Jürgen Kuhlmann: Kat-holische Gedanken

DIE TATEN DES EINFACHEN GOTTES

Eine römisch-katholische Stellungnahme zum Palamismus

Rom 1965


Inhaltsverzeichnis

IV. Systematischer Teil

Einleitung

Dieser letzte Teil sei mit einer Bitte eingeleitet: der Leser wolle Geduld haben. Mit auch von ihm anerkannten Grundvoraussetzungen zu beginnen und darauf in gemeinsamer Arbeit das geplante Gebäude zu errichten - diese höflichste Methode ist leider nicht brauchbar. Wie sollte man anfangen ? Ein Theologe, der in de la Tailles Kategorien denkt, und ein anderer, für den sie auf eine Häresie hinauslaufen, beide Männer sprechen in unserem Fragenkreis nicht mehr dieselbe Sprache. Jeden einzelnen könnten wir auf seiner Seite des Berges zum allgemeinen Treffpunkt hinaufbegleiten; bei allen gleichzeitig aber kann weder der Verfasser noch ein neutraler Leser sein.

Da bleibt nur übrig, zunächst als einfaches Ganzes (um sie dann zu analysieren) die Synthese an den Anfang zu setzen: die aber ist allen Teilen fremd, dh verdächtig. Außerdem bedeutet Neuheit wirklich einen Mangel an Fülle, wie der Vergleich noch der dürrsten Eiche mit einer eben erst sprossenden Eichel erweist. Man warte darum - das ist meine Bitte - mit seinem Widerspruch bis zum Ende und richte nur das Ganze. Selbstverständlich ist der Vorschlag (wie jedes theologische System) nur eine Hypothese. Wer sie grundsätzlich annimmt, dem wird sie aus einer Erklärung vielleicht bald zu neuer Frage: wie ist denn so etwas möglich? Woher das Recht zu diesen Distinktionen? Wer so fragen muß, ehrt das Geheimnis. Er hat aber den Vorteil, daß sein Grundsuchen nicht mehr allein im Fluß jener Tradition erfolgt, zu der er gerade gehört, sondern in einem Strom, der um einiges weiter und reicher - und darum manchmal vielleicht auch tiefer ist. Wer den Vorschlag hingegen ablehnen muß, der weiß wenigstens, was er - und warum - in einigen der tiefsten Fragen für falsch hält. Und das ist nicht nichts.

Das erste Kapitel stellt das System in seinen Grundzügen vor, das zweite behandelt die sich ergebende Schöpfungslehre, das dritte die Vergöttlichung. Wenn sodann Thomismus und Palamismus in einer "neuscholastischen" Synthese versöhnt sind, erst dann kann und muß in einem vierten Kapitel der Ausgleich der überkommenen mit der heutigen Denkform versucht werden, dh eine katholische Existentialtheologie.

A) "Neuporretanismus"

Palamas-unterscheidet wirklich zwischen Wesen und Taten des einen Gottes. Das impliziert einen begrifflichen Unterschied zwischen "Gott und "Wesen Gottes" sowie zwischen "Gott" und "Tat Gottes". Ferner müssen Wesen und Tat zusammen - dem einen Gott gegenüber, dem sie angehören - unter einen und sei es noch so analogen Begriff gebracht werden; denn um nicht nur eine Formel, sondern verständlich zu sein, muß eine ausgesagte Verschiedenheit sich uns innerhalb einer Struktur auseinanderlegen.

Eine solche Begrifflichkeit hat die lateinische Theologie bereits ausgebildet; sie lebt jedoch seit der Hochscholastik nicht mehr als Kern eines eigenen Systems, sondern nur am Rande der anderen. Ich meine des Gilbert Porreta Distinktion von id quod und id quo. (1)

Wörtlich übersetzt bedeuten die beiden Ausdrücke: "das, welches ist" und "das, wodurch es ist". Ihre Verknüpfung wird sofort klar, wenn wir den Bezug zum Gegenpol (in Klammern) jeweils mitdenken: "id quod est (eo quo est)" und "id, quo est (id quod est)" Das quod ist also durch das quo und das quo ist jenes, wodurch das quod ist. Der Ursprung dieser Redeweise liegt im Platonismus, wo ja in einem wahren Sinn das einzelne durch die Idee ist. Theologisch angewandt hat das Kategorienpaar aber allen platonischen Geschmack verloren. Darum dürfen wir es frei und weiterführend mit "Wer" und "Was" übersetzen. Id quod est meint in der Theologie immer ein Wer, eine Person; id quo est meint eine Natur, einen Umstand, eine Weise zu sein, kurz: ein Was. Jedes Wer ist auf die Weise irgendeines Was, und ein Was ist nicht eigentlich selbst, sondern als Seinsweise eines Wer.

