegreiflichkeit kein Gott eigentümliches Attribut; denn schon das winzigste Erdending wird allein von Gott mit höchstmöglicher Klarheit erschaut.(n.1-2) Darauf (n.3-12) diskutiert Suarez verschiedene nominalistische und zeitgenössische Lösungsversuche, die alle nicht befriedigen.
Seine eigene Lösung entfaltet er in n.13. Zum Begreifen gehört es, nicht nur all das zu erkennen, was zu einer Sache in ihr selbst gehört, sondern auch das mitzuerfassen, was von ihr ausgeht oder ausgehen kann. Solchermaßen wird eine Sache "gänzlich" erkannt. Weil die geschaffene Schau das nicht vermag, darum begreift sie Gott nicht (34). In n.14 heißt es, daß überdies auch die subjektive Schau des Wesens notwendig beschränkt sei; denn nur eine unendliche Kraft könne Gott unendlich erkennen.
Vazquez gibt zunächst (35) einen Überblick über die Lehre der Schrift sowie der Väter über die Unbegreiflichkeit, danach behandelt er die Frage spekulativ. Die Definition der Väter (der begreift etwas, dem nichts davon verborgen bleibt) wird nach ihm hinsichtlich der Schau des ganzen Wesens problematisch: entweder wird dann Gott von den Seligen begriffen oder man muß die Natur des Begreifens anders bestimmen. Wie begegnen die Scholastiker dieser Schwierigkeit?
Einige helfen sich damit, daß die Seligen zwar alles in Gott sehen, aber nicht in jeglichem Intensitätsgrade, sodaß doch etwas ihnen verborgen bleibt. Diese Lehre werde jedoch zumeist verworfen, führe auch zu absurden Folgen; könnte man einen Grad eines Attributes ohne einen anderen sehen, warum dann nicht auch gar das Wesen ohne die Personen? (d.53 c.1)
Darauf (c.2) beschreibt er die Ansicht des Thomas und vieler anderer: um etwas zu begreifen, müsse man es so klar erkennen wie es seiner Natur entspricht - Gott somit auf unendliche Weise. Vazquez erläutert diese Ansicht weiter: es genüge dabei zum Begreifen nicht einmal eine Unendlichkeit der Intensität; die entspräche Gott noch nicht, vielmehr bedürfe es einer Unendlichkeit auch des Seins selbst. Das aber könne kein Geschöpf erreichen, also sei die Unbegreiflichkeit, so verstanden, freilich de fide.
Doch bekenne er seines Geistes Stumpfheit: er schaffe es nicht, diese Erklärung mit Augustins Definition zusammenzubringen. Dann zeigt er (c.3) gegen die Nominalisten, wie bei der sinnlichen Erfahrung, die der Metapher zugrundeliegt, und ebenso bei der Übertragung aufs Geistige im gewöhnlichen lateinischen Sprachgebrauch immer nur vom objektiven Moment die Rede ist: der begreift etwas, dem nichts entgeht. Die subjektive Schärfe der Auffassung spielt nicht herein.
Seine eigene "facilior explicatio" (c.4) läuft auf den einfachen Gedanken hinaus: der Selige sieht alles, was eigentlich in Gott ist, nicht aber, was von Ihm abhängen kann (36). Auch bei einem Menschen sagen wir, solange wir seine Pläne nicht wissen, wir begriffen ihn nicht.
Zwei Einwände klären die Frage weiter: Genügt es nicht, ein Ding in sich selbst zu kennen, um es zu begreifen? Wozu die äußeren Folgen wissen? Antwort: Bei Körperdingen mag das so sein, im Geistigen aber gehört wirklich auch das, was ein Geist als anderes aus sich entläßt, doch so zu ihm, daß ich ihn nicht ganz begreife, solange ich seine Wirkungen nicht kenne. - Wie aber, wenn Gott einem Seligen alles offenbart, was Er tut? Wird Er dann begriffen? Nein: denn zum Begreifen gehört, daß ich die Wirkungen von innen her verstehe und nicht nur, dank besonderer Offenbarung, tatsächlich kenne.
