WCRP
Pfingsten 1972
Prisma-Prinzip
St. Sebald 1977
P. Klein 1982
1988 in Nürnberg
Dialog-Treffen
 April 1989
Drei-einiger
 Frieden
Vortrag in Mainz
Etappen
Brief an Dekan
 Joh. Friedrich
Buch 2001
Friedenslampe
Gespräche
 Anima/Christian
Ehrfurcht-Buch
Wilhelm Klein SJ
 im Oktober 1982

Da liegt ein Mann ...

Über den Glauben und über die Liebe

Ein seltenes Fest haben wir am letzten Oktobertag [1982] in Bann gefeiert: das siebzigjährige Jubiläum der Priesterweihe von P. Dr. Wilhelm Klein SJ. Schwer vorstellbar: als der Erste Weltkrieg losbrach, war dieser Mann schon fast zwei Jahre lang Priester! Der großen Öffentlichkeit unbekannt, ist er doch seit Jahrzehnten eine der heimlichen Erneuerungsquellen der deutschen Kirche. Von 1948 bis 1961 wirkte er als Spiritual im Germanikum; längst vor dem Konzil hat er vielen Priesterstudenten den Blick geschärft für die göttliche Einheit aller Gläubigen tief unter der "historischen Oberfläche", wie er mit Ambrosius so oft sagte.

Mit drei Dutzend Altgermanikern in einem großen Kreis sitzend, kam er jetzt, im vierundneunzigsten Jahr seines reichen Lebens, auch wieder auf das Hauptthema zu sprechen: "Ihr fragt euch vielleicht: was tut der alte Mann den ganzen Tag? Ich antworte: er arbeitet mit bei der Weltkonferenz der Religionen für den Frieden. Es ist vielleicht die aktuellste Bewegung in der Kirche heute, und ich bin froh, daß der Papst mitmacht. Es ist das, was Paulus im Römerbrief geschrieben hat, daß es eben gläubige liebende Menschen überall gibt, nicht nur im auserwählten Volk, den Juden damals, sondern überall. Ja, und wenn das so ist, und es ist so, dann folgt doch daraus - ich nehme es einmal praktisch: Ich komme über die Straße, da liegt ein Mann, überfahren (wie das heute jeden Tag geschieht), und da laufen Leute vorbei, nun, es ist ein Chinese, hier in Bonn gibt's alles. Aber einer, er ist vielleicht ein Mohammedaner, er geht hin, er hilft ihm auf und tut, was der barmherzige Samariter getan hat. Die zwei verstehen sich nicht, sie sprechen ganz verschiedene Sprachen. Dieser Mann übt die Liebe. Ist das die Liebe, die wir in der Theologie lernen, also die vollkommene Caritas, der vollendete Glaube? Wer zu mir sagt, Herr, Herr, oder das Glaubensbekenntnis sagt ... Das alles macht es nicht. Beim gelebten Glauben, der Caritas, da ist Glaube und Liebe identisch. Und da ergeben sich doch ungeheure Folgerungen. Also die Liebe, die dieser Mann an dem Chinesen da übt, meinetwegen ein Jugoslawe, ein Mohammedaner - und es ging da ein Katholik vorbei oder sonst ein gläubiger Christ. Wäre die Liebe, die der Christ im Herzen trägt und übt, dieselbe Liebe, die der Mohammedaner und der Chinese hat und übt? Ohne Zweifel Derselbe Glaube also? Ja. Obwohl das Glaubensbekenntnis anders ist, er würde vielleicht aus buddhistischen Büchern einiges erzählen oder ein anderer, ich weiß nicht woher, anderes sagen. Und ein anderer würde sagen, ich bin Atheist. ich habe keine Religion. Also ein gläubiger Mensch ohne Bibel. Paulus stellt im dritten Römerkapitel die Frage: Was hat ein gläubiger Mensch ohne Bibel für Nachteile hinter dem, der die Bibel hat? Was hat ein gläubiger Mensch mit der Bibel voraus vor einem gläubigen Menschen ohne Bibel? Im selben Kapitel zwei Antworten. Er hat viel voraus; Gott sei Dank, daß wir die Bibel haben. Was wären wir ohne die Bibel des Alten und des Neuen Testaments? Erste Antwort: viel hat er voraus. Zweite Antwort im selben Kapitel: gar nichts hat er voraus. Wieso? Da kommt der berühmte Satz: Alle haben gesündigt und ermangeln der Herrlichkeit Gottes. Er hat nichts voraus. Er ist genauso ganz und gar von der Gnade Gottes abhängig wie der Mensch ohne Bibel

Zur Zeit des Evangeliums gab es viele, die sagten: ein Samariter ist ein verfluchter Mensch. Mit dem redet man nicht. Und der hilft, das ist der Samariter, der Exkommunizierte. Ja, so ist das. Ich meine, mir läge viel daran, wenn unsere Theologieprofessoren und unsere Seelsorger sich mehr mit diesem ganzen Fragenkomplex beschäftigten. (Frage eines Bischofs: "Und die Bischöfe"?) Und die Bischöfe, natürlich, sie sind an erster Stelle aufgerufen ..."

Seine Predigt während der Festmesse hatte Pater Klein so geschlossen: "Es ist ja so, meine Schwestern und Brüder: All die Probleme, die uns heute bedrücken, die religiösen, die sozialen. die technischen, die wirtschaftlichen, die wären, die sind nur zu lösen auf einem Weg: auf dem Weg der Liebe. Und das ist keine Illusion, das ist keine Utopie, das ist das, wofür wir uns mit ganzer Seele, wir alle, einsetzen wollen von früh bis spät. Die Predigt ist gleich aus; denn ich habe mir jenen alten Mann zum Vorbild genommen, der am Ende des ersten christlichen Jahrhunderts steht. Die Beine trugen ihn nicht mehr, man mußte ihn tragen in den Gottesdienst, aber er wollte dabei sein. und dann predigte er auch immer, und dann sagte er immer dasselbe, wie Hieronymus berichtet: ,Kindlein, liebet einander!’ Schließlich haben sie ihm gesagt: ,Hast du uns sonst nichts zu sagen? Erkläre uns das vierte Evangelium und die Apokalypse und die Briefe, und die Briefe deines Mitbruders Paulus!’ Und er antwortete: ,Kindlein, liebet einander! Wenn das geschieht, ist es genug. Das ist des Herren Wort.’ Amen."

[Christ in der Gegenwart, 5. Dezember 1982]

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