Was leistet diese Begrifflichkeit? Mir scheint, zweierlei. Erstens verknüpft sie, als verschiedene Begriffe miteinander und durcheinander denkbar, zwei Ausdrücke (Natur und Person), welche die alte Kirche (mit einer gewissen Willkür und Zufälligkeit) mittels verschiedener Namen eines ursprünglich einzigen Begriffs (der konkreten Substanz) als dogmatische Grundkategorien geschafffen hat, ohne sie in eine verständliche Beziehung zueinander zu bringen - abgesehen natürlich von jenem Grundverständnis, das dem Glauben als solchem und vor jeder Theologie wesentlich ist.

Zweitens übertrifft Gilberts Leistung alle vorherigen Versuche, Natur und Person ins Verhältnis zu setzen, dadurch, daß er die konkrete Substanz als solche zu einem Begriffspaar auseinander spreizt. Wie war es zuvor gewesen? Da bedeutete jedes Verständnis der beiden christlichen Grunddogmen (Trinität und Inkarnation) einen Verlust entweder an Konkretheit oder an Substantialität. Die Dreifaltigkeit konnte aufgefaßt werden entweder als die eine Substanz mit drei (akzidentellen) Relationen (Augustinus) oder als die (allgemeine) Natur in drei konkreten Verwirklichungen (Kappadozier). Und die Einheit der Person Christi in zwei Naturen vergleicht noch Boethius ungescheut mit der Einheit eines Chores; der Unterschied zwischen Natur und Person ist für ihn der zwischen einem Allgemeinen und einem Besonderen (2).

Wollte man also die Worte Natur und Person verständlich aus- -und gegeneinanderhalten, so konnte nur entweder die Substanz einem Akzidens oder die spezifische der konkreten Substanz gegenübergestellt werden. Beide Denkmöglichkeiten sind aber natürlich (das wußte man auch damals!) auf die Dogmen nicht anwendbar. Fügte man als Selbstverständlichkeit bei, daß es in Gott keine Akzidentien gebe und Christi Menschheit ebenfalls konkret sei, so erfolgte diese Klärung nicht harmonisch, sondern gewaltsam von außen her und nahm alle Verständlichkeit, die das Schema versprochen hatte, wieder fort. So fand man sich in ausweglosen Engpässen vor, über die vor Gilberts Distinktion zwar der Glaube, aber nicht die Theologie hinwegkam.

Lassen wir nun die Trinitätstheologie, als unserem Thema fremd, ganz beiseite. Das kirchliche Dogma von der einen Person Christi in zwei Naturen erhält in Gilberts Sprache diese Form: Nicht ein göttliches Wer und ein menschliches Wer sind in Christus verbunden, sondern nur göttliches und menschliches Was. Der Name "Christus" bedeutet sowohl das eine, ganz und gar einfache, unzusammengesetzte göttliche Wer dessen, der Christus heißt, als auch das aus mehreren Was verbundene Was, gemäß dem er Christus heißt.

Diese Struktur gibt uns den Schlüssel zum Verständnis des Palamismus. Der Wert der porretanischen Begrifflichkeit liegt darin, daß sie jeweils drei Größen aufeinander bezieht: entweder zwei Wer auf ein Was oder zwei Was auf ein Wer. Nehmen wir als weitere Voraussetzung den Ost und West gemeinsamen Unterschied zwischen natürlich und übernatürlich hinzu (ohne ihn vorerst genauer zu klären), so ergeben sich folgende Sichten:

1) Natürliche Taten Gottes

a) Göttliches Wer, zwei Was.

Das Wer ist der eine Gott, das innere Was ist Sein Wesen in sich; die Gesamtheit der Schöpfungstaten bildet das äußere Was. Es ist göttlich, weil persönliche Wirklichkeit Gottes, seinem Sinn nach aber ist es die endliche Schöpfung; beide Was sind, als Was, real unterschieden.

b) Ein Was, zwei Wer.