Petavius bringt ebenfalls zuerst eine reiche Übersicht über die Tradition (37), welche seiner Ansicht nach eindeutig in die Richtung weist, die er so ausdrückt: Gott begreifen heißt Seine Kraft begreifen; unbegreifbar ist Er, weil Seine unendliche Macht vom Geschöpf nicht gefaßt werden kann.(38) Den scholastischen Begriff (der freilich nichts Falsches aussage: ein subjektiv unendliches Erkennen wäre ein Begreifen und ist uns Geschöpfen unmöglich) bezeichnet er als theologischen Spätling: "Est enim posterior haec comprehensionis ratio eruditae antiquitati prorsus ignota." (c.4.9)
Der Überzeugung dieser drei Großen der silbernena Scholastik möchte ich mich anschließen; ihre Kritik an der hochscholastischen Auffassung rührt aus besserer Quellenkenntnis her. Das Dogma von Gottes Unbegreiflichkeit bezieht sich gar nicht auf die Schau des einfachen Wesens selbst, sondern auf Gott, insofern Er planender Ursprung des Alls ist. In der absoluten Lauterkeit gibt es weder etwas zu begreifen noch unbegriffene Reste. Nicht erst Behauptung oder Leugnung, sondern schon der Begriff des Begreifens setzt eine ausgebreitete Vielheit voraus; die aber ist zwar in Gottes ewigen Ratschlüssen, nicht aber in Seinem Wesen zu finden. Auch Gott kennt die Welt nicht in Seinem einfachen Innen, sondern insofern Er sie im Außen der Vorstellung setzt. Dort umgreift Er sie, als einziger wahrer Künstler, mit einem Gesamtblick von innen her. Das endliche Geschöpf hingegen findet sich vor in einer unermeßlichen Welt und hört nicht auf zu staunen. Nie werden wir den Schöpfergott begreifen.
Ist damit das Problem gelöst? Keineswegs - vielmehr sind wir erst jetzt, da die mißleitende Distinktion Schauen/Begreifen als Truglösung entlarvt ist, wieder vor die ursprüngliche Spannung der Bibel gelangt: die reinen Herzens sind, werden Gott schauen, obwohl kein Mensch Ihn schauen kann (Mt 5t8; 1 Tim 6,16). Jeglicher Gier, für die Begreifen und Ausmessen sinnvolle Kategorien sind, ist Gott nicht unbegreiflich, sondern entrückt: ihr wehrt nicht die Unendlichkeit das Begreifen, sondern die Einfachheit die Schau! Wie wir gegen Ende des historischen Teils sahen, wurde Gottes Unschaubarkeit von den meisten Vätern, der Bibel entsprechend, zum Glaubenssatz erklärt - und dennoch verspricht uns Christus die Schau Gottes. Was sollen wir denken?
Die vorzuschlagende Lösung ist von äußersterx Einfachheit: Das Dogma der Gottesschau betrachtet, unter der Rücksicht der Erkenntnis, die Teilhabe des geschaffenen Wer am unendlichen Was. Das Dogma der Unschaubarkeit Gottes besagt die absolute Unzugänglichkeit des göttlichen Was für irgendein geschöpfliches Was. Das Dogma der göttlichen Einfachheit besagt die Unabstufbarkeit des göttlichen Was, auch sofern Gott es dem Geschöpf erschließt. Bildlich gesprochen: absolute Schau im Himmel, absolutes Geheimnis auf der neuen Erde.
Man ist vielleicht geneigt, nur eine Neuauflage des scholastischen Kniffes zu argwöhnen (welcher die Väteraussagen umbiegt, nicht erklärt): Gott sei unsichtbar für die bloße Natur aus eigenen Kräften, sichtbar kraft deren Erhebung zur Übernatur. Das wäre ein Mißverständnis. Nicht der endliche Verstand, überhaupt nichts Endliches wird, durch das Glorienlicht oder sonstwie, übernatürlich erhoben, vielmehr nicht nur als Natur bleibt der endlichen Natur die Gottesschau unmöglich, sondern schlechthin. An Gottes Innen Anteil erhält nur das reine Wer, der Kern der Person - alle ihre endlichen Bestimmungen bleiben notwendig draußen. Während die Seligen in lichter Identität am Ziel aller Sehnsucht ausruhen, bleibt diese Klarheit ihrem endlichen Verstande unauslotbares Geheimnis und werden ihre Sinne der Pracht der neuen Schöpfung nimmermehr satt. In immer neuen Aufschwüngen werden sie ins Unermeßlich-Namenlose hingerissen: ewiges Werden. Das lebensnotwendige Geheimnis, die reine Tiefe, bleibt unverletzt, obwohl die Liebe sich ganz und gar entschleiert. Auch auf der neuen Erde bleibt Platz für Ungewißheit und Tat: Zu bitterer Ernst und zu schaler Sport dieser Welt werden sich, wer weiß? zu jenem Leben des ernsten Spieles verbinden, für das sich unsere Leiber heimlich doch geschaffen wissen.(39)
Kurz: alle seligen Personen gehen als ein Personkern in Gottes Einfachheit ein; als unterschiedener Einzelner jedoch kann kein Mensch Gottes Wesen schauen. Die Kirchenväter hatten gegen eine allzu plumpe Vergottungslehre auf die tatsächliche und absolute Unsichtbarkeit Gottes für die endliche Natur zu achten. Ihr haben sie zu Recht die Tatsache der Schau abgesprochen, nicht nur deren Weise anders erklärt. Der andere Aspekt, die unbegrenzte Verheißung, schlummerte noch implizit in ihrem Glauben.
