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Nürnberg, den 20. November 1991 Sehr geehrter Herr Friedrich,
weil ich sowieso gerade über einem ökumenischen Buchprojekt sitze, habe ich Ihre Bemerkung gleich zu einem Abschnitt ausgearbeitet und hoffe, mit meinem Vorschlag sowohl bei Ihnen wie bei meinem Bahai-Freund Zustimmung
zu finden. Welch ein Glück, daß scheinbarer Streit oft nur von Sprachverschiedenheit kommt! Hier mein Versuch: Bei der Begrüßung zu einer ökumenischen Gebetsfeier im November 1991 brachte ein
protestantischer Theologe es fertig, in Bezug auf Juden und Muslime vom "Glauben an einen anderen Gott" zu sprechen und darauf beim privaten Gespräch nachher auch ausdrücklich zu bestehen. Manche der
anwesenden Gläubigen waren schwer schockiert, z.B. ein mir befreundeter Bahai. Ich zunächst auch - bis ich einsah, daß ja Menschen, die von verschiedenen Seiten aus durch eine bunt bemalte Glaskugel hindurch dieselbe Glühlampe erblicken, durchaus nicht das gleiche Licht schauen! Auf deutsch läßt diese Wahrheit sich leicht sagen: wir glauben an denselben, keineswegs aber an den gleichen Gott. Wer für beide Begriffe nur ein Wort (z.B. "the same") hat, tut sich schwerer. Ebenso ergeht es uns jedoch beim Gegensatz (zu beiden Begriffen): "anderer". Mithin ist "ein anderer Gott" derart mißverständlich, daß wir auf solche Redeweise verzichten sollten.
Brüderlichen Gruß, Ihr J. Kuhlmann Volle Internet-Adresse dieser Seite: http://www.stereo-denken.de/wcrp/selbglei/selbglei.htm
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