Das eine Was ist das Sein (und in ihm die anderen Teilhaben-selbst). In Bezug auf Gott als Wer ist es äußeres Was, Seine Tat. In Bezug auf die Geschöpfe ist es tief innerlich begründendes Was: das, wodurch sie sind (nur hier kommt der platonische Zug an Gilberts id quo est wieder zu Bedeutung).

c) Geschaffenes Wer, zwei Was.

Das Wer ist die geschaffene Person; begründendes Was ist das ihr vorgeordnete und insofern (in anderem Sinn als oben) ebenfalls äußere Sein, wodurch sie ist; ein anderes Was ist das konkrete Wesen, worin sie ist.

Schema (c) entspricht dem thomistischen Ternar ens, esse, essentia (4). Schema (b) ist die proklisch-dionysische Dreiteilung von Unteilhabbar-Teilgehabtem, Teilhabe-selbst und Teilhabendem. Und Schema (a) ist das System von Palamas: Gott, Wesen, Tat (5).

Verbinden wir die drei Strukturen zu einer, so ergibt sich: Gottes (Wer) Wesen (inneres Was) unterscheidet sich von seiner Tat nach außen (äußeres Was). Diese ist die Teilhabe-selbst (Was) des Geschöpfes (Wer) an Gott (Wer). Dieses Geschöpf (Wer) ist durch das Sein (Was) und in seinem Wesen (Was). Das Gesamtsystem besteht demnach aus fünf Begriffen: Göttliches Wer, göttliches Was, vermittelndes Was, geschöpfliches Wer & Was.

Je wirklich voneinander unterschieden sind göttliches Was und vermittelndes Was, göttliches Wer und geschöpfliches Wer, vermittelndes Was und geschöpfliches Was. Für den Verstand,aber nicht wirklich unterschieden sind jeweils Wer und Was innerhalb einen Ternars (6). Das bedeutet: Gott und sein Wesen sind real identisch, ebenso Gott und seine Tat; Wesen und Tat aber sind real unterschieden. Das Geschöpf und sein Wesen sind real identisch, ebenso das Geschöpf und seine Wirklichkeit; Wesen und Sein aber sind real unterschieden. Endlich ist Gott wirklich in seiner Tat und also mit ihr identisch; meine Wirklichkeit ist wirklich meine und also mit mir identisch; trotz dieser Identität des Seins sowohl mit dem Schöpfer wie mit dem Geschöpf trennt dennoch beide ein unendlicher Abgrund. Gar nichts miteinander zu tun haben endlich göttliches und geschöpfliches Wesen.

Innerhalb dieser komplexen Struktur lassen sich Thomas, Palamas und Dionysius auch in ihrer Gegensätzlichkeit verstehen. Bei T steht das geschaffene Wer in der Mitte; darum erklärt er dessen Sein für geschaffen und läßt Gott als unbezogenen Schöpfer auf der anderen Seite stehen. Das Verhältnis von "Esse Subsistens" und "esse commune" bleibt dunkel. Palamas denkt umgekehrt vom göttlichen Wer aus: auch sein Außen gehört ihm zu, ist also göttlich; das Geschöpf ist bloßer Empfänger eines Seins, das nie sein eigen wird, sondern eine "ungeschaffene Energie" ist. Bei D endlich ist der "Hervorgang", das eine Gott und Geschöpf gemeinsame Was, systematischer Sschlüsselbegriff; das ist aber nicht unbedenklich. Denn von einem Was läßt sich eigentlich nichts aussagen, vielmehr ist es selbst stets Aussage über ein Wer. Wird das vergessen und das Was "hypostasiert", so wird die "Mitte" zwischen Gott und Geschöpf sofort christlich unannehmbar. Auch wo das nicht geschieht, leidet in dieser Sicht der unendliche Abstand von Gott und Geschöpf eine gewisse Verdunkelung. Denn von Gott kommt nur seine Tat, nicht aber sein unendlich darüber erhabenes Wesen in den Blick, vom Geschöpf dagegen nur seine Wurzel, das Sein, und nicht seine nichtige Wesenheit (7). Dennoch ist "Gott als meine Tiefe" ein richtiger Ausdruck des Schöpfungsglaubens.