Sofern also der Mensch einer unter vielen ist, sofern er sich auf seine Vorzüge und Besonderheiten etwas zugute tun möchte: insofern heißt es von ihm: "Kein Mensch kann Gott sehen." Der Egoismus hat im Himmel nichts zu suchen - gerade weil der in uns der Aufgang des ICH selber ist. Sofern der Mensch aber ein reines Herz hat, weil Gott ihn an das Seine zieht, sofern er vergißt, was Großes und Kleines er alles ist, und nur mehr weiß, wer er sein darf: insofern wird die eine Schöpfung mit Gottes eigenen Augen Ihn schauen. Für die Verkündigung bleibt es am besten beim Begriffspaar Schau/Unbegreiflichkeit - es ist Ost und West gemeinsam. Will das Geschöpf sich aufblähen, so wird ihm das Dogma der Unbegreiflichkeit zum heilsamen Anstoß, sich zuerst auf das reine Herz zu besinnen. Ist es aber versucht, ob der ewigen Schranke zu verzagen, so wird sich der Glaube daran trösten, daß Gottes eigener Blidk wohl imstande sein wird, jenen abgründigen Traum zu erfüllen, den er lockend einsenkt in unseren Schlaf.
4) Das eine Wer: Idiomenkommunikation
Im Florentiner Dekret wird gesagt, die Gottesschau sei nach den Verdiensten der einzelnen verschieden. Wie kann dann ein geschaffenes Wer unbeschränkt am göttlichen Was teilhaben? Wo bleibt Raum für eine Verschiedenheit?
Diese unfehlbare Konzilsentscheidung ist von besonderer Art. Wie wir im dogmatischen Teil sahen, wurde der Satz von Griechen und Lateinern verschieden auf gefaßt. Die Lateiner verstanden ihn als Umstandsbestinmiung der Schau des Wesens Gottes, die Griechen als Verdeutlichung dessen, daß gerade nicht das (einfache und unteilbare) Wesen, sondern auf verschiedene Weisen in Seinen verschiedenen Energien Gott geschaut werde. Die Griechen sind es ja auch gewesen, die auf der Aufnahme dieser Bestimmung ins Dekret bestanden haben.
Wir haben also den kaum häufigen Fall vor uns, daß ein Konzilsbeschluß (Gott wird verschieden,geschaut) vom einen Teil der Väter als Ausdruck einer These aufgefaßt wurde (Gottes Wesen wird verschieden geschaut), deren genaues Gegenteil (Gottes Wesen kann nicht verschieden geschaut werden) für den anderen Teil der Väter so selbstverständlich war, daß sie eben deshalb auf den fraglichen Beschluß drangen: Gott wird verschieden geschaut, also nicht in Seinem Wesen, sondern in seinen Energien.
Was wird uns hier von der Kirche zu glauben vorgestellt? Es handelt sich um ein Unionskonzil; wenn nicht nur irgendwelche fernen Folgerungen, sondern schon das unmittelbare Verständnis der Unionsformel selbst auf beiden Seiten kontradiktorisch auseinandergeht, dann.haben wir offenbar (trotz der Unterschrift des Papstes!) nicht das Recht, willkürlich die eine der beiden historischen Auslegungen für definiert zu nehmen: die Verschiedenheit der Schau des göttlichen Wesens ist kein Dogma.
Dennoch ist es keineswegs so, als stünde dieser Nebensatz überhaupt nicht im Dekret. Griechen und Lateiner haben darin sehr wohl eine gemeinsame Glaubenswahrheit gemeinsam bekannt: nur müssen wir von den Besonderheiten der beiderseitigen ausgestalteten Theologien absehen und den Wortlaut nicht als Antwort auf eine technisch präzisierte Frage, sondern als unveränderte Weitergabe des alten Glaubens ansehen: "Im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen." Es sei also versucht, ganz abgesehen von den damaligen Verständnissen unserer Formel in ihr einen Sinn zu finden, der ihrem Wortlaut gerecht wird, beiden Teilen annehmbar ist und auch als Ausdeutung des Schriftwortes von den vielen Wohnungen gelten kann.
Eine endliche Wirklichkeit kann entweder in ihrem Was oder als persönliche Tat Gottes genommen werden. Im ersten Fall bleibt das göttliche Innen ganz außer Betracht: ich kann des Werkes Wesen ohne seinen Schöpfer kennen. Wieweit ich das Werk jedoch als persönliche Tat Gottes für mich erfasse, hängt davon ab, wie ich zu Ihm stehe, ob ich Ihm innerlich geeint bin. Bei aller Einfachheit des Innen kann das Verhältnis doch von einer Verschiedenheit im Außen betroffen und äußerlich bestimmt werden; denn eine Beziehung von Wer zu Wer ist einfältiglich innen und zugleich mannigfach außen verwirklicht (40).
