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Seit dem Buch "Der göttliche Tanz" (1971) bis 1989 war ich von diesem Vierersystem überzeugt (das durch die Unterscheidung Vorher/Danach zum Achteck wurde); es war meine
mißglückte Lösung der Aufgabe, den Trinitätskreis (ICH-WIR-DU-WIR-ICH) mit Fessards Jude-Heide-Dialektik, der indischen Selbstmystik, der feministischen Pneumatologie und der Zen-Wahrheit zusammenzudenken. Alle diese
Spiritualitäten sind meiner Überzeugung nach unwiderlegbar und für die Kirche der Zukunft notwendig. Beim Versuch, sie zu verbinden, hatte ich (darin lag der Fehler) kurzschlüssig das Ich verdoppelt. Als
"Selbst" blieb es der Ursprung hoch oben oder tief innen, als "Ich" wurde es unten/außen zum Gegenpol des Du. Deshalb sprach ich von den vier
"absoluten Schaltungen" Selbst, Eins, Du, Ich und schrieb 1982 "an Quintulum" über acht Sinntakte. Rückblickend erinnere ich mich, daß mir im Lauf der Jahre immer wieder leise
Zweifel kamen; sie führten jedoch erst im Frühjahr 1989 zum Umguß des Systems. Folgendes schien noch unklar: a) Das christliche Grunddogma ist die Lehre von der Trinität, die Quaternität wurde vom Lehramt
verworfen. Stellte ich mich mit dem Vierersystem also nicht gegen die gesamte Tradition? Mein Antwortversuch war mariologisch: Sophia-Maria, die reine Schöpfung,
die Vergöttlichtheit in Person, kann in etwa schon als "vierter göttlicher Pol" gelten. Weil wir dazu gehören, deshalb ist wahrhaft das göttliche Leben nicht bloß eines, sondern vielfach
, nicht nur reine, sondern bunte Helle, nicht nur ewiges Sein, sondern Werden zur Ewigkeit. [Daß diese Behauptung einem neuscholastisch Gebildeten fast ketzerisch klingt,
liegt nicht an der christlichen, sondern an der griechischen Wurzel der Hochscholastik. Des Aristoteles Gott schuf, wollte, kannte das Einzelne nicht, so wenig ein griechischer Vornehmer sich mit den Details seiner
Küche befaßte. Eine starke, auf Gregor Palamas (+ 1359) sich berufende Tradition der Ostkirche hat mit ihrer Lehre von den göttlichen Energien jenes kalte Gottesbild bekämpft. Im dritten (ungedruckten) Teil meiner
Dissertation von 1965 zeige ich auf, welche Inkohärenzen des thomasischen Denkens seine Weiterentwicklung zu jener Fülle erlauben, die den Ansatz von Palamas einschließt. Ein christliches System, laut welchem Jesus
(weil göttliche Person) keine wirkliche Beziehung (relatio realis) zu seiner Mutter Maria hatte (so Thomas mit unerschrockener Logik in Quodl.1 q.2 a.1), mag damit zwar eine wichtige Wahrheit sagen, aber noch
nicht die Wahrheit auf runde, systematisch gelungene Weise!] Zu den drei göttlichen Personen von jeher, nennen wir sie: urgöttlich, tritt als vierter
Beziehungspol die in Gott aufgenommene Schöpfung, sagen wir mit einem alten Lieblingswort der griechischen Kirchenväter: die "vergottete" Schöpfung. Was wir dem göttlichen Leben hinzufügen, ist aus dem Nichts, wäre nicht nötig gewesen; Gott bräuchte nicht zu schaffen, ähnlich wie Verdi nicht hätte zu schaffen brauchen. Wenn und weil er aber seine Aida schuf, ist sie nicht mehr bloß nichtiges Geschöpf. Lebendige, unvergeßliche Person innerhalb seiner schöpferischen Person, bildet sie - zusammen mit allen anderen Opernfiguren des Meisters - als sein
Werk
einen eigenen Beziehungspol innerhalb seines Bewußtseins (nennen wir ihn: "ES"), der auf keinen der drei Urpole ICH/EINS/DU zurückführbar ist, so daß der Begriff "vierter Pol" in etwa durchaus stimmt: Die Vierpoligkeit leugnet nicht die Dreifaltigkeit, macht aber endlich ernst mit der kirchlichen Lehre, daß die Schöpfung zur Teilhabe am dreieinigen Leben berufen ist. [
Der Begriff "Quaternität", wie etwa C.G.Jung ihn verwendet, scheint mir für die christliche Sprachwelt allerdings nicht geeignet. Denn er klingt so, als bezöge er sich formal auf dieselbe
Wirklichkeit wie "Trinität", gliedere sie jedoch vierfach statt dreifach. Das aber wäre falsch. In sich, abgesehen von der Schöpfung, ist Gott nur dreieinig, die Vier hat hier nichts zu suchen. Recht hat der
große Psychologe, insofern die menschliche Seele nicht auf Gott in sich, sondern auf Gott für uns geprägt ist und mithin in ihrem Ursymbol der Ganzheit auch die vierte Relation enthält, eben Gottes Beziehung zu seiner
vergotteten Schöpfung. Wer dieser vielfach empirisch erwiesenen Seelenwahrheit im Namen der Trinitätslehre widersprechen zu sollen meint, leidet an abergläubischer Zahlenvergötzung. Auch L.Boff spricht in seinem
Dreieinigkeitsbuch von der Vierheit: "Das vierte Element bedeutet die Öffnung der Ganzheit" (S.123).] Soweit eine Erklärung der Vier. Sie ist nicht falsch, erklärt das Faszinierende
des Oktogons. Nur rettet sie nicht jenes tatsächliche Vierersystem. Maria, die geschaffene Gnade, einseitig nur "ich" zu nennen, sie ausgerechntet im jüngeren Sohn, ja im Atheisten dargestellt zu sehen - nein,
das geht nicht an. Hier lag ein Sprengsatz, der das allzu simple System zerreißen mußte. b) Den Gegensatz zwischen rauschhafter und nüchterner Einheitserfahrung hatte ich bisher auf Vorher und Danach
verteilt (Q 79), so meinte ich dem Stimmungsgegensatz von Afrika und Zen-Buddhismus gerecht zu werden. Doch denke ich an einen reinen Morgen in klarster Zen-Stimmung, nach welchem der Zweifel an mir nagte, ich
dürfe diese Spiritualität doch nicht ausklammern. Später merkte ich, daß ja doch die meisten Räusche auf den Abend fallen. Ein Achteck, das weder für morgendliche Nüchternheit noch für den Abendrausch Platz hat, ist
falsch. c) Auch die Einordnung der Liebesmystik fiel schwer, scheint sie doch weder konflikthaft-geschichtlich noch personauflösend-ungeschichtlich zu sein. Auch für sie ist das Achteck zu eng.
d) Der Ursprung des individuellen Werdens ist der Eins-Takt; denn es beginnt in der ungeschiedenen Geborgenheit im Mutterschoß und an der Mutterbrust. Erst danach folgt der Du-Blick des Vaters und eines
Tages das stolze Wort »ich«. Den Rhythmus, statt mit dem EINS, mit dem Selbstgefühl beginnen zu lassen, ist nicht nur antifeministisch, sondern schlicht falsch. Ohne Vorstellungsmodell gibt es jedoch kein
Verständnis, auch nicht des Glaubens. Wer das leugnet, kommt keineswegs ohne Schema aus, hängt nur hilflos in seinem unerkannten gefangen. Der Kreis aus acht Takten hat als Grundmodell versagt. Wie lassen seine wahren
Elemente sich besser zusammendenken? |