Gilberts System ist allen dreien - gewiß nicht an Fülle aber an Strenge voraus und erlaubt uns tatsächlich, sie zwanglos miteinander zu versöhnen. Ist das Sein göttlich oder geschaffen? Antwort: das Sein ist ein Was, und darum eigentlich überhaupt nicht, sondern Gott ist (außen) das Sein (insofern "ist" es göttlich) und das Geschöpf ist (wirklich durch) das Sein (insofern "ist" es geschaffen). Damit ist ein ausdrücklicher Widerspruch zwischen Thomismus und Palamismus behoben.

Das heißt keineswegs, beide seien aufeinander zurückgeführt worden. Vielmehr ist das fünfteilige porretanische Schema nur ein letzter abstrakter Rahmen, mit dessen Hilfe man über dem Streit, aber darum auch über der Sache - und somit nicht mehr in ihr steht. Will ich den Glauben selbst, nicht nur über ihn, denken, so kann das nur je in einem der drei Ternare geschehen: kein unmittelbarer Weg führt vom endlichen zum unendlichen Wesen.

Ich betrachte, was ich bin, und erkenne dann, daß dies alles nur darum nicht nichts ist, weil ich bin; daß ich aber bin, verdanke ich nicht mir; vielmehr bin ich nur als gegründet in einem Größeren und grenzenlos mich Überbordenden; trüge mich nicht das Sein, so fiele ich augenblicklich in das Nichts.

So weit bringt uns Thomas; jetzt übernimmt uns Dionysius: vergiß, was du bist - es ist unbedeutend genug. Daß du bist, darauf kommt es an; dieses Sein aber ist eine göttliche Wirklichkeit: Du bist durch Gott selbst, Er ist deine Tiefe.

Den letzten Schritt führt uns Palamas: Du meinst, das Sein und gar Gott selbst als deine Tiefe zu kennen? Vergiß dieses Wissen! Das Sein ist nicht Gottes Wesen, sondern seine Tat; kennt dich denn einer, wenn er deine Hand etwas schreiben sieht?

Mein endliches Wesen ist nichts vor der gewaltigen Quellfülle des Seins (T); das Sein als Tat ist nichts vor der unendlichen Fülle des göttlichen Wesens (P) - und dennoch ist Gott mein Sein und mein Sein Gott (D). Nur zusammengedacht ergäben diese Aussagen den Begriff der Schöpfung; wer sie aber zusammen denkt, erfaßt keine einzige innerlich: zwar auf einen abstrakten, nicht aber in einen vollzogenen Begriff läßt sich das Mysterium bringen.

2) Übernatürliche Taten Gottes

Zweimal unendlich also ist der Abstand von göttlichem und geschöpflichem Wesen - und über ihn findet Gottes Liebe einen Weg, ohne irgendeinen wirklichen Unterschied zu verwischen! Gottes Innen bleibt vom Sein unendlich unterschieden und dieses vom endlichen Wesen; Gott bleibt vom Geschöpf für ewig unterschieden - und doch wird der Schöpfer endlich, unendlich das Geschöpf, geschaffen die Unendlichkeit und ungeschaffen das endliche Wesen. Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich.

Was wird aber aus der Wissenschaft? Wird sie zur bloßen Paradoxensammlung? Keineswegs: wenn wir nämlich die folgende Aussage als nicht weiter erklärbaren Kernsatz der spekulativen Theologie annehmen (und dadurch Gilbert endlich die gebührende Ehre geben; denn um diese Wahrheit hat er fast gegen seine ganze Zeit gekämpft): Auf ein Wer oder ein Was angewandt, haben dieselben Begriffe nicht denselben Sinn. Definieren wir darum neu den Unterschied göttlich/nichtgöttlich: Ungeschaffen/geschaffen beziehe sich immer auf ein Wer; endlich/unendlich meine immer ein Was, während göttlich/geschöpflich mehrdeutig bleibe. Diese Festlegung scheint ebenso willkürlich und ist ähnlich angemessen wie ehedem das Auseinanderspreizen der einen Substanz in Ousia und Hypostasis: gerade weil diese beiden echte, aber erst von der Offenbarung geschenkte Begriffe sind, darum ist auch die vorgeschlagene Sprachklärung, die ganz auf diesem Unterschied aufruht, mehr als nur ein terminologischer Trick.