"Weder darf man das Geeinte zertrennen noch das Unterschiedene vermischen." Nachdem wir bisher endliches und göttliches Was radikal unterschieden haben, muß jetzt die Einheit von Wer und Wie zu ihrem Recht kommen. Auch beim vergöttlichten Geschöpf gibt es eine "Idiomenkommunikation". Die folgenden vier Sätze sind alle gleich richtig und gleich paradox: "Gott ist müde am Brunnen gesessen." "Die Schau Gottes hat verschiedene Grade." "Ein Mensch hat die Welt erschaffen." "Das göttliche Leben in uns kann wachsen."
Hier wird jeweils vom Träger einer Natur etwas ausgesagt, was ihr unmöglich zukommen kann, wohl aber ihrem Träger in einer anderen Natur. So zu sprechen wäre töricht, wenn die beiden Naturen, göttliche und menschliche, adäquat getrennt wie zwei Klötze nebeneinander lägen. So ist es aber nicht, vielmehr ist die konkrete Menschlichkeit unverständlich ohne die übernatürliche Berufung ihres Subjektes und ebenso gehört es zu Gottes Wesen, daß Er Jesus sein kann. Die abstrakte Unterscheidung zweier unrückführharer Naturen ist nötig, darf uns aber nie die konkrete Selbigkeit von Wer und Wie vergessen lassen: Beide Bereiche sind so unvergleichlich verschieden, daß sie ungetrennt ineinander und ganz und gar eines sind, das Außen im Wer geeint und das Innen in ihm vermannigfaltigt wird. Diese Erklärung der Konzilsaussage nimmt aus der griechischen und lateinischen Auslegung je ein Moment heraus: Die Verschiedenheit der Schau bezieht sich nicht auf das Wesen, sondern auf die Taten; zu einer verschiedenen Schau Gottes selbst wird die Schau der Taten aber erst dadurch, daß dieselben - weil der Handelnde Sich uns in Seinem Wesen offenbart - auch in ihrer endlichen Verschiedenheit Ihn, den unmittelbar Vertrauten, wirklich betreffen, wenngleich (ob des unendlichen Abstands von Innen und Außen) nicht wirklich innen verschieden machen.
5) Schlichtung der Kontroversen
Zuletzt sei der dargestellte Begriff der Übernatur ausdrücklich an der Geschichte des Problems gemessen, wie wir sie aus dem dritten Teil kennen.
5.1 Die Schau des Unbegreiflichen.
a) Sowohl die Schau Gottes wie auch Seine Unbegreiflichkeit muß bekannt werden: beide haben aber entweder nicht dasselbe Objekt oder nicht dasselbe Subjekt. Das Objekt ist verschieden, weil die Schau sich auf das Wesen, die Unbegreiflichkeit auf die Schöpfertaten bezieht. Das Subjekt ist verschieden, weil nur der vergöttlicht-geeinte Personkern der Kreatur Ihn zu schauen vermag - keine endliche Natur kann Ihn begreifen oder auch nur sehen.
b) Fulgentius hat recht, insofern der ewige Sohn auch in der Gottheit der Personkern des Menschen Jesus ist. Sofern mit "Seele Christi" aber ein endliches Was gemeint ist, müssen wir den Baslern zustimmen.
c) Das endliche Was kann nie unermeßlich werden. Sein "ewiges Werden" verhindert jede Sattheit. Das Geschöpf "ruht aus", weil es als Person geschichtlich und das volle ewige Leben sein Ziel ist; Gott "ruht", weil Er als Person ewig und die Geschichte Sein Werk ist.
d) Johannes Skotus verflicht zu einem Gottes Unschaubarkeit für das endliche Wesen und die Schau Seiner selbst im geschaffenen Werk.
e) Die eine Freude ist die Teilhabe an der Wonne Gottes, die vielen Seligkeiten ihr mannigfacher Widerschein im endlichen Erleben.
f) Auch Alanus lehrt die volle Schau des einfachen Wesens und seine Unbegreiflichkeit für den endlichen Verstand; doch kann man unmöglich so, wie er es tut, zwischen quod und quo unterscheiden: denn real sind sie identisch.
g) Hier wurde, wie von Eriugena, die Schau Gottes selbst, wie Er ist, aber in Seinen Werken, mit der Unschaubarkeit des Innen für jeden Verstand verbunden - das Höchste jedoch verschwiegen.
h) Guerric hatte vor 1241 recht damit, daß Gottes Wesen ob Seiner Einfachheit nur uneingeschränkt geschaut werden kann und daß Gott als Schöpfer irgendwie eine Vielheit ist. Auch seine spätere Einsicht ist bewundernswert: sofern das Wort "unendlich" an eine unbegrenzte Erstrecktheit denken läßt, ist es kein eigentlicher Gottesname, also hindert nur eine mißverstandene Unendlichkeit die volle Schau der Einfachheit.
i) Albert unterscheidet wie wir zwischen dem ekstatisch-vergöttlichten und dem reflex-endlichen Wissen. Seine Korrektur an Fulgentius trifft in Bezug auf das endliche Was zu.
k) Des Bonaventura gleichgeordnete Polarität von Einfachheit und Unendlichkeit ist unauflöslich, solange man (in einer Art Monophysismus) die Unrückführbarkeit von göttlichem und endlichem Bereich nicht anerkennt. Wenn eine und dieselbe Natur (der endliche Verstand) den all-einfachen Gott zugleich schauen und nicht begreifen soll, dann ist ein unverständliches Paradox das letzte Wort der Theologie. Condescensio und elevatio treffen sich aber nicht in einer heimlich postulierten Mitte, sondern jene kommt bis zu uns und diese darf bis zu Gott: doch sind beide Bereiche einander nachher ebenso fern wie zuvor, und ineinander eins, wenn auch ganz und gar, nur in den Personen.
l) Zur aristotelischen Distinktion bei Thomas scheint zu sagen: Die beiden Weisen (Gott als subsistent und Gott als Akt eines geschaffenen Subjektes) können sich beim reinen Akt nicht irgendwie inhaltlich oder an Intensität unterscheiden, sondern allein hypostatisch. Hier überhaupt von "Maß" zu sprechen, scheint verkappter Monophysismus: Vermischung von Endlich und Unendlich. Daß Thomas aber auch da, wo er "Endlichkeit" sagt, "Geschaffenheit" meint, zeigt die Antwort ad8: Aus dem Nichts zu sein gehört zur Natur des Geschöpfes und diese Natur wird vom Glorienlicht nicht zerstört, sondern vervollkommnet. Erst in der göttlichen Helle wird sich das Geschöpf ganz (totaliter!) über seine Nichtigkeit klar werden, weil es ganz sieht, wer Gott ist.
5.2 Teilhabe an Gott als Gott? Die Kontroverse zwischen Suarezianern und Thomisten entspricht in etwa der zwischen Antiochia und Alexandria in der Christologie.Nur eine klare Unterscheidung zwischen Wer und Was kann - nicht das Geheimnis, aber die Theologie klären: Wir werden Gott als Gott, insofern wir an Seiner Natur unbeschränkt Anteil erhalten; wir sind ewig Geschöpfe, insofern die Vergöttlichtheit von der Urgottheit immer hypostatisch unterschieden bleibt. Curiels Einteilung der göttlichen Attribute ist nicht komplett: es gibt a) natürlich teilhabbare Attribute (Schönheit, Erkennen usw.) b) übernatürlich teilhabbare Attribute (reiner Akt, Ewigkeit) und c) die urgöttliche Personhaftigkeit als nicht ruhendes, sondern auf das Geschöpf bezogenes hypostatisches Attribut: sie kommt der vergöttlichten Schöpfung so wenig zu wie die Vaterschaft dem Sohn.
5.3 Geschaffene Aktuierung durch ungeschaffenen Akt
De la Taille hat eine großartige Intuition unzulänglich ausgedrückt. Auch er setzt geschaffen und endlich noch ineins. Hätte er das "Neue", das die Gnade bringt, statt als endliche Aktuierung durch ungeschaffenen Akt als "geschaffene Hypostase im unendlichen Akt" aufgefaßt, so wäre alles klar gewesen. Tatsächlich hat die harte Kontroverse um seinen Vorschlag nach vielen Wirren zu diesem Begriff geführt. O'Shea's reine Formalursächlichkeit, jene "unendliche, aber verursachte Einheit", die nur nach Analogie der Trinität verstanden werden kann, meint eben die geschaffene Person als Vergöttlichtheit. Doch unterscheidet auch O'Shea noch nicht deutlich genug zwischen Wer und Was, geschaffen und endlich.
Die "kosmologische Christologie" braucht durchaus nicht monophysitisch aufgefaßt zu werden; sie sieht auf die Einheit des Wer und versteht die "Verschiedenheit der Naturen" richtig so radikal, daß sie innigst ineinander sein können, ohne sich zu vermischen. Wer immer, hier oder drüben, von seinem Verhältnis zu Christus absehen wollte, wo es um das Gottesverhältnis geht, der könnte das nur in eben der Ordnung tun, wo er es auf keinen Fall darf. Solange man die Begegnung mit Jesus und die Schau Gottes derselben endlichen Fakultät zuschreibt, kann der Schein einer Konkurrenz aufkommen; Gottes eigenes unendliches Auge in uns aber sieht von Jesus keineswegs ab, sondern schaut Ihn selbst, aber nicht als Endlichen, sondern als unendlichen Abglanz des Vater auch im Endlichen.
5.4 Personale Kategorien. Die Unterscheidung von Wer und Was will auch ein Ausgleich von personalistischer und ontologischer Theologie sein. Die eine achtet mehr auf das gemeinsame Was, die andere mehr auf die bleibende Bezogenheit von Wer und Wer.