Den drei verschiedenen Sichten der Schöpfung entsprechen dann vier Konzeptionen der Übernatur:

a) Göttliches Wer, zwei Was. Das ist die alexandrinische und palamitische Christologie. Nicht mehr nur ist das dem Geschöpf vorgeordnete Sein äußeres Was Gottes, sondern ein bestimmtes menschliches Wesen ist Ihm auf die Weise innerlich wie jedem Menschen seine menschliche Natur. Wer nur in diesem Schema denkt, wird leicht (vgl. Kyrills "eine Natur") Christi Menschennatur als göttliche Natur verstehen, dh als Was eines göttlichen Wer, statt richtig als endliche Natur, das Was als Was verstanden. Der Mensch Jesus vergöttlicht die Engel, Ostern ist das Fest.

b) Geschöpfliches Was, zwei Wer. Das ist die antiochenische und westliche Christologie. Die endliche Natur bleibt endlich, ist aber so gewaltig, daß einer der wirklichen Menschen sogar Gott wird. "Humanität" ist das Losungswort dieser Richtung, und Weihnachen ihr Fest. Wer nur in diesem Schema denkt, wird Jesus leicht als menschliche Person auffassen, dh als Wer eines menschlichen Was, statt richtig als ungeschaffene Person, das Wer als Wer verstanden.

e) Geschöpfliches Wer, zwei Was. Das ist die scholastische Lehre von der Übernatur. Wir bekommen irgendwie Anteil an Gottes eigenem Bereich. Das eine geschaffene Wer steht im Zentrum. Wer nur in diesem Schema denkt, wird die Übernatur leicht als geschöpfliche Wirklichkeit auffassen (gratia & visio creata), dh als Was eines geschöpflichen Wer, statt richtig als unendliche Natur, das Was als Was verstanden.

d) Göttliches Was, zwei Wer. Das ist die palamitische Lehre von der Vergöttlichung, von der Gemeinschaft des Geschöpfes mit Gott im Himmel der Gottheit. Im Zentrum steht die Gottheit; innerhalb ihrer (die ein Was ist) unterscheidet man zwischen dem göttlichen Wer ("Gott dem Wesen nach") und dem vergöttlichten Wer ("Energie der Vergöttlichung"). Wer nur in diesem Schema denkt, wird das begnadigte Geschöpfe im Unterschied zu Gott leicht als "göttliche Energie" auffassen, dh als göttliches Was, statt richtig als geschaffene Person in Teilhabe an der göttlichen Natur, das Wer als Wer verstanden.

Dasselbe anders: die palamitische Unterscheidung von Wesen und Energie Gottes zielt zweierlei an. Wird Gott als Wer gefaßt, so meint sie den Unterschied zwischen Seiner unendlichen und Seiner endlichen Natur. Wird Gott als Was gefaßt, so meint sie den Unterschied zwischen ungeschaffener und geschaffener Person als Inhaber der einen unendlichen Natur. Jesu Menschennatur und Mariens vergöttlichte Person.sind Gottes höchste Taten. Palamas hat freilich auf der Ungeschaffenheit aller Energien bestanden: doch meint er damit nur die Göttlichkeit als solche; sie wird jetzt auf Wer oder Was hin ausgelegt. Als vom Wesen unterschieden ist die Energie als Was ungeschaffen aber endlich (Jesu Menschheit), als Wer unendlich, aber geschaffen (der vergöttlichte Mensch).

Ebenso meint zweierlei die lateinische Unterscheidung von Natur und Übernatur des Geschöpflichen. Wird das Geschöpfliche als Was gefaßt, so meint sie den Unterschied zwischen ungeschaffenem und geschaffenem Inhaber der endlichen Natur. Wird das Geschöpfliche als Wer gefaßt, so meint sie den Unterschied zwischen endlicher und unendlicher Natur des Geschöpfes. Man hat freilich auf der Endlichkeit alles Geschöpflichen bestanden: doch meint man damit nur die Geschöpflichkeit als solche; sie wird jetzt auf Was oder Wer hin ausgelegt. Von der Natur unterschieden, ist die Übernatur als Wer endlich aber ungeschaffen (Christus), als Was geschaffen aber unendlich (unser ewiges Leben) (8)

Harmonisch vereint, ergeben die vier Sichten das "admirabile commercium" der Liturgie: "Da nobis (quod) eius divinitatis (quo) esse consortes, qui (quod) humanitatis nostrae (quo) fieri dignatus est particeps." Ob dieses einmalige Juwel der Glaubenssprache (esse/fieri; consortes/particeps) allen Bedenken zum Trotz ernst genommen werden darf: danach fragen die folgenden Seiten. Wir sollen Mitinhaber der Gottheit sein? Der Unveränderliche ist geworden? Beides klingt gar manchem Ohr anstößig. Deshalb müssen wir uns jetzt, damit die logische Lösung zur theologischen werde, aus dem allgemeinen Rahmen ins einzelne begeben.