Der Einwand gegen die Möglichkeit einer persönlichen Beziehung von Gott und Geschöpf löst sich auf: Gott ist zwar in Sich drei Personen, dem begnadigten Geschöpf gegenüber aber ist Er in einem wahren Sinn eine Person. Der Hl.Geist ist der Geist Jesu, und "wer mich sieht, sieht den Vater".
Das Begriffspaar Wer/Was ist allein aus sich selbst zu verstehen, eine Anleihe bei den philosophischen Kategorien Form und Materie führt nur zu Einseitigkeiten und neuen Differenzen; denn sie wird der strengen Gleichwertigkeit aller Momente der Teilhabe am Absoluten zu wenig gerecht.
5.5 Waren die Väter rechtgläubig?
Wem die vorgeschlagene Lösung dogmatisch immer noch verdächtig ist, der suche einen anderen Weg, die Väteraussagen über Gottes Unschaubarkeit ehrlich mit dem späteren Dogma der Schau des Wesens auszugleichen. Bis das gelungen ist, bleibt die übliche lateinische Theologie der Übernatur im Verdacht ungewollter Vermischung von Endlich und Unendlich. In solcher Lage wähle dann, bis etwa die Kirche selbst entscheidet, jeder das Risiko, das ihm geringer scheint.
Anmerkungen (*17) Trotz der nur analogen Einheit des gesuchten Begriffs ist dieses Verfahren erlaubt; denn über das Verhältnis von Gnade und Glorie ist man sich keineswegs einig, so daß eine angemessene Behandlung unseren Rahmen sprengen würde. Ein Hinweis sei dennoch gestattet: Mir scheint, die Lösung liege in einer ökonomischen Trinitätslehre. Die Gnade ist (immer in Christus!) Teilhabe am Hl.Geist, der göttlichen Liebe, während die Glorie Teilhabe am göttlichen Bewußtsein, dem Vater ist - das "übernatürliche Existential" aller Menschen aber, ihr Berufensein zum Kinde Gottes, ist Teilhabe am Wort und Sohn als solchem. Der immanenten Perichorese, der Teilhabe des Wortes an den anderen Personen, entspricht ökonomisch die ewige Geschichte des im Wort geschaffenen Geistes.
(*18) PALANAS, Tr III 2 13; 667,22
(*19) Metaphysik 14,1088 a 23
(*20) Der eingebürgerte Sprachgebrauch darf hier einmal der besseren Aussage des Geheimnisses weichen: kein Theologe wird leugnen, daß alles, was wir im Begriff "Person" denken, auch vom Einen Gott gilt. Augustinus gab das noch unbefangen zu (vgl.oben S.188).
(*21) J.RUUSBROEC, Boecsken der Verklaringhe III B c(Werken III, 1947,S. 294)
(*22) Vom geschöpflichen Ausgangspunkt der Adoption sprechend, hat Thomas also recht, wenn er (S.Th. III q23 a2 c) die Adoption als eine "Wirkung in den Geschöpfen" der ganzen Trinität zuschreibt. Die Negation der bloßen Geschöpflichkeit, die Verheißung der Adoption an das Geschöpf, gehört noch der endlichen Ordnung an und ist Tat des Einen Gottes; der positive Inhalt der Adoption aber ist die Zeugung zum Sohn und kommt allein dem Vater zu.
(*23) "Relinquitur ergo quod non est impossibile Deum res ad non esse reducere; cum non sit necessarium eum rebus esse praebere nisi ex suppositione suae ordinationis et praescientiae."(Pot q5 a3 c)
(*24) "Licet creaturae incorruptibiles ex Dei voluntate dependeant, quae eis potest esse praebere et non praebere; consequuntur tamen ex divina voluntate absolutam necessitatem essendi, inquantum in tali natura causantur, in qua non est possibilitas ad non esse; talia enim sunt cuncta creata, qualia Deus esse ea voluit."(Pot q5 a3 ad12) Eine gute Interpretation dieser Stellen siehe bei MURPHY, Divine Freedom 338ff
(*25) FABRO bekennt, daß die gesamte Thomistik dem Meister in diesem wesentlichen Punkt untreu gewesen ist. Für sie ist alles Geschaffene "kontingent", für Thomas nur die materielle Substanz. (Obscurcissement 463)
(*26) SCHELLING, Über das Wesen der menschlichen Freiheit VII,347
(*27) Diese Welt ist Gottes Tat nach außen; aus unserer Erfahrung wissen wir aber, daß einer solchen Tat auch ein Innen zugrundeliegt: dieses nennen wir Gottes Wesen und wissen dabei, daß wir natürlicherweise nichts von ihm wissen, unendlich weniger als der Anblick einer Uhr über den Charakter des Uhrmachers an Aufschluß gewährt.
(*28) Diese mystische Potenz, als "Vergöttlichtheit in Person" gefaßt, wie verhält sie sich zu der von BALTHASAR so genannten "mystischen Potentialität", der Wurzel des ganzen deutschen Idealismus? (Siehe: Prometheus, Heidelberg 1947,19
Wenn innerhalb des Absoluten ein hypostatischer Unterschied von Gott und Geschöpf besteht, dann gibt es auch im Geschöpf die mystische Potentialität als reziproke Priorität von Endlich und Unendlich. Um absolut zu werden, muß ich es immer schon sein; denn Absolutheit heißt ewiger Selbstand. Ich soll es aber auch als Endlicher erst werden, bin es also nicht und kann es darum scheinbar auch nie werden.
Hätte der Idealismus den unauflöslichen persönlichen Gegensatz [gemeint], in dem das solcherart paradox vergöttlichte Geschöpf zum nicht werdenden Gott in sich selbst steht, so wäre gegen die mystische Potentialität, als Grundformel nicht Gottes, sondern der Kreatur, nichts einzuwenden.
(*29) De Deo, diss.IV a.5 §4 prob.2; Paris 1861, I,123
(*30) AUGUSTINUS, In ev.Joh 1,13
(*31) Zwei einander ergänzende Bilder mögen die Begriffe mit Leben füllen:
1) Mehrere Freunde sitzen im Konzert und vergessen sich, untergehend im Rauschen der Symphonie. Der Vergleich hinkt insofern, als hier die Aufmerksamkeit nur entweder ekstatisch im Einen und Ganzen oder bei sich als einzelnem sein kann; die Ekstase des Himmels dagegen beeinträchtigt nicht die Fülle gesonderten Lebens, sondern ist sein tiefer Quell. Während daher hienieden die Reflexion darauf, daß ich dies Ganze jetzt hörend bin, die Reinheit des Genusses stört und zur Lüge wird (hier gilt die buddhistische Alternative:.entweder schmähliche Endlichkeit oder Auslöschen der Besonderheit), vermag die Reflexion auf der neuen Erde den reinen Himmel nie zu trüben; beide Bewußtseinsweisen sind zwar mein, vermischen sich aber nicht; allein das Daß der Gottesschäu [ist] von außen her noch zu fassen, das göttliche Was und Wie aber übersteigt ewig Denken und Wort.
2) Um jedoch den Eindruck zu vermeiden, das Sinnliche sei ein besseres Bild des Himmels als das Denken, muß das Bild des Konzertsaals durch ein anderes ergänzt werden. Zehn Mathematiker berauschen sich in nüchterner Wonne an der Eleganz einer verwickelten Operation, die jeder, von der eigenen Hand geschrieben, vor sich sieht, während ein Professor sie erklärt. Auch hier ist die Individualität in dem Bereich, auf den es ankommt, so gut wie ausgeschaltet: die Zahl und Besonderheit tritt in das eine Denkgeschehen nicht als Größe ein. Auch wenn die Augen gleichzeitig kritisch die verschieden vollkommenen Schriften vergleichen, so langen diese Unterschiede nicht an den Sinn der Zeichen heran. Auch dieser Vergleich hat seine Mängel: Das Ganze ist nicht einfach, sondern komplex und darum trotz seiner Einheit in allen doch auch für die einzelnen als Ganzes verschieden: sie begreifen verschieden deutlich und umfassend. Im Himmel fällt dieser Stützpunkt der Individualität wegen der Einfachheit und Un-endlichkeit des zu Verstehenden fort. Verstand, Verständnis und Verstandenes ist für sich und für uns, nicht nur gleicherweise, sondern in letzter Selbigkeit, Gottes eigenes Leben.
3) Ein drittes Bild übersteigt auch noch den hypostatischen Unterschied Gott/Geschöpf und zeigt, wie die Teilhabe der Vielen am nur drei-faltigen Leben vorgestellt werden kann: Die höchste Ehrung und Freude, die einem Gast widerfahren kann, ist es, wenn die Familie in seiner Gegenwart sich in nichts um ihn bekümmert, sondern ihr intimes Familienleben unverändert weiterführt, ihm solcherart Anteil daran gewährend. Der Fehler des Vergleichs liegt darin, daß der Gast dabei nicht in die Beziehungen hineingezogen wird, sondern nur zuschaut, weil er sonst störte. Im Himmel aber liegt die Individualität unendlich außerhalb des göttlichen Lebens, stört dieses also nicht, während die Person, zur Einfachheit geläutert, nicht neben, sondern in den göttlichen Personen leben darf: nämlich im Sohn und dank der Perichorese dann auch in den anderen Personen.