Anmerkungen

(*1) Die beste Einführung findet sich in den Artikeln von HÄRING. Das Vorkommen der Terminologie bei Thomas untersucht SCHILTZ.

(*2) C.Eut. c.4; FI 64,1346A, 1345C

(*3) "Non ita potest accipi, cum dicitur hominis Deique coniunctio in Christo facta: scilicet ut is qui homo est et is qui Deus est intelligantur in Christo esse coniuncti; sed tantum divina essentia et humana subsistentia, i.e. divinitas et humanitas. ... Nomen quippe ipsum quod est Christus unum quiddam significat, i.e. ipsum qui dicitur Christus, et ex multis collectam proprietatem qua dicitur Christus." (In Boethii C.Eut. c.4; PL 64,1383C; ed.HARING 304)

(*4) Auch Thomas kennt (von Boethius her) den porretanischen Sprachgebrauch, übernimmt ihn aber nicht als Herz des Systems: "Quod est, dicit ipsum suppositum habens esse ... Potest etiam dici quo est ipse actus essendi, scilicet esse, sicut quo curritur, est actus currendi. Potest etiam dici quo est ipsa natura, quae relinquitur ex coniunctione formae cum materia, ut humanitas."(I S d8 q5 a2 sol.)

(*5) Bei der folgenden Stelle aus den Triaden etwa drängt sich die Anwendung von Gilberts Terminologie von selber auf:

"Nicht ist das um Gott her das Wesen Gottes, sondern Er ist das Wesen dessen, was um Ihn her ist. Insofern nämlich Er selbst (quod) überwesenhaftes Wesen (quo) ist, ist Er unsagbar, undenkbar, unbezogen und unteilhabbar. Insofern Er aber das Sein der Seienden, das Leben der Lebenden, die Weisheit der Weisegemachten und überhaupt aller irgendwie Seienden das Sein und die schönschaffende Macht ist (quo) wird Er von den Gewordenen gedacht, gesagt und teilgehabt." (Tr III 2 25,689)

(*6) "Secundum Philosophum in III Physic. argumentum illud tenet, quod quaecumque uni et eidem sunt eadem, sibi invicem sunt eadem, in his quae sunt idem re et ratione, sicut tunica et indumentum; non autem in his quae differunt ratione." (Thomas, S.Th. I q28 a3 ad1)

(*7) Freilich hat keiner die göttliche Transzendenz mächtiger gepriesen als gerade Dionysius; er tut das aber nicht in Kraft dieses ihm eigentümlichen Schemas, sondern als "Praepalamit", insofern er nämlich den göttlichen Unterschied zwischen Überwesen und Hervorgängen aufstellt, also gewissermaßen die Optik wechselt. Wie mächtig der Hauptgedanke dennoch ist, zeigen zur Genüge die vielen Interpretationen des Dionysius auf Pantheismus hin!

(*8) Ich bin mir bewußt, daß eine Synthese von T und P nur dadurch möglich ist, daß dem, was beide auch gesagt haben, ausdrücklich widersprochen wird. Historisch hat P mit der "Energie der Vergöttlichung" nicht die Vergöttlichtheit des Geschöpfes gemeint, sondern Gott als den Vergöttlichenden (vgl. S.90). So gesehen, kann diese Energie vom Wesen aber nicht real, sondern nur begrifflich unterschieden werden; auch bleibt unbestimmt, wie die "Teilhabe" an ihr zu denken sei. Der palamitische (nur notionale) Unterschied von Gott in sich und Gott für uns beruht aber auf dem realen persönlichen Gegenüber von Gott für uns und wir in Gott: ähnlich wie der begriffliche Unterschied von "Gott" und "Vater" sich aus dem realen innergöttlichen Gegenüber von Vater und Sohn ergibt.
Thomas andererseits hat eine unendliche Übernatur ausdrücklich abgelehnt: "Infinitum non solum repugnat naturae, sed etiam gratiae." (S.Th. III q76 a3 ob.1) Im Zusammenhang der Stelle ist dieses Axiom zweifellos richtig; als allgemeingültig genommen, scheint mir, würde es jede zusammenhängende Theorie der Übernatur unmöglich machen.

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