(*32) Diese persönlichen Fürwörter hat als Trinitätsanalogie aufgezeigt H.MÜHLEN: Der Heilige Geist als Person, Münster 1963
(*33) De Novissimis (Prati 1908) §75
(*34) "Superest ergo, ut ad cognitionem ereaturarum in Deo, tamquam in causa, recurramus et dicamus, ad comprehensionem non satis esse cognoscere totum id, quod in re cognita formaliter inest, sed etiam illa omnia ita cognoscere, ut ex vi talis modi cognoscendi ea comprehendantur omnia, quae quovis modo ab illa essentia emanant aut emanare possunt ... Quia ergo visio creata hoc non habet neque habere potest, ideo comprehensio non est."
(*35) In Iam partem S.Thomae, disp.52
(*36) "Quamvis Beatus videat in Deo quicquid in eo est formaliter, non tamen videt omnia quae ipsum consequi et ab eo pendere possunt: nec enim possibilia omnia, neque futura, quae ex consilio Dei pendent, cognoscit Beatus. Quocirca recte dicitur, ipsum Deum a Beato non comprehendi."(Ebd disp.53 c.4 n.15)
(*37) De Deo L.VII,c.3 & 4
(*38) "Deus non mole, sed virtute magnus est, ut ait Augustinus. Quae eius magnitudo ipse Deus est; qui seipso magno magnus est; quia ipse sua est magnitudo, ut idem scribit. Quare non aliter comprehendi dicitur quam dum eius virtus, id est dynamis, quae est agendi vis et omnipotentia, plene ac perfecte cognoscitur." "Facit igitur infinita vis et efficientia Dei, ut totus ab creata intelligentia capi nequeat." (Ebd c.4,n.7 & 8)
(*39) Scheint dieses Versprechen lächerlich? Gewiß nicht minder lächerlich und weit gefährlicher ist jedenfalls jene Daunentheologie, der wir das Himmelsbild der Witzblätter verdanken! Als gäbe es im Endlichen je Ziel und Ende! "Vita activa non manet post hanc vitam."(S.Th. I-II q67 al ob2) Woher weiß man denn das? Ganz abgesehen davon, daß Gottes Wesen der Zusammenfall von Ruhe und Tat ist, die Tat also mindestens als endliches Symbol unseres ewigen Lebens belassen werden müßte - mit welchem Recht macht eine Theologie, die sich negativ gibt, positiv eine solch gewagte Aussage über die neue Erde? Nein, wenn schon Voraussagen, dann lieber solche: Du wirst aus dem Flugzeug stürzen oder ohne Gewißheit des Ausgangs mit einem Tiger fechten dürfen: wie hier geistliche Traurigkeit jede Lust erstickt, so wird dort die unendliche Freude allen Schmerz besiegen und sooft es der gottverbundenen Seele gefällt, läßt sie neu ihren Leib erstehen.
Die Negation des tätigen Lebens hat jedenfalls nur insofern recht, als sie nicht heimlich auf die Position eines untätigen hinausläuft.
(*40) Führen wir das Bild der Schrift etwas aus: Ein Architekt baut ein Haus. Darauf läßt er einem Studenten die Pläne zuschicken, dieser vertieft sich darein. Dann geht der Baumeister mit seiner Braut, für die er das Haus errichtet hat, durch die Räume und zeigt ihr Verschiedenes - bei weitem nicht alles, denn sie würde es nicht verstehen, kommt sowieso schon aus dem Staunen nicht heraus.
Wer hat die Tat des Hausbaues besser verstanden, der Student oder die Braut? Die Tat in ihrem äußeren Inhalt hat der Student besser begriffen, das Werk als persönliche Tat sicher die Braut, obwohl ihre Liebe durch das Haus nicht innerlich bestimmt wird. Der Student kennt nicht den Meister in sich selbst, sondern nur sein Werk, wie der Verstand den Schöpfer kennt. Die Braut kennt ihren Verlobten unmittelbar, auch abgesehen vom Werk, und darum auch in ihm: trotz dieser bleibenden und stets gleichen Unmittelbarkeit aber dennoch verschieden in verschiedenen Werken. Das ist der entscheidende Punkt.
Ändern wir den Fall jetzt leicht ab: statt des Hauses für die Braut seien es, im einen Haus des Vaters, drei verschiedene Wohnungen für drei Söhne. Alle drei hat er sich so erzogen, daß er sich ihnen jetzt ganz erschließen kann, vor keinem braucht er Geheimnisse zu haben, jeder hat sich bewährt, jeder kennt ihn unmittelbar und es ist da kein Unterschied zwischen ihnen. Dennoch hat, aufgrund der unterschiedlichen Lebensgeschichte eines jeden, des Vaters Verhältnis zu ihnen je eine besondere Färbung, die zwar die Herzlichkeit nicht innerlich bestimmt, aber doch von ihr auch nicht zu trennen ist: demgemäß hat er die drei Wohnungen verschieden gebaut. Die Söhne werden beim ersten 'Rundgang nicht nur verschiedene Wirkungen und den gemeinsamen Vater gleich unmittelbar, sondern auch ihn selbst in seinen verschiedenen Taten in verschiedenen Hinsichten verschieden sehen.
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